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Wie entsteht Vitamin D?

Bei Vitamin D handelt es sich streng genommen nicht um ein echtes Vitamin, sondern um dieVorstufe eines Hormons, da der Körper es unter Einfluss von Sonnenlicht selbst herstellen kann. Die Bildung beginnt in der Haut: Dort wird durch UVB-Strahlung aus dem Sonnenlicht die Substanz 7-Dehydrocholesterin in Prävitamin D3 umgewandelt. Dieses ist thermodynamisch instabil und isomerisiert spontan zu Cholecalciferol. In der Leber wird Cholecalciferol dann zu Calcidiol (25(OH)D) umgewandelt und anschließend in der Niere zur aktiven Hormonform Calcitriol (1,25(OH)₂D) weiterverarbeitet. Calcitriol reguliert wichtige Prozesse wie die Calciumaufnahme im Darm und den Knochenstoffwechsel.

Vitamin-D-Mangel in Europa weit verbreitet

In Europa ist Vitamin-D-Mangel ein bedeutendes Gesundheitsproblem, wobei etwa 40% der Bevölkerung als mangelhaft versorgt gelten und rund 13% eine schwere Unterversorgung aufweisen. Besonders im Winter, wenn die Sonnenexposition gering ist, verschärft sich der Mangel, was in Ländern wie Ungarn zu über 70% Betroffenen im Frühjahr führt. Faktoren wie Alter, Geschlecht und Lebensstil beeinflussen die Vitamin-D-Versorgung, wobei ältere Menschen und Frauen aufgrund von Kleidung und geringerer Synthese besonders gefährdet sind. Auch in urbanen Gebieten ist der Zugang zu Sonnenlicht häufig eingeschränkt, zum Beispiel durch Luftverschmutzung und dichte Bebauung. Zusätzlich trägt die konsequente Verwendung von Sonnenschutzmitteln zur unzureichenden Versorgung bei [1].

Risiko für Krebserkrankungen weiter ansteigend

Krebserkrankungen gehören weltweit zu den häufigsten Todesursachen – mit Millionen Neuerkrankungen und Todesfällen pro Jahr. Für das Jahr 2025 wird in Deutschland mit etwa 523.000 neuen Krebsdiagnosen gerechnet, was einem Anstieg von rund 10% gegenüber 2014 entspricht. Männer sind dabei besonders häufig von Prostata-, Lungen- und Darmkrebs betroffen, während bei Frauen Brust-, Lungen- und Darmkrebs dominieren. Auch global stellt Krebs eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen dar – insbesondere Lungen-, Darm-, Leber- und Magenkrebs führen zu hohen Sterberaten. Studien deuten darauf hin, dass Vitamin D das Risiko für bestimmte Krebsarten senken und die Sterblichkeit beeinflussen könnte.

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Vitamin D als möglicher Schutzfaktor gegen Krebserkrankungen

Vitamin D könnte das Krebsrisiko senken, indem es das Tumorwachstum hemmt und die Ausbreitung von Krebszellen erschwert. Verschiedene Studien zeigen, dass höhere Blutwerte von 25(OH)D mit einem geringeren Risiko für bestimmte Krebsarten wie Brust- oder Darmkrebs verbunden sind. So zeigt z.B. eine koreanische Studie, dass Menschen mit einem Vitamin-D-Spiegel von mindestens 75 nmol/L (30 ng/ml) insgesamt ein um 24% geringeres Krebsrisiko aufwiesen als Personen mit Werten unter 30 nmol/L (12 ng/ml) [2]. Auch Vitamin-D-Supplementierungen zeigen in einzelnen Fällen vielversprechende Ergebnisse, besonders bei bestimmten Bevölkerungsgruppen oder genetischen Merkmalen. Allerdings fällt die Datenlage nicht durchgängig eindeutig aus – unter anderem, weil sich die Vitamin-D-Spiegel im Verlauf vieler Studien verändern. Neue Erkenntnisse deuten zudem darauf hin, dass Vitamin D auch das Immunsystem über das Mikrobiom stärken und dadurch die Krebsabwehr verbessern kann [3].

