Generell muss bedacht werden, dass der postoperative Verlauf hinsichtlich Lungenfunktion, Bedarf an Medikamenten und Schmerzlinderung umso mehr beeinflusst wird, je invasiver der Zugang ist. So kann es im Rahmen einer Sternotomie und/oder Thorakotomie zu einer deutlichen Abnahme der Lungenfunktion kommen – ein Faktor, der besonders bei Patienten mit MG von Bedeutung ist, da bei diesen die Krankheit selbst bereits mit einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion assoziiert ist. Daher sind diese Patienten besonders anfällig für pulmonale Komplikationen nach einem operativen Eingriff (6, 29).
Aus neurologischer wie auch aus chirurgischer Sicht darf eine Operation bei Thymom-assozierter MG erst nach einer Stabilisierung der Symptome durchgeführt werden. Eine Optimierung des medizinischen und neurologischen Zustands des Patienten ist zwingend notwendig, um postoperativ eine adäquate Genesung zu erreichen und um etwaige Komplikationen zu minimieren. Bei Hochrisiko-Patienten mit einer präoperativ schwer einstellbaren Symptomatik müssen erweiterte therapeutische Ansätze wie die Gabe von Immunglobulinen i.v. oder Plasmapherese erwogen werden (30).
Die Thymektomie ist somit eine etablierte Maßnahme bei Patienten mit Thymom-assoziierter MG, die neben der konservativen Behandlung zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome führen kann, z.T. bis zur kompletten Remission (31). So wurde berichtet, dass sich bei 77% der Patienten mit MG die klinische Situation postoperativ verbesserte (32). Patienten zwischen 15 und 50 Jahren profitieren dabei besonders von der Thymektomie, vor allem, wenn diese innerhalb von 1-2 Jahren nach Diagnosestellung durchgeführt wird.
Myasthene Krise
3-30% der Patienten mit MG entwickeln nach einer Thymektomie eine myasthene Krise (myasthenic crisis after thymectomy, MCAT), wobei insbesondere Patienten im höheren Lebensalter gefährdet sind (33). Dabei handelt es sich um eine potenziell lebensbedrohliche Exazerbation der MG, die mit respiratorischer Insuffizienz einhergeht und mit einer Letalität von mind. 2-3% verbunden ist (34). Eine myasthene Krise ist die hauptsächliche Ursache für eine erhöhte Mortalität nach einer Thymektomie. Als Auslöser einer MCAT werden Infekte, schwere Allgemeinerkrankungen, Operationen sowie Fehler bei der Medikamenteneinnahme und unzureichende Immunsuppression diskutiert. Die Ätiologie ist aber letztlich noch nicht eindeutig geklärt (35). Eine uneingeschränkte Voraussetzung zur Minimierung der Morbidität und Mortalität nach Thymektomie bei MG bildet die optimale medikamentöse Einstellung präoperativ. Eine absolute Kontraindikation für eine Operation stellt eine akute Verschlechterung der MG oder aber gar eine myasthene Krise dar.
Die Mortalität kann durch eine intensivmedizinische symptomatische Therapie mit Cholinesterase-Inhibitoren, Plasmapherese, immunsuppressive Therapie und die Gabe von monoklonalen Antikörpern deutlich reduziert werden (34).
Zusammenfassung
Bis zu 40% aller Thymome gehen mit einer myasthenen Symptomatik einher, wobei MG-Patienten mit einem Thymom meist unter einer schwereren Symptomatik leiden. Die Thymektomie stellt ein etabliertes und sicher angewandtes Verfahren zur Therapie der MG dar. Es besteht daher sowohl bei Vorliegen eines Thymoms wie auch bei Vorliegen einer MG regelhaft die Indikation zur Thymektomie. In frühen Krankheitsstadien können durch die vollständige Resektion des Thymus bzw. des Thymustumors insbesondere durch minimal-invasive Techniken gute bis sehr gute Ergebnisse aus neurologischer und onkologischer Sicht erzielt werden. Auch bei lokal fortgeschrittenen Thymomen mit infiltrativem Wachstum in die angrenzenden Nachbarorgane stellt die vollständige Thymektomie das wichtigste Behandlungskriterium dar. Patienten mit MG und einem Thymom erfordern dabei in einem fortgeschrittenen Stadium besondere Aufmerksamkeit, und es sollte regelmäßig ein multidisziplinärer Diskurs zwischen Neurologen, Thoraxchirurgen und ggf. Onkologen in spezialisierten Zentren erfolgen.
Es besteht kein Interessenkonflikt.
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