Zwischen Trend und Gefahr: Wie E-Zigaretten die Lunge schädigen können
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Nadine KretschmerE-Zigaretten gewinnen zunehmend an Beliebtheit und werden von vielen Raucher:innen als moderne Alternative zu herkömmlichen Tabakprodukten genutzt. Statt Tabak zu verbrennen, wird ein Liquid erhitzt und der entstehende Dampf inhaliert, der in verschiedenen Geschmacksrichtungen und Nikotinstärken erhältlich ist. Viele verwenden das Dampfen auch, um schrittweise mit dem Rauchen aufzuhören. Der Umsatz mit E-Zigaretten in Deutschland lag 2024 bei mehreren hundert Millionen Euro, könnte aber 2025 leicht zurückgehen. Vor dem Hintergrund eines seit Jahren rückläufigen Zigarettenkonsums setzen auch große Tabakkonzerne vermehrt auf alternative Produkte wie die E-Zigarette [1,2].
Funktionsweise und Inhaltsstoffe von E-Zigaretten
Eine E-Zigarette besteht im Wesentlichen aus einer Batterie, einer Heizspirale und einem Tank mit E-Liquid, das durch Erhitzen ein Aerosol erzeugt. Dieses Aerosol enthält unter anderem flüchtige organische Verbindungen wie Aldehyde, Ketone und Kohlenwasserstoffe. Während Propylenglykol und Glycerin als orale Stoffe als unbedenklich gelten, sind ihre Auswirkungen bei chronischer Inhalation noch nicht geklärt. Nikotin spielt eine zentrale Rolle als Risikofaktor: Es fördert die Abhängigkeit und wirkt sich durch Blutdrucksteigerung, Tachykardie und Vasokonstriktion negativ auf das Herz-Kreislauf-System aus. Zusätzlich erhöhen E-Zigaretten oxidativen Stress und entzündliche Prozesse, die die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen begünstigen.
Gesundheitliche Risiken trotz geringerer Schadstoffbelastung
E-Zigaretten gelten zwar als weniger schädlich als klassische Zigaretten, sind aber keinesfalls gesundheitlich unbedenklich. Durch das Fehlen einer Verbrennung entstehen deutlich weniger Schadstoffe wie Teer oder Kohlenmonoxid, doch die Langzeitfolgen sind bisher nicht ausreichend erforscht. Besonders problematisch ist die Wirkung erhitzter Aromastoffe auf die Atemwege, die Anlass zur Sorge gibt. Das Dampfen kann somit als weniger schädliche Alternative gelten, bleibt jedoch ein gesundheitliches Risiko – vor allem für Jugendliche und Nichtraucher:innen.
EVALI: Schwere Lungenerkrankung durch Dampfen
In den letzten Jahren rückte die E-cigarette or vaping product use-associated lung injury (EVALI) als ernsthafte Lungenerkrankung in den Fokus, die mit dem Konsum von E-Zigaretten in Verbindung steht. Die Symptome reichen von Übelkeit und Bauchschmerzen bis hin zu schwerem hypoxämischem Lungenversagen, oft mit notwendiger mechanischer Beatmung. Besonders alarmierend ist die hohe Prävalenz unter Jugendlichen, bei denen der Konsum stark gestiegen ist. Vitamin-E-Acetat, das vor allem in THC-haltigen Liquids gefunden wurde, gilt als zentraler toxischer Auslöser dieser Erkrankung.