Die Rolle von Vitamin D in der Darmkrebsprävention

Mehrere Studien belegen, dass höhere Vitamin-D-Spiegel mit einem deutlich reduzierten Risiko für die Entwicklung von Darmkrebs assoziiert sind. So hemmt Calcitriol, die aktive Form von Vitamin D, die Proliferation von Tumorzellen und fördert deren Apoptose. Zudem reguliert Calcitriol zentrale Signalwege wie den Wnt/β-Catenin-Pfad, der bei kolorektalen Karzinomen häufig überaktiviert ist, und trägt so zur Reduktion der Tumorinvasivität bei. Darüber hinaus besitzt Vitamin D entzündungshemmende Eigenschaften, stärkte die Darmbarriere und beeinflusst die Zusammensetzung der Darmflora positiv. Ein Mangel an Vitamin D begünstigt hingegen proinflammatorische Prozesse im Darm und kann die Progression von Darmkrebs fördern. Die Kombination von Vitamin D mit Calcium scheint die präventiven Effekte zusätzlich zu verstärken.

Neben seiner Wirkung auf Tumorzellen entfaltet Vitamin D auch über das Immunsystem präventive Effekte: Seine immunmodulierenden Eigenschaften beeinflussen die Aktivität verschiedener Immunzellen wie T- und B-Lymphozyten sowie Makrophagen, die in der Lage sind, aktives Vitamin D lokal zu synthetisieren. Insbesondere wirkt Vitamin D einer übermäßigen Immunaktivierung entgegen, indem es proinflammatorische T-Helferzellen (z. B. Th1 und Th17) hemmt und gleichzeitig die Ausschüttung antiinflammatorischer Zytokine begünstigt. Auch die Funktion und Regulation dendritischer Zellen wird moduliert, was zur Aufrechterhaltung einer kontrollierten Immunantwort im Darm beiträgt und potenziell tumorbegünstigende Entzündungsprozesse eindämmt [1].

Therapieunterstützung durch Vitamin D bei Brustkrebs

Brustkrebs zählt weltweit zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen. Studien deuten darauf hin, dass Vitamin D das Erkrankungsrisiko senken könnte. So hemmt Vitamin D Zellwachstum unter anderem durch einen Zellzyklusarrest, fördert den programmierten Zelltod und beeinflusst die Invasion sowie Metastasierung von Tumorzellen über die Regulation von Zelladhäsionsmolekülen. Zudem wird die Bildung neuer Blutgefäße über den MEG3/AKT-Signalweg gehemmt. Epidemiologische Untersuchungen zeigen darüber hinaus, dass niedrige Vitamin-D-Spiegel mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung von Brustkrebs assoziiert sind.

Auch im Rahmen einer bestehenden Brustkrebserkrankung könnte Vitamin D eine unterstützende Rolle spielen. Ein Mangel wird bei Patientinnen häufig beobachtet und kann mit einer ungünstigen Prognose einhergehen. Es gibt Hinweise darauf, dass eine ausreichende Versorgung nicht nur das Tumorwachstum abschwächen, sondern auch die Wirksamkeit bestimmter Therapien begünstigen kann. Besonders bei aggressiven Subtypen wie dem triple-negativen Brustkrebs wird auch der Beitrag von Vitamin D zur genomischen Stabilität als potenziell relevant angesehen. Darüber hinaus könnte das Vitamin auch zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Um den therapeutischen Nutzen jedoch gezielt nutzen zu können, sind weitere Studien zur optimalen Dosierung und Anwendung notwendig [4].

Einfluss von Vitamin D auf das Prostatakrebsrisiko

Durch seine Wirkungen auf den Zellzyklus und die Zellproliferation, könnte Vitamin D auch bei Prostatakrebs eine präventive Wirkung zeigen. Studien deuten darauf hin, dass ein moderater Vitamin-D-Spiegel mit einem reduzierten Erkrankungsrisiko assoziiert ist, während sowohl sehr niedrige als auch sehr hohe Werte potenziell ungünstig sein können. Ein ausgeprägter Vitamin-D-Mangel wird dabei besonders häufig mit aggressiveren Verlaufsformen in Verbindung gebracht – insbesondere bei afroamerikanischen Männern. Trotz dieser Hinweise fehlt bislang ein eindeutiger Beleg für eine direkte protektive Wirkung von Vitamin D im Kontext des Prostatakarzinoms. Um belastbare Aussagen zur präventiven Relevanz und zu optimalen Versorgungsstrategien treffen zu können, sind daher weitere gezielte Forschungsarbeiten notwendig [5].

