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Hepatitis E

Was ist Hepatitis E?

Bei Hepatitis E handelt es sich um eine Infektionskrankheit, die durch das Hepatitis-E-Virus (HEV) hervorgerufen wird und zu einer Entzündung der Leber führt. Die akute Infektion heilt in den meisten Fällen von selbst aus, Patienten mit geschwächtem Immunsystem haben jedoch ein erhöhtes Risiko für eine chronische Verlaufsform.

Wie häufig ist Hepatitis E und wer ist betroffen?

Das Hepatitis-E-Virus (HEV) stellt weltweit eine bedeutende Gesundheitsbelastung dar: Im Jahr 2021 verursachte es global schätzungsweise 19,47 Millionen akute Hepatitis-E-Fälle und war für 3.450 Todesfälle verantwortlich. Die geografische Verteilung zeigt dabei deutliche regionale Unterschiede: Während Hepatitis E grundsätzlich weltweit auftritt, konzentrieren sich die höchsten Erkrankungsraten auf Subsahara-Afrika sowie Ost- und Südasien. In diesen Regionen dominieren die Genotypen 1 und 2, die bei unzureichender Trinkwasser- und Lebensmittelhygiene sowohl sporadische Infektionen als auch größere Ausbrüche verursachen – typischerweise in Zusammenhang mit fäkal kontaminiertem Trinkwasser.

In Deutschland und anderen europäischen sowie nordamerikanischen Ländern ist hingegen der Genotyp 3 endemisch etabliert. Die Meldezahlen zeigen hier einen kontinuierlichen Anstieg, der jedoch primär auf eine gesteigerte ärztliche Aufmerksamkeit, häufigere Diagnostik und den Einsatz sensitiverer Testverfahren zurückzuführen ist. Die nach Infektionsschutzgesetz gemeldeten symptomatischen Fälle betreffen überwiegend Patient:innen über 40 Jahre (etwa drei Viertel) und männliche Patient:innen (etwa zwei Drittel). Todesfälle bleiben in Deutschland sehr selten – die Letalität liegt deutlich unter 1%.

Wie infiziert man sich mit Hepatitis E?

Die Übertragungsmechanismen des Hepatitis-E-Virus variieren erheblich je nach Genotyp und geografischer Region.

Zoonotische Übertragung in Industrieländern

In Deutschland und anderen Industrieländern erfolgt die HEV-Übertragung primär zoonotisch über den Genotyp 3. Hauptinfektionsquelle ist der Verzehr von unzureichend gegartem Schweine- oder Wildfleisch sowie daraus hergestellten Produkten. Filtrierende Meeresorganismen wie Muscheln können als zusätzliche Infektionsquelle fungieren, da sie HEV aus kontaminiertem Wasser anreichern. Darüber hinaus ist eine parenterale Übertragung durch kontaminierte Blutprodukte möglich. Die Mensch-zu-Mensch-Übertragung spielt bei HEV-3-Infektionen eine untergeordnete Rolle und scheint, wenn überhaupt, nur extrem selten aufzutreten.

Fäkal-orale Übertragung in Entwicklungsländern

In Ländern mit eingeschränktem Zugang zu sauberer Wasserversorgung, Sanitäreinrichtungen und Hygienemaßnahmen dominiert die fäkal-orale Übertragung der Genotypen 1 und 2. Diese primär humanpathogenen Genotypen verbreiten sich hauptsächlich über fäkal kontaminiertes Trinkwasser oder Lebensmittel und verursachen sowohl sporadische Erkrankungen als auch großflächige Ausbrüche.

Reiseassoziierte Übertragung

Bei reiseassoziierten HEV-1- und -2-Infektionen ist eine sekundäre Mensch-zu-Mensch-Übertragung durch Kontaktinfektion (Schmierinfektion) möglich, insbesondere unter Haushaltsangehörigen. Diese Übertragungsform bleibt jedoch auf Reiserückkehrer:innen aus endemischen Gebieten beschränkt und spielt in Deutschland epidemiologisch eine untergeordnete Rolle.

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Wie verläuft eine Hepatitis E-Infektion?

Typische Verlaufsform

In Deutschland verlaufen HEV-3-Infektionen überwiegend asymptomatisch oder mit milden gastrointestinalen und allgemeinen Beschwerden. Symptomatische Erkrankungen präsentieren sich typischerweise als akute, selbstlimitierende Hepatitis, häufig ohne Ikterus. Das klinische Spektrum reicht jedoch von subklinischen Verläufen bis hin zu fulminanten Hepatitiden, insbesondere bei vorbestehender Leberschädigung oder Immunsuppression. Die klassische Symptomatik persistiert eine bis sechs Wochen und umfasst:

  • eine initiale Phase mit leichtem Fieber, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen über wenige Tage

  • gefolgt von Oberbauchschmerzen, Pruritus, Hautausschlägen oder Gelenkbeschwerden

  • Bei ikterischen Verläufen zeigen sich die charakteristischen Zeichen mit Gelbfärbung der Haut, dunklem Urin und entfärbten Stühlen sowie einer leicht vergrößerten, druckschmerzhaften Leber.