Frühzeitige Diagnose und interdisziplinäre Therapie bei komplexem Risikoprofil von Bedeutung
Die Verbreitung von E-Zigaretten stellt nicht nur epidemiologisch eine Herausforderung dar, sondern auch für Diagnostik und Therapie. Eine aktuelle Literaturübersicht zeigt die vielfältigen klinischen, radiologischen und pathologischen Erscheinungsformen von EVALI und betont die Notwendigkeit frühzeitiger Erkennung und gezielter Behandlung [3]. Trotz der anfänglichen Vermarktung als harmlose Alternative zeichnet sich ein komplexes Risikoprofil ab, das noch nicht vollständig verstanden ist. Neben toxischen Inhaltsstoffen spielen auch Geräteeigenschaften und Konsummuster eine wichtige Rolle. Für die medizinische Praxis erfordert dies eine erhöhte Wachsamkeit und interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Der EVALI-Ausbruch 2019/2020 als Wendepunkt
Der EVALI-Ausbruch in den USA in den Jahren 2019 und 2020 war ein Wendepunkt im Umgang mit den Gesundheitsrisiken von E-Zigaretten. Besonders betroffen waren junge Erwachsene mit einem Medianalter von 24 Jahren, was den hohen Konsum in dieser Altersgruppe verdeutlicht. Die US-amerikanische CDC meldete über 2.800 Krankenhausfälle und 60 Todesfälle, wobei die Notaufnahmen im Spätsommer 2019 sprunghaft anstiegen. Durch Maßnahmen wie das Verbot von Vitamin-E-Acetat in THC-Liquids konnte die Zahl der Fälle deutlich reduziert werden. Dennoch treten weiterhin vereinzelte Fälle auf, weshalb eine fortlaufende Überwachung und Anpassung gesundheitspolitischer Strategien essenziell bleiben.
Mechanismen der Lungenschädigung
Der Konsum von E-Zigaretten ist nicht nur mit EVALI sondern mit einem breiten Spektrum an Lungenerkrankungen assoziiert. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind komplex und umfassen chemische und entzündliche Prozesse, die noch intensiv erforscht werden. Eine Hypothese besagt, dass bestimmte Chemikalien im Aerosol direkt zytotoxisch auf Lungenzellen wirken und so Zellnekrosen sowie eine neutrophile Entzündung auslösen. Eine weitere Theorie beschreibt ein „Zwei-Treffer“-Modell, bei dem die Basisstoffe der Liquids wie Propylenglykol und Glycerin das Gleichgewicht der Immunzellen in der Lunge stören und dadurch zu einer verstärkten Entzündungsreaktion führen. Insgesamt führt die Einwirkung der Aerosole auf das empfindliche Lungenepithel zu einer Entzündungsreaktion, die durch reaktive Sauerstoffspezies (ROS) verstärkt wird und den Zelltod begünstigt.
Spezifische Schadensbilder und toxische Effekte
Chronische Entzündungen können in schweren Fällen zu Bronchiolitis obliterans führen, einer irreversiblen Vernarbung der kleinen Atemwege mit gravierenden Folgen für die Lungenfunktion. Zudem enthalten die Aerosole häufig Schwermetalle wie Chrom, Nickel und Blei, die aus den Geräten selbst stammen und bekanntermaßen verschiedene Atemwegserkrankungen fördern. Ein weiteres Kennzeichen von EVALI ist das Auftreten lipidreicher alveolärer Makrophagen, die auf eine Störung des Lipidstoffwechsels und der Immunregulation hindeuten. Die Schädigung der Alveolar-Kapillar-Barriere führt zu Lungenödemen und verstärkter Entzündung, was den schweren Verlauf der Erkrankung erklärt. Durch die Kombination dieser Faktoren kommt es zu einer gestörten Immunabwehr, die die Lunge anfälliger für Schäden und Infektionen macht.
EVALI-Symptome: Vielfältig und oft schwerwiegend – von Husten bis Intensivstation
Die Symptome von EVALI können unterschiedlich schnell nach dem Dampfen auftreten, meist innerhalb von Tagen bis Wochen. Typische Beschwerden sind Husten, Atemnot, Brustschmerzen und Fieber, wobei auch Müdigkeit und Magen-Darm-Symptome häufig vorkommen. Studien an Patient:innen aus den USA zeigten, dass bis zu 97% der Betroffenen an Husten und 85% an Atemnot litten und bei etwa einem Drittel eine maschinelle Beatmung erforderlich war. In Lungenproben wurden charakteristische lipidbeladene Makrophagen und diffuse Alveolarschäden festgestellt. Die Schwere der Erkrankung variiert stark, von milden Fällen bis hin zu lebensbedrohlichen Verläufen, die eine intensivmedizinische Behandlung notwendig machten.