Vitamin D als möglicher Schutzfaktor vor Leukämie

Auch im Zusammenhang mit bestimmten Leukämieformen gibt es Hinweise auf einen potenziellen Nutzen von Vitamin D. So zeigen Studien, dass Kinder mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) häufiger unter einem Vitamin-D-Mangel leiden als gesunde Kinder und niedrigere Spiegel mit einem erhöhten Rückfallrisiko assoziiert sind [6]. Eine umfassende genetische Analyse ergab zudem einen Zusammenhang zwischen hohen Vitamin-D-Werten und einem verringertem Risiko für chronische myeloische Leukämie (CML)[7]. Für andere Subtypen wie AML und CLL konnte bislang jedoch kein klarer Zusammenhang nachgewiesen werden. Insgesamt legen die bisherigen Ergebnisse aber nahe, dass eine gute Vitamin-D-Versorgung das Leukämierisiko potenziell senken und den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen könnte.

Das Sunlight-Dilemma: Schutz und Risiko zugleich

UVA- und UVB-Strahlen fördern Hautkrebs, indem sie DNA-Schäden auslösen, das Immunsystem schwächen und oxidative sowie entzündliche Prozesse fördern. Während UVB-Strahlung insbesondere photochemische DNA-Veränderungen wie CPDs und 6-4-PPs sowie Mutationen im TP53-Gen hervorruft, die direkt mit der Krebsentstehung in Verbindung stehen, dringt UVA tiefer in die Haut ein und verursacht vor allem oxidative Schäden. Zudem trägt UVA stark zur Hautalterung bei, ohne zur Bildung von Vitamin D3 beizutragen. Das durch UVB-Strahlung gebildete Vitamin D3 hingegen unterstützt aktiv die Hautgesundheit, indem es die DNA-Reparatur fördert, antioxidative Mechanismen stärkt und entzündungshemmend wirkt. Eine kontrollierte Sonnenexposition – insbesondere zur Mittagszeit – kann daher sinnvoll sein, da nur dann ausreichend UVB-Strahlung für eine effektive Vitamin-D-Synthese verfügbar ist, was wiederum zur Prävention von UV-bedingten Hautschäden, inklusive Hautkrebs, beiträgt.

Dieser Zusammenhang verdeutlicht das Spannungsfeld zwischen Nutzen und Risiko von Sonnenlicht: Während chronische UV-Belastung ein Hauptrisikofaktor für nicht-melanozytäre Hautkrebsarten wie Basalzell- und Plattenepithelkarzinome ist, kann eine kontrollierte Sonnenexposition – insbesondere zur Mittagszeit – zur Vitamin-D-Synthese beitragen und somit auch präventive Effekte auf die Hautgesundheit entfalten. Daten deuten zudem darauf hin, dass maßvolle Sonnenexposition mit einer längeren Lebenserwartung assoziiert sein könnte [8].

Einfluss von Vitamin D auf die Entstehung und Entwicklung von Melanomen

Vitamin D spielt über seine aktive Form Calcitriol eine wichtige Rolle bei der Regulation von Zellwachstum, Immunantworten und der Bildung neuer Blutgefäße – Vorgänge, die wesentlich an der Entstehung und dem Fortschreiten von Melanomen beteiligt sind. Melanozyten verfügen über spezifische Vitamin-D-Rezeptoren, deren Aktivierung zahlreiche genetische Prozesse beeinflusst. Studien zeigen, dass bei fortgeschrittenem Melanom sowohl die Vitamin-D-Spiegel im Blut als auch die Expression dieser Rezeptoren häufig vermindert sind – ein Befund, der mit einer ungünstigeren Prognose verbunden ist. In präklinischen Untersuchungen konnte Calcitriol die Zellvermehrung hemmen, die Invasivität von Tumorzellen einschränken und Apoptose fördern. Die Wirksamkeit dieser Effekte hängt jedoch stark vom Ausmaß der Rezeptorexpression sowie weiteren molekularen Faktoren wie dem Tumorsuppressor PTEN ab – was erklären könnte, warum manche Melanomzellen nur unzureichend auf Vitamin D reagieren [9].

