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COVID-19: Studierende wünschen sich psychosoziale Hilfe

COVID-19: Studierende wünschen sich psychosoziale Hilfe
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Ein Viertel der Studierenden fühlt sich in der Pandemie so belastet, dass sie psychosoziale Hilfe wünschen. Das ist ein Ergebnis einer Befragung der Universität Mainz, die im Juni 2020 während der ersten COVID-19-Welle stattfand. Wie die Auswertung zeigt, leiden Studierende stark unter Einsamkeit und depressiven Symptomen. Diese Bevölkerungsgruppe werde mit ihren Ängsten und Problemen zu sehr allein gelassen, betont die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM). Die Experten empfehlen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation.
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Für die Online-Umfrage schrieben die Wissenschaftler der Projektgruppe „Healthy Campus Mainz – gesund studieren“ im Juni 2020 insgesamt 30.000 Studierende aus verschiedensten natur- und geisteswissenschaftlichen Fächern an. An der Befragung, die international standardisierte Methoden nutzt, nahmen 3.066 Studierende teil. Anschließend wurden die Umfrageergebnisse aus dem Pandemie-Sommer mit einer Untersuchung aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 verglichen.
 
Ein zentrales Ergebnis: 39% der Befragten gaben an, unter depressiven Symptomen wie Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen oder dem Verlust von Interessen und Freude zu leiden – ein Zuwachs um 10% gegenüber 2019. „Eine bemerkenswerte Steigerung“, sagt Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Manfred Beutel, Mainz. Auch körperliche Beschwerden haben den Studierenden zufolge im Sommer 2020 um 8% zugenommen. „Insgesamt gab ein Viertel der Befragten an, sie bräuchten psychosoziale Unterstützung“, so Beutel.

Zukunftsangst: Weniger Nebenjobs, Auslandsaufenthalte, Praktika

Gründe für die schlechtere Verfassung sind in erster Linie wirtschaftliche und soziale Veränderungen, die die Pandemie nach sich zog. So machen sich 2 Drittel der Befragten Sorgen um ihren ökonomischen Status: Nicht nur Nebenjobs brachen weg (16%), auch Auslandsaufenthalte, Praktika und ehrenamtliches Engagement (13%) waren eingeschränkt. „Viele sind pessimistisch, was ihre berufliche Zukunft angeht. Sie fürchten Nachteile bei der Berufswahl“, erläutert DGPM-Experte Beutel.
 
Neben Zukunftsängsten leiden die Studierenden unter Vereinsamung. Das beginnt beim Studium, das zu Hause online stattfindet. „Digitale Formate sind technisch störungsanfällig, und es mangelt an Interaktivität“, berichtet Beutel. „Vorlesungen und Seminare werden oft wie ein Vakuum erlebt.“ Der unmittelbare Kontakt zu den Kommilitonen und Dozenten fehle, soziale Netzwerke könnten die persönlichen Begegnungen nicht ersetzen.
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Zurück zu den Eltern: digitale und soziale Vereinsamung

Verstärkt wird die Vereinzelung durch die Kontaktbeschränkungen – Treffen im Freundeskreis, Freizeitaktivitäten und gemeinschaftlicher Sport fallen weg. „Nach eigenen Angaben setzen die Studierenden das Social Distancing ziemlich konsequent um“, berichtet Beutel. So gaben 90% an, persönliche Treffen verringert zu haben, 85% meiden öffentliche Orte. Fast alle Befragten erklärten, Maske zu tragen und Abstand zu halten.
 
Die Angst vor Ansteckung führe zu weiterer Isolation. „Sich partnerschaftlich auszuprobieren, das funktioniert unter Pandemiebedingungen so einfach nicht“, meint Beutel. Soziale Einschränkungen bewirken in Verbindung mit wirtschaftlichen Einbußen häufig Veränderungen der Wohnsituation. „10% der Studierenden sind zu den Eltern zurückgezogen, andere haben die WG verlassen und sitzen allein in einer Einzimmerwohnung“, erklärt der Mainzer Experte.

Verlust der Tagesstruktur, verstärkter Substanzkonsum

Diese Einschnitte erleben junge Menschen, die eigentlich ins Leben aufbrechen sollten, als sehr belastend. „Mit dem Wegfall von Präsenzunterricht und Freizeitaktivitäten geht schnell die Tagesstruktur verloren, die Studierenden verkriechen sich zu Hause“, erläutert Beutel. Das verstärke depressive Symptome und löse einen Teufelskreis aus, der eine Steigerung des Substanzkonsums triggern könne. „Wir registrieren, dass die Studierenden mehr Alkohol trinken und Cannabis rauchen“, so Beutel.
 
Die Mainzer Forschungsgruppe setzt die Studierenden-Erhebung fort. „Ich befürchte, dass sich die psychische und gesundheitliche Situation der Studierenden weiter verschlechtert“, erklärt Beutel.

Forderungen: Mehr BAföG, mehr Server-Kapazität, mehr Leihgeräte

Die Experten für psychosomatische Medizin empfehlen daher Maßnahmen, um die Situation des akademischen Nachwuchses zu verbessern. „Wir plädieren für einen stärkeren Einsatz von Live-Vorlesungen zu festen Terminen, sofern von Studierenden gewünscht, für ein breiteres Angebot von Online-Praktika mit möglichst vielen interaktiven Elementen, für eine gezielte stärkere finanzielle Unterstützung durch BAföG, staatliche und private Förderungen sowie einen niederschwelligen Zugang zu Angeboten, die über Prävention und Behandlung psychischer Probleme informieren“, erklärt Prof. Dr. med. Harald Gündel, DGPM.
 
Ein weiteres Forderungspaket bezieht sich auf die digitalen Rahmenbedingungen. „Online-Plattformen sollten besser strukturiert, Prüfungen an die digitale Form angepasst, Dozierende im Umgang mit digitalem Unterricht geschult und Hotlines für Studierende zur digitalen Lehre eingeführt werden“, führt Gündel aus. Darüber hinaus brauche es mehr Lizenzen für Softwareanwendungen, größere Server-Kapazitäten und eine bessere technische Ausstattung der Studierenden. „Das könnte durch Leihgeräte oder eine finanzielle Entlastung bei der Anschaffung von Laptops geschehen“, ergänzt der DGPM-Sprecher.

Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin


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