Mittwoch, 11. Dezember 2024
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Praxismanagement
Interdisziplinäre Zusammenarbeit für bestmögliche Therapie

Zukunftsmodell Shared Care: Ein Beispiel aus der Praxis

Zukunftsmodell Shared Care: Ein Beispiel aus der Praxis
© lenetsnikolai - stock.adobe.com
Bestimmte Erkrankungen erfordern eine interdisziplinäre Behandlung, die sich über den klinischen sowie den ambulanten Bereich erstreckt. Mangelnde Strukturen führen jedoch dazu, dass in vielen Fällen ein Informationsverlust entsteht – mit gefährlichen Folgen. Ein Pilotprojekt am Universitätsklinikum Essen zeigt, dass es auch anders laufen kann. Dort werden Patienten behandelt, die aufgrund einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz eine linksventrikuläre Herzunterstützung erhalten oder bereits erhalten haben.
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Heart-Failure-Board erarbeitet gemeinsame Standards

Über eine regelmäßig stattfindende Plattform erarbeitet das sogenannte Heart-Failure-Board, das aus Herzchirurgen, niedergelassenen und in der Klinik tätigen Kardiologen, Heart-Failure-Nurses, Mitarbeitern aus der Ambulanz, VAD-Koordinatoren und Fachärzten für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie besteht, gemeinsame Standards für Niederlassung und Klinik. Dabei haben sie vor allem ein Ziel vor Augen: die bestmögliche Therapie der Patienten. Was aufgrund von budgetären Interessen, durch teilweise private Zugehörigkeiten oder sonstige wirtschaftliche Bedingungen noch immer nicht selbstverständlich ist, wird dort unter dem Stichwort „Shared Care“ gelebt.

Auflösung der Fachgrenzen?

Viele Jahre wurde es ausschließlich als herzchirurgisches Thema angesehen, langsam findet jedoch ein Umdenken statt: Patienten mit einem linksventrikulären Herzunterstützungssystem benötigen eine interdisziplinäre Betreuung. Das ist das erklärte Ziel des Universitätsklinikums Essen, speziell von Univ.-Prof. Dr. Peter Lüdike, dem Bereichsleiter Herzinsuffizienz und Intensivmedizin, und Priv.-Doz. Dr. Bastian Schmack, Bereichsleiter Herzinsuffizienzchirurgie am Westdeutschen Herz- und Gefäßzentrum der Universitätsmedizin Essen. „Die Herzmedizin in ‚Herzchirurgie und Kardiologie‘ aufzuteilen, ist meiner Einschätzung nach nicht mehr zukunftsfähig. Ich plädiere für eine ‚Herz-Kreislauf- und Gefäß-Medizin‘ – in der der eine Kollege einen eher operativen, der andere einen interventionellen Schwerpunkt vertritt. Und irgendwann werden sich möglicherweise auch diese Fachgrenzen auflösen“, erklärt Prof. Lüdike. „Im Umkehrschluss heißt das, dass die Expertise des einen ohne die des anderen nicht mehr funktionieren wird.“
 
 

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©Sebastian Kaulitzki / Fotolia.de

Zertifiziertes Tele-Monitoring-Zentrum

Doch während sich dieser Ansatz in der Klinik zunehmend durchsetzt, steckt insbesondere die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kardiologen in Hinblick auf Disziplinen übergreifende Konzepte verständlicherweise noch in den Kinderschuhen, da die jahrzehntelange Unterscheidung zwischen chirurgischer und internistischer Herzmedizin fest in den Strukturen verankert ist. „Wir haben ein Netzwerk etabliert, in das wir auch gezielt moderne Praxen mit integrieren, deren Kollegen mitunter schon hierhergekommen sind, um in der Kunstherzsprechstunde einen Tag zu hospitieren oder auf der Herzinsuffizienzstation mal eine Visite mitzugehen um zu sehen, welche Ansätze wir an einem Schwerpunktzentrum verfolgen“, berichtet Prof. Lüdike und ergänzt: „Was meiner Meinung nach gewährleistet sein muss, ist, dass es für diese Kollegen und Kolleginnen rund um die Uhr Ansprechpartner gibt, die nicht nur weiterleiten und verwalten, sondern akut Probleme lösen.“ Um diesem Anspruch gerecht zu werden, bietet sich an dem Pilotprojekt teilnehmenden Patienten eine europaweit einzigartige Möglichkeit: In das Netzwerk ist ein nach den aktuellen GBA-Beschlüssen zertifiziertes Tele-Monitoring-Zentrum eingebunden. Dadurch werden Patienten mit Herz-Unterstützungssystem unabhängig von ihrem Wohnort im Ruhrgebiet immer nach den gleichen Standards betreut.

