Medizin
05. November 2020 MS: Gute Langzeitwirkung und günstiges Sicherheitsprofil von Teriflunomid
Infolge der in Studien wie auch im Praxisalltag guten klinischen Wirksamkeit wie auch der guten Verträglichkeit und der einfachen Handhabung als einmal täglich einzunehmende Tablette, ist Teriflunomid nach Obermann eine gute Option für eine personalisierte Therapie der MS. Diese sollte generell die bei der Diagnosestellung zu erhebenden Prognosefaktoren wie beispielsweise den MRT-Befund und das mögliche Vorliegen von Begleiterkrankungen berücksichtigen. „Eine wesentliche Rolle spielen bei der Therapieplanung darüber hinaus die Bedürfnisse und Präferenzen der Patienten“, betonte Obermann. Zu berücksichtigen sind daher auch die Risikotoleranz des Patienten, sein Sicherheitsbedürfnis sowie der gewünschte Einnahmemodus.
Studien belegen ein konsistentes Sicherheitsprofil
Dreh- und Angelpunkt ist für viele Patienten wie auch die behandelnden Ärzte die Therapiesicherheit: Dass sich Teriflunomid durch eine gute Verträglichkeit bei günstigem Sicherheitsprofil auszeichnet, belegen klinische Studiendaten mit Zeiträumen bis zu 13 Jahren (2). Das Sicherheitsprofil war dabei konsistent: „Neue oder unerwartete Nebenwirkungen traten in den Langzeitstudien nicht auf“, so Obermann. Die günstigen Befunde werden durch die Ergebnisse der deutschen Real World-Studie TAURUS-MS (3) bestätigt.
Als generell häufigste Nebenwirkungen sind eine leichte Erhöhung des ALT-Werts beschrieben, eine meist reversibel verminderte Haardichte sowie Kopfschmerzen, Übelkeit und Diarrhoen. Die meisten unerwünschten Wirkungen sind mild bis moderat ausgeprägt (4). Sie bilden sich laut Obermann in aller Regel unter der Therapie zurück und führen selten zum Therapieabbruch (5).
Unter der Behandlung wurde laut Privatdozent Dr. Karl Baum, Henningsdorf, nur bei einer Minderheit der Patienten eine Lymphopenie 1. oder 2. Grades beobachtet, mehr als 90% der Patienten unter Teriflunomid hatten keine Lymphopenie (5). Die auftretenden Fälle waren zudem nicht mit vermehrten Infektionen assoziiert (5). „Die Infektionsraten waren bei Patienten mit und ohne Lymphopenie vergleichbar“, erklärte der Mediziner. Es gab außerdem keine Fälle schwerwiegender Lymphopenien (Grad 3-4).
Er hob zugleich hervor, dass unter Teriflunomid eine adäquate Immunantwort bei der saisonalen Grippeschutzimpfung besteht, die den Vorgaben der Europäischen Leitlinien entspricht (6). Es resultiert bei der Impfung mit einem inaktiven Impfstoff zudem eine gute Immunantwort auf Neoantigene wie auch auf Recall-Antigene (7), so dass offenbar weder eine Beeinträchtigung der humoralen noch der zellulären Immunität besteht.
Umfassende und anhaltende klinische Wirksamkeit
Teriflunomid zeichnet sich zugleich durch eine gute klinische Wirksamkeit aus, die sich nach Baum nicht nur in einer signifikanten Reduktion der Schubrate wie auch der Behinderungsprogression niederschlägt, sondern auch in einer Reduktion der bei der MS zu beobachtenden Hirnatrophie. Diese neuroprotektiven Effekte könnten dem Wirkstoff neue Perspektiven bei der Therapie eröffnen.
Das unterstreichen die neuen Erkenntnisse zum Wirkmechanismus, wie Baum darlegte. Es handelt sich bei Teriflunomid nach seinen Angaben um einen Immunmodulator mit entzündungshemmenden Eigenschaften (4). Der Wirkstoff inhibiert das Enzym Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH), blockiert damit die De-novo-Pyrimidin-Synthese und reduziert so selektiv und reversibel die Proliferation autoreaktiver T- und B-Lmphozyten (4). Entsprechend den aktuellen Befunden der Studie Teridynamic (8) bewirkt Teriflunomid auch eine Veränderung der T-Lymphozyten-Zusammensetzung sowie des T-Lymphozyten-Rezeptorrepertoires und kann wahrscheinlich damit metabolische Störungen von T-Lymphozyten der MS-Patienten günstig beeinflussen (8).
