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Typ-1-Diabetes

Was ist Diabetes mellitus?

Der Begriff Diabetes mellitus beschreibt eine metabolische Störung von multipler Ätiologie, die durch eine chronische Hyperglykämie (dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel) mit Störungen des Kohlenhydrat-, Fett- und Proteinstoffwechsels charakterisiert wird, die aus Defekten der Insulinsekretion, Insulinwirkung oder beidem resultieren. Unterschieden wird zwischen 4 Diabetes-Formen: Typ-1-Diabetes, Typ-2-Diabetes, dem seltenen Typ-3-Diabetes und der sogenannten Schwangerschafts- oder Gestationsdiabetes.

Was ist Typ-1-Diabetes?

Bei Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Das heißt, dass körpereigene Zellen vom Immunsystem (durch T-Zellen) angegriffen werden. Der Körper greift sich also selbst an. Beim Typ-1-Diabetes werden die Insulin-produzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört. Das Hormon Insulin ist wichtig für die Aufnahme und Verteilung des Zuckers aus dem Blut. Wird nicht genügend Insulin produziert, kann der Körper Zucker nicht aus dem Blut aufnehmen. Ein dauerhaft hoher Blutzuckerspiegel (chronische Hyperglykämie) ist die Folge und stellt unbehandelt ein hohes Risiko für die Entstehung von Folgeerkrankungen dar. Dieser Zustand tritt ein, wenn 80% der Betazellen zerstört werden. Typ-1-Diabetes bricht meist bereits im Kindes- oder Jugendalter aus, kann jedoch auch bei älteren Menschen auftreten. Die Erkrankung führt zu absolutem Insulinmangel und macht eine lebenslange Insulintherapie erforderlich.

Bereits Jahre vor Symptombeginn lassen sich Autoantikörper im Blut nachweisen. Dies ermöglicht es, schon vor dem Auftreten einer Hyperglykämie die Diagnose Typ-1-Diabetes zu stellen.

  • Stadium 1: Nachweis von mindestens zwei Autoantikörpern, Normoglykämie

  • Stadium 2: Nachweis von mindestens zwei Autoantikörpern, Dysglykämie ohne Symptome

  • Stadium 3: klinisch manifester Diabetes, Hyperglykämie

Epidemiologie von Typ-1-Diabetes

Die Prävalenz von Diabetes in Deutschland lag 2021 bei rund 8,5 Millionen Menschen. Davon sind etwa 5–10% an Typ‑1‑Diabetes erkrankt, die Mehrheit an Typ‑2-Diabetes. Die Inzidenz von Typ‑1‑Diabetes ist in den letzten Jahrzehnten weltweit gestiegen, besonders im Kindes- und Jugendalter. Finnland weist mit rund 64 pro 100.000 Einwohner:innen die höchste Prävalenz auf. Typ‑1‑Diabetes kann jedoch in jedem Lebensalter auftreten.

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Was ist der Unterschied zwischen Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes?

Bei beiden Diabetes-Typen liegen erhöhte Blutzuckerwerte vor. Der Unterschied liegt in der Ursache. Während bei Typ-1-Diabetes Insulin-produzierende Beta-Zellen zerstört werden, liegt beim Typ-2-Diabetes eine Insulinresistenz vor. Nimmt eine Person dauerhaft zu viel Zucker zu sich, kann sich eine Insulinresistenz entwickeln, das heißt, dass der Körper nicht mehr auf das Insulin reagiert. Die Folge ist wie beim Diabetes Typ 1 eine dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel. Eine Insulinresistenz erhöht das Diabetes-Risiko sehr stark.

Was sind die Ursachen für die Entstehung von Typ-1-Diabetes?

Die Entstehung von Typ-1-Diabetes hängt sowohl von genetischen als auch von Umweltfaktoren ab. Typ-1-Diabetes ist in der Regel durch das Vorhandensein von Autoantikörpern gekennzeichnet, die Autoimmunprozesse induzieren und zur Zerstörung der Beta-Zellen führen. Das genaue Zusammenspiel aus erblicher Disposition und Umweltfaktoren, die zur Entstehung der Krankheit führen, sind bislang jedoch noch nicht bekannt.

Welche Symptome treten bei Typ-1-Diabetes auf?

Sobald 80% der Insulin-produzierenden Beta-Zellen zerstört sind, tritt ein absoluter Insulinmangel auf. Ab diesem Zeitpunkt dauert es Tage bis Wochen bis die ersten Symtome auftreten. Wenn der Körper über einen Zeitraum mehr Insulin benötigt, können auch früher Beschwerden auftreten. Das ist beispielsweise bei Dauerstress, einem größeren operativen Eingriff, Fieber oder bei der Einnahme bestimmter Medikamente (z.B. Kortison) der Fall.