Warum die größte Vitamin-D-Studie Fragen offenlässt

Die bislang größte Studie zur Wirkung von Vitamin D, die 2019 veröffentlichte VITamin D and OmegA-3 TriaL (VITAL)-Studie, umfasste über 25.000 Teilnehmeri:innen und lieferte die zentrale Schlussfolgerung: Eine Supplementierung mit Vitamin D reduzierte weder die Inzidenz invasiver Krebserkrankungen noch das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse signifikant. Ein genauerer Blick auf das Studiendesign offenbart jedoch mehrere potenzielle Limitationen. So lagen die Ausgangswerte des Vitamin-D-Spiegels bei den meisten Teilnehmenden im normnahen Bereich (ca. 30 ng/ml), und nur ein geringer Anteil wies einen tatsächlichen Mangel auf. Unabhängig von Körpergewicht, individueller Ausgangslage oder Bedarf erhielten alle Proband:innen eine standardisierte Tagesdosis von 2.000 IE Vitamin D3 – eine Menge, die insbesondere bei Personen mit erhöhtem Bedarf möglicherweise nicht ausreicht, um messbare Effekte zu erzielen. Zudem wurde als primärer Endpunkt die Gesamtkrebsinzidenz gewählt, was potenzielle präventive Effekte in spezifischen Tumorarten verwässern könnte. Die Nachbeobachtungszeit von lediglich fünf Jahren stellt einen weiteren begrenzenden Faktor dar [10].

Vitamin D in der Krebsprävention – Potenzial und Grenzen

Vitamin D übernimmt im menschlichen Körper nicht nur eine zentrale Rolle im Knochenstoffwechsel, sondern auch in der Immunregulation, Zellteilung und Krebsabwehr. Studien zeigen, dass ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel mit einem verringerten Risiko für verschiedene Krebsarten wie Brust-, Darm-, Prostatakrebs und möglicherweise Leukämie assoziiert ist. Die antientzündlichen und wachstumshemmenden Eigenschaften von Calcitriol gelten dabei als mögliche Schlüsselfaktoren für präventive Effekte. In Kombination mit weiteren Einflussgrößen – etwa einer guten Calciumversorgung oder bestimmten genetischen Konstellationen – könnten sich diese Effekte zusätzlich verstärken.

Gleichzeitig bleibt die Evidenzlage heterogen: Trotz vielversprechender Ansätze reichen die bisherigen Daten nicht aus, um Vitamin D als eigenständige Maßnahme zur Krebsprävention zu empfehlen. Vor dem Hintergrund der multifaktoriellen Natur von Krebserkrankungen ist Vitamin D jedoch als ein relevanter Bestandteil im präventiven Gesamtkonzept anzusehen.

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Literatur:

(1)

Fekete et al. (2025): Vitamin D and Colorectal Cancer Prevention: Immunological Mechanisms, Inflammatory Pathways, and Nutritional Implications. Nutrients, DOI: 10.3390/nu17081351

(2)

Song et al. (2025): Serum 25-hydroxyvitamin D levels and risk of overall and site-specific cancers in Korean adults: results from two prospective cohort studies. Nutrition Journal, DOI: 10.1186/s12937-025-01146-0

(3)

Grant et al. (2025): Vitamin D: Evidence-Based Health Benefits and Recommendations for Population Guidelines. Nutrients, DOI: 10.3390/ nu17020277

(4)

Abdollahi et al. (2024): Multifaceted Role of Vitamin D in Breast Cancer: A Systematic Review of Genetic and Pathway-Based Mechanisms. Asian Pacific Journal of Cancer Prevention, DOI: 10.31557/APJCP.2024.25.10.3349

(5)

Krumina et al. (2025): Vitamin D and prostate cancer prevention. World Journal of Clinical Oncology, DOI: 10.5306/wjco.v15.i6.691

(6)

Nematollahi et al. (2024): Potential role of serum vitamin D as a risk factor in pediatric acute lymphoblastic leukemia. Pediatric Hematology and Oncology, DOI: 10.1080/08880018.2023.2202687

(7)

Chen et al. (2024): Causal effects of vitamin D on leukemia risk: insights from two-sample Mendelian randomization analysis. Nutricion Hospitalaria, DOI: 10.20960/nh.05541

(8)

Uçar et al. (2025): Illuminating the Connection: Cutaneous Vitamin D3 Synthesis and Its Role in Skin Cancer Prevention. Nutrients, DOI: 10.3390/nu17030386

(9)

Ghajar-Rahimi et al. (2025): Updates in clinical trial-explored chemopreventive agents for cutaneous melanoma: mechanisms affecting melanocytes. Melanoma Management, DOI: 10.1080/20450885.2025.2505400

(10)

Manson et al. (2019): Vitamin D Supplements and Prevention of Cancer and Cardiovascular Disease. New England Journal of Medicine, DOI: 10.1056/NEJMoa1809944

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