Moderne Bildgebung als wichtiger Baustein in der Diagnostik und Verlaufsbeobachtung
Das wichtigste bildgebende Verfahren zur Beurteilung von EVALI ist die Computertomographie. Typische Befunde sind „Ground-glass“-Opazitäten (GGOs), Konsolidierungen, subpleurales Aussparen und Septenverdickungen, die auf diffuse Alveolarschäden und Entzündungen hinweisen. Diese Veränderungen können sich unter Therapie zurückbilden, zeigen aber auch eine breite Variabilität im Krankheitsverlauf. Ergänzend liefern PET und pulmonale funktionelle MRT wichtige Informationen zu Ventilation, Perfusion und Entzündungsprozessen. Studien weisen auf eine beeinträchtigte Ventilations-Perfusions-Anpassung bei Dampfern hin, vergleichbar mit COPD. Langzeitbeobachtungen deuten zudem auf mögliche bleibende Lungenschäden hin, weshalb weitere Forschung zur Klärung der Bildbefunde und zur Verbesserung der Behandlung notwendig ist.
Unspezifische histopathologische Befunde und diagnostische Herausforderungen
Unspefizische histopathologischen Befunde bei EVALI erschweren die Diagnose. Typischerweise zeigen Lungenbiopsien das Muster einer organisierenden Pneumonie, besonders in der subakuten Krankheitsphase. Seltener treten akute fibrinöse Pneumonitis oder diffuse Alveolarschäden auf, meist bei schwereren Verläufen. Charakteristisch sind häufig schaumige Makrophagen und neutrophile Entzündungen, die eine Infektion imitieren können und deshalb eine sorgfältige Differenzialdiagnostik erfordern. Obwohl lipidbeladene Makrophagen in der Bronchoalveolären Lavage vorkommen, ist ihr Nachweis nicht spezifisch für EVALI und sollte nicht allein zur Diagnose herangezogen werden.
Die komplexe Suche nach einer unsichtbaren Lungenerkrankung
Die Diagnosestellung von EVALI ist demnach komplex, da kein einzelner Test die Erkrankung eindeutig nachweisen kann. Entscheidend sind die Kombination aus klinischen Symptomen, einer detaillierten Anamnese des E-Zigarettenkonsums und bildgebenden Verfahren wie Röntgen oder CT, die typische Lungenveränderungen zeigen. Die CDC-Kriterien von 2019 helfen bei der Erfassung von Fällen, verlangen aber auch den Ausschluss anderer Ursachen, insbesondere von Infektionen. Da die Symptome und radiologischen Befunde unspezifisch sind, ist die Abgrenzung zu anderen Lungenerkrankungen oft schwierig. Laboruntersuchungen und die Analyse von Bronchoalveolärlavage können Hinweise liefern, sind aber nicht diagnostisch eindeutig. Eine umfassende klinische Bewertung bleibt daher unerlässlich, um eine fundierte Diagnose zu stellen.
Effektive Versorgung bei EVALI: Unterstützende Behandlung und Herausforderungen
Da spezifische Therapien bislang nicht durch Studien validiert sind, konzentriert sich die klinische Behandlung von EVALI vor allem auf unterstützende und symptomlindernde Maßnahmen. Die Behandlung reicht von Sauerstoffgabe über nicht-invasive Beatmung bis hin zur mechanischen Beatmung oder ECMO bei schweren Fällen. Häufig kommen zudem Kortikosteroide zum Einsatz, deren Dosierung jedoch variabel ist und eine sorgfältige Überwachung erfordert. Ein wesentlicher Bestandteil der Therapie ist die vollständige Abstinenz von E-Zigaretten, um Rückfälle zu vermeiden, wobei die Suchtproblematik die Entwöhnung erschwert. Insgesamt erfordert das Management von EVALI eine umfassende Diagnostik, engmaschige Überwachung und die Einbindung von Entwöhnungsprogrammen.