Dieser selektive Wirkmechanismus kann laut Baum die gute und umfassende klinische Wirksamkeit einschließlich der neuroprotektiven Effekte von Teriflunomid erklären. Der Wirkstoff reduziert dabei signifikant den jährlichen Hirnvolumenverlust gegenüber Placebo über 2 Jahre um 36,9% im ersten Jahr und um 30,6% im zweiten Jahr der Studie (9).
Davon abgesehen resultiert unter der Therapie eine über 12 Jahre in Studien dokumentierte niedrige jährliche Schubrate bis zu einem Wert von 0,08 in Jahr 1210. „Das entspricht weniger als einem Schub in 12 Jahren“, betonte Baum. Bemerkenswert war zudem der in den Langzeitstudien stabile EDSS-Verlauf (10) (Expanded Disability Status Scale), erläuterte der Mediziner.
Anderen oralen MS-Therapeutika vergleichbar gute Wirksamkeit
Die klinische Wirksamkeit von Teriflunomid ist dabei mit anderen oralen MS-Medikamenten wie Dimethylfumarat (DMF) vergleichbar. Das belegen nach Baum die Daten zur Number Needed to Treat (NNT) bei der Verhinderung eines MS-Schubs in den Zulassungsstudien. Für Teriflunomid ergab sich hierzu ein Wert von 5,9 und 5,6; bei DMF lagen die Werte bei 5,3 und 5,6 (11). Hinsichtlich der Risikoreduktion einer Behinderungsprogression zeigten sich mit NNT-Werten von 13,7 und 17,1 unter Teriflunomid sogar Vorteile gegenüber DMF (10,8 und 30,2) (11).
Die mindestens vergleichbare Wirksamkeit von Teriflunomid im Vergleich mit anderen oralen MS-Medikamenten wie DMF belegen auch die Ergebnisse der amerikanischen Real World-Studie TERI-RADAR (12). In dieser Studie war die Hirnvolumenänderung unter Teriflunomid signifikant geringer als unter DMF. Zudem war die Volumenänderung der lateralen Ventrikel in der Teriflunomid-Gruppe numerisch geringer als in der DMF-Gruppe (12). In einer direkten Vergleichsstudie mit Oftamumab zeigte sich laut Baum zudem im Hinblick auf die Reduktion der Hirnatrophie kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Wirkstoffen (13).
Fazit für die Praxis
Wie die beiden Neurologen darlegten, gibt es somit inzwischen umfassende Daten zur guten Langzeitwirksamkeit wie auch zur guten Langzeitsicherheit von Teriflunomid mit interessanten neuen Aspekten. Diese können auf weitere neue Perspektiven hinsichtlich der Anwendung des MS-Therapeutikums hindeuten. Das ist bei der Behandlung der RRMS zu berücksichtigen, es sollte stets eine frühe Evaluation des Ansprechens und gegebenenfalls bei Bedarf ein rechtzeitiger Therapiewechsel erfolgen. Für Teriflunomid spricht dabei nicht zuletzt auch die Tatsache, dass mittlerweile über 100.000 Patienten (Stand September 2019) mit dem Wirkstoff behandelt wurden, davon rund 16.000 Patienten in Deutschland.
Quelle: Sanofi
Literatur:
(1) Maghzi AH et al., J Neurol 2020; 267 (10): 2790-2796, doi: 10.1007/s00415-020-09944-8
(2) Miller AE et al., Ther Adv Neurol Disord 2017; 10: 381–396
(3) Kallmann BA et al., Ther Adv Neurol Dis 2019; 12: 1756286419835077
(4) Fachinformation AUBAGIOÒ , Stand September 2020
(5) Comi G et al., Mult Scler Rel Disord 2016; 5: 97-104
(6) Bar-Or A et al., Neurology 2013; 81 (6): 552–558
(7) Bar-Or A et al., Mult Scler 2013;19 (S1): 74–558, P622
(8) Klotz L et al., Sci Transl Med 2019; 11: 1-17
(9) Radue EW et al., Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm 2017; 4 (5) e390
(10) Freedman MS et al., Mult Scler J 2018; 24 (S2): 530–737, P1233
(11) Freedman MS et al., Mult Scler Relat Disord 2016;10: 204–212
(12) Zivadinov R et al., J Comp Eff Res 2019; 8 (5): 305–316
(13) Hauser SL et al., N Engl J Med 2020; 383: 546-557
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