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Hohe CO2-Emissionen durch die Gesundheitssysteme

Die Gesundheitssysteme sind weltweit für 4,4% der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich und beflügeln damit erheblich die Klimakrise [1]. Auch das deutsche System ist da kein Musterkind und trägt rund 57,5 Megatonnen CO2-Äquivalente pro Jahr bei [1, 2]. Darüber hinaus betrifft der stetig steigende Ressourcenverbrauch die gesamte Wirtschaftskette von Produktion über Transport bis Entsorgung [2]. Nach Angaben des Greenhouse Gas Protocols, einem internationalen Standard zur Bilanzierung von Treibhausgasen in einzelnen Scopes, stammen 70-80% aus dem Einkauf von Gütern wie Arzneimitteln und Medizinprodukten, 10-17% aus Emissionen der Einrichtungen als solche und 10-12% aus dem Energiebereich einschließlich Transport von Patienten und Gütern [1]. Seit die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU im Januar 2023 in Kraft getreten ist, sind Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden bzw. 50 Mio. € Umsatz dazu verpflichtet, jährlich ihre Treibhausgasemissionen zu melden [1].

Erste Ansätze zu nachhaltigen und ressourcenschonenden Konzepten im Gesundheitssystem

Auch wenn die geforderten Maßnahmen den Gesundheitsbereich vor besondere Herausforderungen stellt, die im Einklang mit der Versorgungsqualität bewältigt werden müssen, lassen sich zumindest erste Ansätze erkennen. So wurden für den stationären Bereich mit dem Projekt „Klimaschutz im Krankenhaus“ Konzepte für nachhaltige und ressourcenschonende Prozesse beim Bau und der Energieversorgung gefördert, und im Projekt „Klimaneutrale Praxis“ den Arztpraxen Möglichkeiten vorgeschlagen. Einer flächendeckenden Umsetzung stehen aber noch so manche Hürden gegenüber [1]. Mit den sogenannten Netto-Null-Emissionen (net zero emissions) wird ein Gleichgewicht bezeichnet, in dem die CO2-Emissionen aus den Aktivitäten des Menschen mit dem aus der Atmosphäre entzogenen CO2 rechnerisch ausgeglichen sind. Allerdings wird derzeit mehr CO2 in die Atmosphäre freigesetzt, als durch natürliche CO2-Senken (carbon sink) wie dem Wald aufgenommen werden kann, und auch die Diskussionen um den Emissionshandel sind gut bekannt [1, 2].

Circular economy – Kreislaufwirtschaft als Standortfaktor

Die bisherige lineare Wirtschaft in der Sequenz Produktion – Nutzung – Abfallmassen hat unseren Reichtum auf Kosten der Erde gemehrt. Zur Etablierung einer Kreislaufwirtschaft, sprich einer Produktion mit Blick auf ressourcensparender Produktion, vielfältiger auch stufenweiser Nutzung und Weiterverwertung bedarf es der Kombination von Umwelt-, Finanz- und Leistungsaspekten. Der Weg dorthin wird in Deutschland durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) geregelt, das eigentlich schon 2012 in Kraft getreten ist [1-3]. Ziel ist die Förderung der natürlichen Ressourcen und der Schutz von Mensch und Umwelt vor Raubbau und Überlastung durch Abfälle. Im Jahr 2018 wurde das KrWG in Anpassung an die geänderte EU-Abfallrichtlinie angepasst. 2024 kam noch ein Warenvernichtungsverbots mit Blick auf eine neue EU-Ökodesignverordnung von 2024 hinzu [3]. Dabei geht es nicht um ein Zurück in die Steinzeit, sondern um ein nachhaltiges industrielles Wirtschaften [4].

Kreislaufführung auch im Gesundheitswesen

Die sogenannte industrielle Bioökonomie basiert auf innovativen Rohstofflösungen mit einem Wechsel von Erdöl-basierten Rohstoffen und Energien hin zu nachwachsenden Rohstoffen mit Wieder- und Weiterverwertung von Abfallstoffen [5]. Ein praktisches Beispiel sind klassische Kunststoffe in Medizinprodukten, die durch biobasierte Kunststoffe aus Polylactic acid (PLA), PEF oder PET ersetzt werden sollen und am Ende der Nutzung einem chemischen Recycling zugeführt werden können. Die besonderen Anforderungen im medizinischen Bereich mit Blick auf Kontamination und Sterilisation sind nicht abzutun und müssen regulatorisch angegangen werden [2].

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Das Konzept ist nicht neu – die Umsetzung noch unzureichend

Bereits in den 1990er Jahren entwickelten Prof. Michael Braungart und Prof. William McDonough das sogenannte Cradle to Cradle Konzept [2]. Unter Berücksichtigung aller Wertschöpfungsphasen werden die Produkte dauerhaft in biologischen und technischen Kreisläufen geführt, denen „biologische und technische Nährstoffe“ nur zum Auffüllen von Verlusten neu zugeführt werden. Um die Circular Economy auf Produkte und Prozesse anwenden zu können, wurde die 3-R Strategie (reduce, reuse, recycle) inzwischen ausgeweitet auf 10-R [2]:

  • intelligentere Produktnutzung und -herstellung (Refuse, Rethink, Reduce)