Ungewisse Langzeitfolgen und mögliche chronische Lungenschäden
Während die akuten Auswirkungen von EVALI gut erforscht sind, bleiben die Langzeitfolgen bislang unklar – stehen jedoch im Fokus intensiver wissenschaftlicher Untersuchungen. Die meisten hospitalisierten Patient:innen überleben die Erkrankung, doch langfristige Folgen wie anhaltende Atemprobleme und kognitive Einschränkungen sind häufig. Es besteht außerdem die Sorge, dass EVALI das Risiko für chronische Lungenerkrankungen wie COPD oder Lungenfibrose erhöhen könnte. Daher sind weitere Studien notwendig, um die langfristigen gesundheitlichen Folgen besser zu verstehen und Risikofaktoren für dauerhafte Komplikationen zu identifizieren.
Öffentliche Gesundheitsstrategien und aktuelle Forschung im Fokus
EVALI stellt eine bedeutende Herausforderung für die öffentliche Gesundheit dar und erfordert umfassende Maßnahmen, um Risiken durch E-Zigaretten zu minimieren. Aufklärungskampagnen sind besonders wichtig, um vor allem junge Menschen über die Gefahren aufzuklären und falsche Sicherheitsannahmen zu korrigieren. Regulierungen sollen Geschmacksstoffe einschränken, Schadstoffgehalte begrenzen und Alterskontrollen durchsetzen. Gleichzeitig ist eine fortlaufende Überwachung notwendig, um neue Fälle frühzeitig zu erkennen und Interventionen anzupassen. Parallel dazu forschen Wissenschaftler intensiv an der Pathogenese von EVALI, erforschen Biomarker zur Früherkennung und prüfen innovative Therapieansätze, um die Behandlung zukünftig zu verbessern.
EVALI als Warnsignal für die Risiken von E-Zigaretten
Die EVALI-Erkrankung macht deutlich, dass E-Zigaretten trotz ihrer vermeintlich geringeren Schadstoffbelastung keineswegs harmlos sind. Insbesondere die schweren Lungenschäden und die teilweise lebensbedrohlichen Verläufe bei vor allem jungen Nutzer:innen verdeutlichen die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Dampfen. Während die akuten Krankheitsbilder inzwischen besser verstanden sind, bleiben die Langzeitfolgen und die genauen schädigenden Mechanismen weiterhin Forschungsgegenstand. Für die Gesundheitsversorgung bedeutet dies erhöhte Wachsamkeit, interdisziplinäre Zusammenarbeit und gezielte Präventionsmaßnahmen. Öffentlichkeitsarbeit und regulatorische Eingriffe spielen eine zentrale Rolle, um junge Menschen zu schützen und den verantwortungsvollen Umgang mit E-Zigaretten zu fördern.
Literatur:
- (1)
Statista: Statistiken zum Markt für E-Zigaretten, abrufbar unter: https://de.statista.com/themen/4301/e-zigaretten/#topicOverview, . zuletzt aufgerufen am 25.07.2025.
- (2)
Statista: Umsatz mit E-Zigaretten in Deutschland in den Jahren 2011 bis 2025, abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/303409/umfrage/umsatz-mit-e-zigaretten-in-deutschland/, zuletzt aufgerufen am 25.07.2025.
- (3)
Amjad et al. (2025): E-Cigarette or Vaping Product Use-Associated Lung Injury: A Comprehensive Review. International Journal of Environmental Research and Public Health, DOI: 10.3390/ ijerph22050792.