Typische Symptome bei Typ-1-Diabetes sind:

  • Müdigkeit und Abgeschlagenheit

  • starker Durst

  • häufiges Wasserlassen (Polyurie)

  • ungewollter Gewichtsverlust

  • juckende, trockene Haut

  • Azetongeruch in der Atemluft

  • Bauchschmerzen

  • Erbrechen

  • Übelkeit

  • Seh- und Konzentrationsstörungen

  • Vitamin-D-Mangel

in schweren Fällen:

  • Bewusstseinstörungen, Bewusstlosigkeit

  • diabetische Ketoazidose (in der Folge: lebensgefährliches diabetisches Koma)

Wie wird Typ-1-Diabetes diagnostiziert?

Für die Diagnose von Diabetes spielen die Nüchternplasmaglukose (NPG), die Gelegenheitsplasmaglukose (GPG) sowie der Langzeit-Blutzuckerwert (Hba1c-Wert) eine wichtige Rolle. Folgende Werte weisen das Vorliegen von Diabetes nach:

  • NPG-Wert von ≥126 mg/dl (7,0 mmol/l)

  • HbA1c-Wert von ≥ 6,5% (≥ 48 mmol/mol)

  • GPG-Wert von ≥200 mg/dl (11,1 mmol/l)

Bei dem Verdacht auf Typ-1-Diabetes kann bereits vor dem Auftreten der ersten Anzeichen, ein Antikörpertest durchgeführt werden. Die folgenden Marker sind dabei für die Diagnose eines Typ-1-Diabetes geeignet:

  • Autoantikörper gegen Glutamat-Decarboxylase der B-Zelle (GAD65A)

  • Autoantikörper gegen Tyrosinphosphatase (IA-2Ak)

  • Autoantikörper gegen den Zink Transporter 8 der B-Zelle (ZnT8)

  • Insulinautoantikörper (IAA) (im Kindes-und Adolsezentenalter, nicht bei Erwachsenen)

Die Diagnose eines Typ-1-Diabetes wird bei Nachweis eines oder mehrerer dieser Autoantikörper gestellt.

Wie wird Typ-1-Diabetes behandelt?

Da bei Typ-1-Diabetes ein absoluter Insulinmangel vorliegt, muss dieser durch die externe Zufuhr von Insulin ausgeglichen werden. Wichtig ist, dass Diabetiker:innen einen sehr genauen Überblick über die Erkrankung, ihren eigenen Körper und ihre Gewohnheiten haben. Die Höhe der benötigten Insulinzufuhr hängt nicht nur von der Höhe des Blutzuckerwertes sondern auch von den Ess- und Trinkgewohnheiten, der körperlichen Aktivität, der Tageszeit, von hormonellen Veränderungen und entzündlichen Erkrankungen ab.

Die Therapie ist also sehr patientenindividuell und erfordert zur erfolgreichen Behandlung ein hohes Maß an Selbstmanagement. Aus diesem Grund gewinnen Disease-Management-Programme zunehmend an Bedeutung. Typ-1-Diabetes ist zwar nicht heilbar, durch die richtige Behandlung können aber Beschwerden gelindert und Folgeerkrankungen vermieden werden.

Welche verschiedenen Insulintypen gibt es?

Es wird zwischen 4 Insulintypen unterschieden:

  • Kurzwirksame Insuline: relativ schneller Wirkbeginn (5–30 Minuten nach Injektion), Wirkdauer zwischen 2 und 8 Stunden

  • Intermediär wirksame Insuline: leicht verzögerter Wirkbeginn (ca. 2 Stunden nach Injektion), Wirkdauer zwischen 12 und 14 Stunden

  • Langwirksame Insuline: langsamer Wirkbeginn, Wirkdauer meist bis zu 24 Stunden

  • Mischinsuline: feste Kombination aus verschiedenen Insulintypen

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Konventionelle Insulintherapie

Diese Behandlungsform ist für Diabetiker:innen geeignet, die einen relativ gleichförmigen Tagesablauf haben. 2-mal täglich (vor dem Frühstück und vor dem Abendessen) werden intermediäre oder langwirksame Insuline gespritzt. Es ist auch möglich diese Insuline mit einem kurzwirksamen Insulin zu kombinieren, falls dazu Bedarf besteht. Um die Wirkung des Insulins auszugleichen, muss regelmäßig und in festgelegter Menge Nahrung aufgenommen werden. Bewegt sich der oder die Betroffene viel, muss das durch eine zusätzliche Zwischenmahlzeit ausgeglichen werden.

Da der Lebensstil an die Wirkung des Insulins angepasst werden muss, geht diese Therapieform mit einer relativ starren Lebensführung einher. Im Vergleich zu intensivierten Insulinbehandlung beugt diese Therapieform außerdem schlecht Folgeerkrankungen vor. Aus diesen Gründen wird die konventionelle Insulinbehandlung nur eingesetzt, wenn eine intensivierte Insulintherapie nicht möglich ist.