  • verlängerte Lebensdauer der Produkte und ihrer Bauteile: Reuse, Repair, Refurbish, Remanufacture, Repurpose

  • nützliche Anwendungen von Materialien: Recycle, Recovery

Antrieb und Gründe hierfür sind offensichtlich und schon lange bekannt: Reduktion von Treibhausgasemissionen, Langzeitbindung von Kohlenstoff in biobasierten Materialien, Resilienz gegenüber Klimaveränderungen und schädlichen Einflüssen beispielsweise durch Ewigkeitschemikalien wie PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen), aber auch Verknappung fossiler Rohstoffe usw. [5]. Doch eine Umstellung von einer linearen zur biobasierten Kreislaufwirtschaft wird nicht über Nacht gelingen; Innovation müssen sich nicht nur technisch, sondern auch finanziell durchsetzen und am Markt bewähren. Die Begriffe circular economy (CE) und industrielle Bioökonomie beziehen sich dabei auf ein und dasselbe Ziel: Ökonomie und Nachhaltigkeit in Kreisläufen verbinden. Prototypen und Optionen werden gerne als Vorzeigeprojekte gelobt – eine Umsetzung mit Upscaling und Marktdurchdringung ist herausfordernd aber zukunftsweisend [2, 5, 6].

Prozessstufen der Bioökonomie

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) fördert mit seinem Programm „Industrielle Bioökonomie“ den ökonomisch sinnvollen und tragbaren Transfer von biobasierten Grundstoffen und Materialien in die industrielle Praxis [4]. Der Wertschöpfungskreislauf der Bioökonomie gliedert sich in Rohstoffe, Prozessstufen und Produkte.

Die Farbpalette der Bioökonomie

Verschiedenste Wirtschaftsbereiche haben Beispiele in ihrer Pipeline oder sogar Anwendung. In Anlehnung an die Biotechnologie werden sie gerne mit Farben belegt [7].

So setzt die klassische grüne Bioökonomie auf terrestrische Pflanzen, um neben Lebensmitteln und Futtermittel auch Rohstoffe für Kraftstoffe, Chemikalien, Dämmstoffe u.v.m. zu liefern. Mit blauer Bioökonomie sind aquatische Systeme von Fischzucht bis Muscheln und Chorella-Algen gemeint, die neben Nahrung und Superfood auch als Farbstofflieferanten, selbstauflösenden Knochen- und Gewebekleber oder Grundsubstanzen für die Kosmetikindustrie Vorbild und Rohstoff bieten. In der roten Bioökonomie geht es um die Nutzung von Pflanzen zur Medikamenten- und Impfstoffproduktion, von Nahtmaterial, über Wundschutz bis Gewebeersatz, wie auch Ansätze für die Pharmabranche. Mit weißer Biotechnologie ist die industrielle Bioökonomie gemeint, die Enzyme für Produktion und Recycling liefert, die Vergärung zuckerhaltiger Rohstoffe zur Herstellung von Industriealkohol nützt, oder auch Baumabfälle in Biokohle umwandelt. In der braunen oder grauen Bioökonomie wiederum werden Reststoffe als Rohstoffe genutzt, sei es für die Herstellung von neuartigen Werkstoffen bis hin zur energetischen Nutzung durch Vergärung in der Biogasanlage.

Wie bei jedem Farbspektrum bieten sich jede Menge Überlappungsbereiche. Bei all diesen Ansätzen geht es darum, biogene Rohstoffe stärker in materielle und energetische Ströme zu integrieren.

Literatur:

(1)

ExpertInnenrat „Gesundheit und Resilienz“ (2025), Das Gesundheitswesen: Mitverursacher des Klimawandels – und Teil der Lösung, 12. Stellungnahme des ExpertInnenrats „Gesundheit und Resilienz“, abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/976074/2335770/edb0e80a6e073200e918a3528e68c98/2025-02-19-expertinnenrat-data.pdf?download=1, letzter Zugriff: 08.12.2025.

(2)

Wendel M. MeDiCircle Circular & Digital Medtech (2023) Medical Valley EMN e.V., abrufbar unter: https://www.umweltcluster.net/images/aktuelles/2024/Medi-Circle-Broschure-Web.pdf, letzter Zugriff: 08.12.2025.

(3)

Kreislaufwirtschaftsgesetz, Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (2024), abrufbar unter: https://www.bundesumweltministerium.de/gesetz/kreislaufwirtschaftsgesetz, letzter Zugriff: 08.12.2025.

(4)

Innovationsräume Bioökonomie: Impulse für den Wandel (2025), abrufbar unter: https://biooekonomie.de, letzter Zugriff: 08.12.2025.

(5)

Buller J. et al. Circular Bioeconomy for Germany (2023) A roadmap by the Fraunhofer-Gesellschaft for implementing the bioeconomy in Germany, abrufbar unter: https://www.fraunhofer.de/en/research/fraunhofer-strategic-research-fields/bioeconomy/roadmap-circular-bioeconomy-for-germany.html, letzter Zugriff: 08.12.2025.

(6)

Ingenieur.de (2023) Von Rot bis Blau: Die 8+3 Farben der Biotechnologie, abrufbar unter: https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/biotechnik/von-rot-bis-blau-die-83-farben-der-biotechnologie/Dsfs, letzter Zugriff: 08.12.2025.