„An dieser Stelle muss die Bundesregierung investieren und nicht weiter sparen. Deutschland darf nicht länger eines der europäischen Schlusslichter bei der Tabakentwöhnung sein“, sagt DGP-Präsident Professor Wolfram Windisch, Chefarzt der Lungenklinik an den Kliniken der Stadt Köln. „Unsere Methoden sind wissenschaftlich gut untersucht, effektiv und kosteneffizient. So könnten wir etwa zusätzliche 40% unserer Patientinnen und Patienten vom Tabak entwöhnten“, sagt Windisch. „Unterm Strich spart diese Vorsorgemaßnahme dem Gesundheitssystem viel Geld, entlastet die Steuerzahler und kann den ehemals Rauchenden ein Leben mit weniger Beschwerden ermöglichen."
Konkret richtet sich die Maßnahme an sämtliche Patientinnen und Patienten, die im Krankenhaus aufgenommen werden. Aktuelle Zahlen zeigen, dass rund ein Drittel von ihnen raucht. „Das ist also der beste Moment, um sie von einem funktionierenden Entwöhnungsprogramm zu überzeugen“, sagt Dr. Matthias Raspe, Pneumologe an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und federführender Autor des
DGP-Positionspapiers „Tabakentwöhnung bei hospitalisierten Patientinnen und Patienten – Stationär einleiten, ambulant fortführen“. Das Papier ist von der DGP-Taskforce Tabakentwöhnung erarbeitet worden und wird von sieben weiteren Fachgesellschaften sowie der Deutschen Lungenstiftung, der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Herzstiftung mitgetragen. „Den größten Erfolg sehen wir bei jenen, die nach der Behandlung in der Klinik noch mindestens einen weiteren Monat an einem ambulanten Tabakentwöhnungsprogramm teilhaben – zum Beispiel in einer Rehabilitationseinrichtung oder durch passende Internet- und Telefonangebot“, sagt Raspe. Die Strukturen für solche Angebote seien ausreichend vorhanden, es fehle am politischen Willen zur Finanzierung: „Das liegt auch an einer sehr starken Tabaklobby in Deutschland, die Einfluss auf die Gesetzgebung ausübt.“
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Maßnahme schnellstmöglich anschieben: Finanzierung über Zusatzentgelte oder Qualitätsverträge
Die DGP-Experten sehen gute Möglichkeiten, leitliniengerechte Angebote zur Tabakentwöhnung flächendeckend zu implementieren und zu finanzieren. Eine Kostendeckung von Entwöhnungsprogrammen im stationären Bereich wäre im deutschen Vergütungssystem einfach über zwei Wege umsetzbar: Das Bundesministerium für Gesundheit könnte das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) auffordern, ein Zusatzentgelt festzulegen. Dieses gibt es beispielsweise schon im Bereich der mehrdimensionalen pädiatrische Diagnostik bei Verdacht auf Gefährdung von Kindeswohl und Kindergesundheit. „Ein schon bestehender medizinischen Maßnahmenschlüssel für die multimodale stationäre Behandlung zur Tabakentwöhnung sieht seitens der Gesundheitspolitik bislang keine Vergütung vor“, erklärt Professor Stefan Andreas (Foto rechts), Mitautor des Positionspapiers und Chefarzt der Lungenfachklinik Immenhausen, Pneumologische Lehrklinik der Universitätsmedizin Göttingen. Eine weitere Möglichkeit der Finanzierung wären sogenannte Qualitätsverträge zwischen Kliniken und Krankenversicherungen. Der Gesetzgeber hat diese Vertrags- und Abrechnungsmöglichkeit eingeführt, um eine Verbesserung der Krankenhausversorgung durch passende Anreize zu erreichen. „Weniger Betroffene mit Krebs- und Lungenerkrankungen sowie kardiovaskulären Erkrankungen sollten doch Anreiz genug sein“, sagt Stefan Andreas. So ließe sich beispielsweise auch das Risiko für einen Myokardinfarkt oder
Schlaganfall durch die Tabakentwöhnung signifikant senken. „Wir fordern das aktuell zuständige Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen auf, die Umsetzung dieser Maßnahme weiter voranzutreiben,“ so der DGP-Experte. Dass sich diese Entwicklung finanziell lohnen wird, steht für Andreas fest. Er rechnet vor: „Wir gehen am Beispiel einer
COPD-Behandlung davon aus, dass sich im Ergebnis die Fallkosten um 10,5% senken ließen.“
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Komplett finanzierte Tabakentwöhnung verbessert Erfolgsrate um 77%
Für den langfristigen Erfolg eines stationär erzielten Rauchstopps ist die im Idealfall unmittelbare ambulante Nachbetreuung der neuen Ex-Rauchenden entscheidend. Für Betroffene sollte sowohl die stationäre Intervention als auch die ambulante Betreuung nach dem Krankenhausaufenthalt sowie eine eventuell erforderliche Unterstützung durch Medikamente ohne Kosten bleiben. Nachgewiesen ist, dass eine komplette Finanzierung der Tabakentwöhnung die Erfolgsrate um 77% verbessert.
Aufgaben der Nachbetreuung können dabei unter anderem sein: verhaltenstherapeutische Interventionen, soziale Unterstützungen, evidenzbasierte Therapien in Form von Internet- oder Smartphone-Entwöhnungsprogrammen oder Beratung bei überdurchschnittlicher Gewichtszunahme. Auch die Fortsetzung der motivierenden Betreuung durch wiederholte telefonische oder persönliche Kontakte, durch Selbsthilfeunterlagen, Selbsthilfeliteratur oder Feedbackbriefe sind eine Möglichkeit. Um all diese Angebote abzudecken, sollten neben dem medizinischen Fachpersonal sowie Psychologinnen und Psychologen frühzeitig auch Suchtberatungsstellen, Rehakliniken und auf Tabakentwöhnung spezialisierte Praxen oder Entwöhnungszentren eingebunden werden. Auch die vermehrte Einrichtung sogenannter Quitlines ist eine Möglichkeit – also Telefon-Hotlines, die Behandlungen für Sucht und Verhaltensänderungen anbietet. „Die Instrumente und Methoden sind da, um vielen Menschen ein rauchfreies und damit in der Regel auch längeres, gesünderes Leben zu ermöglichen. Jetzt ist die Politik rund um Gesundheitsminister Karl Lauterbach am Zug, diese Maßnahmen zu finanzieren – um so letztendlich das Gesundheitssystem zu entlasten“, fordert DGP-Präsident Windisch.