Intensivierte Insulintherapie

Im Gegensatz zur konventionellen Insulinbehandlung wird die Insulinmenge an die Essensmenge und die körperlichen Bewegung angepasst. Daher muss eine regelmäßige Blutzuckermessung erfolgen, um im Anschluss die erforderliche Menge Insulin mehrmals täglich zu spritzen oder mithilfe einer Insulinpumpe zuzuführen. Nach dem Basis-Bolus-Prinzip wird lang- und kurzwirksames Insulin zugeführt. 1- bis 2-mal täglich wird ein langerwirksames Insulin, das Basal- oder Basisinsulin, gespritzt, um den Grundbedarf zu decken. Das kurzwirksame Insulin, das Bolusinsulin, wird dann zusätzlich vor jeder Mahlzeit zugeführt. Neben der Möglichkeit einer deutlich flexibleren Lebensgestaltung besteht bei dieser Behandlungsform der Vorteil, dass insbesondere Folgeerkrankungen der Augen, des Nervensystems und der Niere vorgebeugt wird.

Hybrid-Closed-Loop-Systeme

Moderne Hybrid-Closed-Loop-Systeme (auch „künstliche Bauchspeicheldrüse“ genannt) kombinieren eine Insulinpumpe mit einem kontinuierlichen Glukosemesssystem und einem Algorithmus, der die Basalrate automatisch anpasst. Der Nutzer oder die Nutzerin gibt weiterhin Mahlzeiten und Insulindosen ein, jedoch erfolgt die Grundversorgung weitgehend automatisiert. Studien zeigen, dass diese Systeme den HbA1c senken und die Time-in-Range signifikant erhöhen.

Medikamentöse Therapie

Orale Antidiabetika sind für Typ‑1‑Diabetes nicht zugelassen. Dapagliflozin, ein SGLT-2-Hemmer, war bis 2021 als Zusatztherapie verfügbar, wurde aber aufgrund eines erhöhten Ketoazidose-Risikos vom Markt genommen. Aktuell konzentriert sich die Forschung auf immunmodulatorische Ansätze, die den Krankheitsbeginn bei Risikopersonen verzögern können. Ein Beispiel dafür ist der Anti-CD3-Antikörper Teplizumab, der in den USA seit November 2022 zur Verzögerung eines klinischen Typ-1-Diabetes zugelassen ist.

Ernährung bei Typ‑1‑Diabetes

Eine ausgewogene Ernährung ist für Menschen mit Typ‑1‑Diabetes ein zentraler Bestandteil des Therapieplans. Grundsätzlich sind alle Lebensmittel erlaubt, entscheidend ist jedoch die präzise Berechnung der Kohlenhydrate zur Anpassung der Insulindosis. Empfohlen wird eine ballaststoffreiche Ernährung mit Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Gemüse, Obst und pflanzlichen Ölen. Zuckerhaltige Produkte und stark verarbeitete Lebensmittel sollten reduziert werden, um Blutzuckerschwankungen und Folgeerkrankungen zu vermeiden.

Welche Folgeerkrankungen können bei Typ‑1‑Diabetes auftreten?

Wird die Behandlung über einen längeren Zeitraum nicht richtig durchgeführt, drohen folgende gesundheitliche Schäden:

  • schlechte Wundheilung

  • Sehstörungen

  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen

  • diabetischer Fuß (diabetisches Fußsyndrom)

  • Netzhautschäden der Augen, im schlimmsten Fall Erblindung (diabetische Retinopathie)

  • Erkrankungen der Niere (diabetische Nephropathie)

  • Nervenschädigungen (diabetische Neuropathie)

  • bei kurzfristig zu hohen Werten: diabetische Ketoazidose (Übersäuerung des Blutes) – Folge: diabetisches Koma

Häufig leiden Patient:innen mit Typ‑1‑Diabetes auch an anderen Autoimmunerkrankungen. Die am häufigsten auftretenden Autoimmunerkrankungen in diesem Zusammenhang sind:

  • Schilddrüsenerkrankungen (Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) und Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose))

  • Morbus Addison (Erkrankung der Nebennierenrinde)

  • Zöliakie (glutensensitive Enteropathie, Glutenunverträglichkeit)

  • Atrophische Gastritis (autoimmune chronische Typ-A-Gastritis; chronische Magenschleimhautentzündung)

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Literatur:

(1)

American Diabetes Association (ADA) “Standards of Care in Diabetes”, abrufbar unter: https://diabetesjournals.org/care/article/47/Supplement_1/S11/153937/1-Improving-Care-and-Promoting-Health-in, letzter Zugriff: 17.07.2025.

(2)

Nationale VersorgungsLeitlinie Typ‑1‑Diabetes (2023), abrufbar unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/057-013l_S3-Therapie-Typ-1-Diabetes_2023-09_1.pdf, letzter Zugriff: 17.07.2025.