„Wichtig ist, dass die Fort- und Weiterbildung in keinem Fall an der Grenze des Klinikums enden darf. Es ist essenziell, die niedergelassenen Kollegen miteinzubinden, denn im Gegensatz zu den behandelnden Medizinern im Krankenhaus besteht oftmals ein langjährig gewachsenes und daher häufig engeres Vertrauensverhältnis zwischen den Patienten und ihren niedergelassenen Ärzten“, ergänzt Dr. Schmack. Daher ist der interdisziplinäre Austausch innerhalb des Klinikums für ihn nicht mehr als die Pflicht: „Die Kür ist jedoch, Möglichkeiten zu schaffen, dass niedergelassene Kollegen dieses interdisziplinäre Board jederzeit ansprechen und mit ihm diskutieren können. Dass die Probleme und Herausforderungen aus der Praxis Gehör finden und durch den Diskurs Lösungen aufgezeigt werden“, ergänzt der Herzchirurg und Bereichsleiter Herzinsuffizienzchirurgie. In Essen findet diese Zusammenarbeit derzeit in Form einer Videokonferenz statt, die den einzelnen Beteiligten jederzeit und ohne viel Aufwand einen Austausch mit Kollegen über das unmittelbare Uniklinikum hinaus erlaubt.

Aus der Praxis für die Praxis

Um ein besseres Verständnis für die Patienten und das linksventrikuläre Unterstützungssystem zu schaffen, schickt das Universitätsklinikum seine VAD-Koordinatoren auch in die Praxen, um das Personal vor Ort zu schulen. Denn selbst wenn ein theoretisches Verständnis vorherrscht, gibt es noch immer viel Informationsbedarf. Fragen wie „Wie arbeiten die Geräte?“ und „Was für Komplikationen kann es geben?“ stehen auf der Tagesordnung. Und auch darüber hinaus ist viel Aufklärungsarbeit notwendig: „Viele Kolleginnen und Kollegen im niedergelassenen Bereich haben noch das Verständnis, dass es sich hier alleinig um eine Therapie für die Allerkränkesten der Kranken handelt. Das führt dazu, dass die Herzinsuffizienz Betroffener mitunter schon zu weit fortgeschritten ist, um ein LVAD zu erhalten, wenn sie dann zu uns kommen“, erläutert Dr. Schmack.

LVAD mehr als Überbrückungstherapie

Dabei hat sich Technologie bei der linksventrikulären Herzunterstützung für Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. So liegen nicht nur etliche Studiendaten, sondern auch ESC-Leitlinien vor, die eine Implantation eines LVAD in einem früheren Stadium der Erkrankung empfehlen. Denn die Systeme sind im Laufe der Zeit nicht nur kleiner, sondern auch ausfallsicherer geworden. „Ein ausgesprochen wichtiger Punkt ist, dass es eine deutliche Verbesserung der Versorgung und der Versorgungskonzepte gibt, die dazu geführt hat, dass immer mehr Fachgesellschaften ein LVAD nicht nur als Überbrückungstherapie zur Transplantation empfehlen und zulassen, sondern die Destinationstherapie in den Vordergrund tritt“, ergänzt Dr. Schmack.

MOMENTUM3-Studie belegt verbesserte Überlebensraten mit LVAD

Das zeigt sich auch in der Studie MOMENTUM3, die belegt, dass ein LVAD – verglichen mit einer Transplantation – nach 2 Jahren gar ein besseres Überleben zeigte. Zwar besteht durch die Driveline, also die Verbindungsleitung vom Device nach außen, eine Versorgungspflicht für den Wundaustritt, jedoch gibt es im Umkehrschluss keine Immunsuppression. „Hinzu kommt, dass diese Studien nur die Überlebensrate beurteilen. Was häufig nicht in adäquater Weise zum Ausdruck kommt, sind die Qualität des Lebens und des Überlebens. Und da ist es definitiv so: Wir haben mit den derzeit verfügbaren Kunstherzsystemen wie dem HeartMate 3 von Abbott mittlerweile ein Instrument an der Hand, das eine nahezu vollständige Rückkehr in das Leben ermöglicht“, berichtet der Experte. Anhand dieser Erfahrung lautet der Appell des Heart-Failure-Boards des Universitätsklinikums Essen daher, dass niedergelassene Kollegen diese Therapie-Option frühzeitig evaluieren und bei ihren Patienten ansprechen sollten.

Nachsorge durch Niedergelassene

Doch nicht nur der richtige Moment für die Operation, auch die Nachsorge ist ein Thema, dem viele niedergelassene Mediziner zögerlich gegenüberstehen. „Ich denke, dass ein Kardiologe oder eine Kardiologin in der Niederlassung zu 100% in der Lage ist, solch einen Patienten gut, vollverantwortlich und mit vollstem Verständnis nachzubetreuen. Es bedarf dafür einer Schulung, damit man weiß, worauf im Speziellen zu achten ist. Und natürlich eine Geräteeinweisung, aber diese ist wirklich überschaubar“, erklärt Prof. Lüdike. „Meine Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass Kardiologen das sehr gut händeln können. Was es dafür braucht, ist ein wenig zusätzliches Wissen und ein funktionierendes angeschlossenes Netzwerk. Und daran arbeiten wir derzeit jeden Tag im wahrsten Sinne des Wortes mit ganzem Herzen.“

Quelle: Universitätsmedizin Essen


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