Atypische Manifestation

Bemerkenswert sind neurologische Manifestationen, für die eine kausale Beziehung zur Hepatitis E angenommen wird. Dazu gehören die neuralgische Schulteramyotrophie (häufig bilateral), das Guillain-Barré-Syndrom sowie Enzephalitis und Myelitis. Bei diesen atypischen Verläufen dominieren oft die neurologischen Symptome das klinische Bild, während die Leberwerte nur geringfügig erhöht oder sogar normal sein können.

Risikogruppen und schwere Verläufe

In endemischen Gebieten mit HEV-1-Verbreitung zeigen sich altersabhängige Unterschiede: Während Kinder häufig asymptomatische oder milde Verläufe ohne Ikterus entwickeln, sind symptomatische Infektionen bei jungen Erwachsenen zwischen 15-40 Jahren am häufigsten. Schwangere stellen eine besondere Risikogruppe dar: In Gebieten mit Genotyp-1-Endemie wurden fulminante Hepatitiden mit Mortalitätsraten von bis zu 20-25% im dritten Trimenon berichtet. Für die in Deutschland vorherrschenden HEV-3-Infektionen gibt es hingegen bislang keine Hinweise auf eine schwangerschaftsbedingte Prognoseverschlechterung.

Chronische Verläufe

Bei immunsupprimierten Patient:innen können chronische HEV-Infektionen entstehen. Diese verlaufen initial oft oligosymptomatisch, können jedoch zur Leberzirrhoseprogredieren. Daher sollte bei dieser Patientengruppe die vollständige Ausheilung mittels PCR-Kontrolle drei Monate nach Erkrankungsbeginn überwacht und gegebenenfalls durch Reduktion der Immunsuppression und/oder antivirale Therapie unterstützt werden.

Wie wird eine Hepatitis E diagnostiziert?

Klinische Verdachtsdiagnose

Hepatitis E ist klinisch nicht von anderen akuten Virushepatitiden oder ikterusverursachenden Infektionskrankheiten zu unterscheiden. Der Verdacht ergibt sich primär aus dem epidemiologischen Kontext. Auffällige Laborbefunde umfassen erhöhte Serumkonzentrationen von Bilirubin, Alanin-Aminotransferase (ALT) und Aspartat-Aminotransferase (AST), die jedoch unspezifisch für Hepatitis E sind.

Serologische Diagnostik

Bei entsprechender klinischer Symptomatik und erhöhten Transaminasen stellt der Nachweis von Anti-HEV-IgM im Serum in der Regel den Beweis für eine frische HEV-Infektion dar. Diese Antikörper sind bei immunkompetenten Patient:innen bereits bei Symptombeginn nachweisbar und persistieren etwa drei bis sechs Monate. Anti-HEV-IgG ist zu Symptombeginn meist bereits positiv und zeigt ansonsten eine früher durchgemachte Infektion an. Entscheidend ist die Verwendung von Nachweisverfahren, die Antikörper gegen den in Deutschland vorkommenden Genotyp 3 mit ausreichender Sensitivität erfassen.

Direkter Erregernachweis

Der Nachweis von HEV-RNA mittels PCR in Blut oder Stuhl beweist eine aktive HEV-Infektion und erfordert spezialisierte Laboreinrichtungen. Diese Methode ist besonders in Gebieten mit niedriger HEV-Prävalenz und bei ungewöhnlichen chronischen Infektionsverläufen indiziert.

Besonderheiten bei Immunsuppression

Bei immunsupprimierten Patient:innen ist die serologische Diagnostik unzuverlässig. Hier sollte bei entsprechender Indikation der Erregernachweis mittels Nukleinsäureamplifikationstechniken erwogen werden, da unter Immunsuppression das Risiko persistierender oder chronischer HEV-Infektionen mit rascher Progression zur Leberzirrhose besteht. Eine chronische HEV-Infektion liegt vor, wenn der Virusnachweis über mehr als sechs Monate positiv ausfällt.

Wie behandelt man eine Hepatitis E-Infektion?

Die akute Hepatitis E erfordert bei immunkompetenten Personen in der Regel keine spezifische antivirale Behandlung, da die Erkrankung meist selbstlimitierend verläuft. Die Therapie beschränkt sich auf symptomatische Maßnahmen und supportive Behandlung. Lebertoxische Substanzen sollten vermieden werden, um eine zusätzliche Leberschädigung zu verhindern.

