Patienten können von Vedolizumab profitieren – IQWiG erkennt keinen Zusatznutzen an
Lange hat es keine neuen Therapien mehr auf dem Feld chronisch entzündlicher Darmerkrankungen gegeben. Das hat sich im Juli mit der Einführung von Vedolizumab (Entyvio®) in Deutschland geändert. Die europäische Arzneimittelbehörde weist auf den therapeutischen Bedarf hin. Auch von behandelnden Ärzten wird der Zusatznutzen für Patienten bestätigt: Der darmselektive Wirkmechanismus von Vedolizumab stellt in der Therapie von Colitis ulcerosa und Morbus Crohn einen erheblichen Fortschritt dar. Das äußerte sich in den Zulassungsstudien unter anderem in einem günstigen Nebenwirkungsprofil. Trotzdem sieht das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) keinen Zusatznutzen.
Seit dem 15. Juli ist Vedolizumab unter dem Namen Entyvio in Deutschland verfügbar. "Mit Entyvio können wir therapeutische Lücken in der Gastroenterologie schließen", so Jean-Luc Delay, Geschäftsführer von Takeda Deutschland. "Es ist ein hervorragendes Medikament. Wir sehen einen Zusatznutzen aufgrund des neuen, darmselektiven Wirkmechanismus und der dadurch zu erwartenden Vorteile bei der Verträglichkeit." Als innovatives Arzneimittel durchläuft Vedolizumab aktuell die frühe Nutzenbewertung. Das IQWiG bewertet im Auftrag des G-BA das von Takeda eingereichte Nutzendossier mit dem Ergebnis: Kein Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie mit dem TNF-α-Blocker Adalimumab.
"Die Bewertung ist für Takeda enttäuschend", so Dr. med. Gundula Schneidewind, Leiterin Market Access bei Takeda. "Wir sind überzeugt von unserem Produkt und seinem Zusatznutzen für die Patienten. Die Bewertung Kein Zusatznutzen bedeutet, dass Vedolizumab als mindestens so gut eingestuft wird wie vergleichbare Therapien. Diese Einschätzung des IQWiG sagt keineswegs aus, dass Vedolizumab für Patienten mit Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn keinen Nutzen aufweist. Die Wirksamkeit wurde bereits durch die Zulassung bestätigt. Vedolizumab zeigte darüber hinaus in den Zulassungsstudien ein günstiges Sicherheitsprofil."
Trotzdem war die Entscheidung des IQWiG zu erwarten. Der Grund hierfür liegt in der Systematik der Nutzenbewertung: Das heutzutage geforderte Studiendesign entspricht nicht dem, was in der Konzeptionsphase des Studienprogramms mit europäischen und amerikanischen Behörden vereinbart war. "Da keine Vergleichsstudien zwischen Vedolizumab und Adalimumab existieren, konnten wir den Zusatznutzen nur über einen adjustierten indirekten Vergleich der beiden Wirkstoffe gegenüber Placebo nachweisen. Unsere Daten zeigen hier klar, dass Vedolizumab bei vergleichbarer Wirksamkeit eine höhere Verträglichkeit, sprich weniger Nebenwirkungen aufweist", so Schneidewind. Dabei handelte es sich bei der Studienpopulation um die am schwersten erkrankten Patienten, die jemals in klinischen Studien zu Colitis ulcerosa und Morbus Crohn untersucht wurden: Etwa die Hälfte der eingeschlossenen Patienten hatten zuvor auf TNF-α-Blocker versagt, wovon wiederum circa 50% sogenannte Anti-TNF-α-Primärversager waren, also Patienten, die in der Einstellungsphase gar nicht erst auf diese Therapie angesprochen hatten. In den Morbus-Crohn-Studien wurden sogar Patienten eingeschlossen, die auf zwei oder mehr TNF-α-Blocker versagt hatten, was auf circa zwei Drittel der mit TNF-α-Blockern vorbehandelten Patienten zutraf.
Die Erfahrungen mit indirekten Vergleichen im Rahmen der AMNOG-Nutzenbewertung haben gezeigt, dass die grundsätzliche Akzeptanz gering ist. Adjustierte indirekte Vergleiche wurden vom IQWiG bisher stets wegen methodischer Aspekte abgelehnt, zum Beispiel aufgrund nicht übereinstimmender Studienpopulationen, unterschiedlicher Behandlungszeitpunkte, abweichender Verabreichung des Wirkstoffs oder fehlender Veröffentlichung von Studienergebnissen der Vergleichssubstanz. Die Zulassungsstudien, welche nun auch die Grundlage für die Nutzenbewertung bilden, wurden lange vor dem AMNOG im Zeitraum 2006 bis 2008 in den USA geplant. Bei der Planung des globalen Studienprogramms wurde in erster Linie den Anforderungen der Regulatoren - FDA und EMA - entsprochen. Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hält nach wie vor am Prinzip des gegenüber Placebo geführten Wirksamkeitsnachweises fest, auch und insbesondere um das Sicherheitsprofil eines neuen Wirkstoffs an Placebo zu messen.
Patientensicherheit stärker berücksichtigen
Der Zusatznutzen von Vedolizumab gegenüber Adalimumab bei Anti-TNF-α-naiven Patienten zeigte sich im indirekten Vergleich für die Induktions- und Erhaltungstherapie bei Colitis ulcerosa durch vergleichbare klinische Effektivität, bei geringerem Schaden. So ist das Risiko für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse erheblich geringer (51% geringer in der Induktionsphase, 39% geringer während der Gesamtstudiendauer). Die Zahl der Studienabbrecher aufgrund unerwünschter Ereignisse zeigt dies umso deutlicher. Das Risiko für einen Therapieabbruch aufgrund unerwünschter Ereignisse ist unter Vedolizumab gegenüber der Vergleichstherapie um 72% (Induktion) bzw. sogar 85% (Gesamtstudiendauer) geringer. Nach der IQWiG-eigenen Definition leitet sich daraus ein beträchtlicher Zusatznutzen ab, den Takeda auch nach wie vor für TNF-α-naive Patienten mit Colitis ulcerosa beansprucht. Die Ergebnisse bei Anti-TNF-α-Therapieversagern sind vergleichbar. Die Rate von unerwünschten Ereignissen und Therapieabbrüchen bewegt sich in der gleichen Größenordnung wie bei Patienten, die zusätzlich zu ihrer konventionellen Therapie Placebo bekamen - bei vergleichbarer Wirksamkeit wie Adalimumab. Auch bei Morbus-Crohn-Patienten bestätigen die Studienergebnisse die gute Verträglichkeit von Vedolizumab und erlauben Patienten möglicherweise eine nachhaltigere, weil längere Therapie.
Die Entscheidung des IQWIG hat keinen Einfluss auf die Therapieentscheidung des Arztes. Vedolizumab kann weiter uneingeschränkt verordnet werden. Auch die Therapiekosten bewegen sich trotz noch ausstehender Preisverhandlungen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) im Rahmen einer Behandlung mit Anti-TNF-α-Präparaten. Der G-BA entscheidet im Januar 2015 über den Zusatznutzen von Vedolizumab. Er ist dabei nicht an die Bewertung des IQWiG gebunden.
Quelle: Takeda
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