Risikopatient:innen und schwere Verläufe

Bei bestehender Lebervorschädigung – etwa durch schweren Alkoholabusus, chronische HBV- und/oder HCV-Infektion oder Autoimmunhepatitis – besteht ein erhöhtes Risiko für fulminante Verläufe, die eine engmaschige Überwachung erfordern. Schwangere Patient:innen stellen eine besondere Risikogruppe dar, insbesondere bei möglicher Genotyp-1-Infektion. Daher sollten schwangere Patient:innen gezielt nach Aufenthalten in Risikogebieten befragt werden. Bei fulminanter Hepatitis oder symptomatischen schwangeren Patientinnen ist eine Hospitalisierung indiziert.

Chronische HEV-Infektion

Bei chronischen HEV-Infektionen sollte eine Viruselimination angestrebt werden, um eine prolongierte Virusausscheidung und fortschreitende Leberparenchymzerstörung zu verhindern. Der erste therapeutische Ansatz besteht in der Reduktion der Immunsuppression, sofern dies medizinisch vertretbar ist. Ist eine Reduzierung der immunsuppressiven Therapie nicht möglich oder erfolglos, kommt eine antivirale Behandlung in Betracht. Hierfür stehen Ribavirin oder pegyliertes Interferon alpha zur Verfügung, wobei die Therapieentscheidung individuell unter Berücksichtigung der Grunderkrankung und des Allgemeinzustands der Patient:innen getroffen werden sollte.

Fulminante Hepatitis E

Bei Leberversagen im Rahmen einer fulminanten Hepatitis E stellt die Lebertransplantation derzeit die einzige definitive Behandlungsoption dar. Diese Patient:innen benötigen eine sofortige intensivmedizinische Betreuung und sollten frühzeitig an ein Transplantationszentrum angebunden werden.

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Wie kann man einer Hepatitis E-Infektion vorbeugen?

Bevölkerungsweite Präventionsmaßnahmen

Auf Bevölkerungsebene kann die HEV-Übertragung durch systematische Wasser-, Sanitär- und Hygienemaßnahmen und die Aufrechterhaltung von Qualitätsstandards für die öffentliche Wasserversorgungund eine Etablierung ordnungsgemäßer Entsorgungssysteme für menschliche Fäkalien reduziert werden.

Reiseprophylaxe in Endemiegebieten

Bei Reisen in Gebiete mit endemischer Verbreitung der Genotypen 1 oder 2 sollten die bewährten Regeln zur Vermeidung lebensmittelbedingter Infektionen befolgt werden:

  • Vermeidung von nicht abgekochtem Leitungswasser und damit hergestelltem Eis

  • Verzicht auf rohe oder unzureichend erhitzte Speisen nach der Regel erfahrener Tropenreisender: „Peel it, cook it, or forget it!"

  • Aufrechterhaltung hygienischer Praktiken

Lebensmittelsicherheit in Deutschland

In Deutschland und anderen Ländern mit Vorkommen der Genotypen 3 und 4 sollten Schweine- und Wildprodukte (Wildschwein, Reh, Hirsch), insbesondere Innereien, ausschließlich durchgegart verzehrt werden. Das Durchgaren bei ≥71°C über mindestens 20 Minuten inaktiviert das Virus zuverlässig. Zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen ist eine sorgfältige Küchenhygiene unerlässlich.

Impfprophylaxe

Die Entwicklung des derzeit einzigen verfügbaren Hepatitis-E-Impfstoffs HEV 239 (Hecolin®) gegen Genotyp 1 eröffnet neue Möglichkeiten zum Schutz vulnerabler Populationen und zur Eindämmung von Krankheitsausbrüchen. Der Impfstoff ist seit 2011 in China für gesunde Erwachsene ab 16 Jahren zugelassen und wird intramuskulär nach einem 3-Dosen-Schema (0, 1 und 6 Monate) verabreicht. In einer großen Phase-III-Studie in China zeigte er eine hohe Wirksamkeit und ein gutes Sicherheitsprofil. In Europa steht der Impfstoff nicht zur Verfügung, da er gegen Genotyp 3 keine Wirksamkeit aufweist.

Patient:innen-FAQ

Häufig gestellte Fragen zum Thema Hepatitis E

Rund um das Thema Thrombose stellen sich für Betroffene und Angehörige oft viele Fragen: zur Diagnose, zu Behandlungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit der Erkrankung. In dieser Patient:innen-FAQ finden Sie Antworten auf die häufigsten Fragen.

Literatur:

(1)

RKI: Hepatitis E, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/RKI-Ratgeber/Ratgeber/Ratgeber_HepatitisE.html, zuletzt abgerufen am 28.08.2025.

(2)

WHO: Hepatitis E, abrufbar unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/hepatitis-e, zuletzt abgerufen am 28.08.2025.

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