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Die ePA: Problemlöser oder Stolperfalle?
Hoffnung auf Transparenz
Die größte Hoffnung, die mit der Einführung der ePA einhergeht, ist das Schaffen von mehr Transparenz: „Mit der ePA kann auch der Patient nach einem Gespräch mit seinem Behandler prüfen, was eigentlich besprochen wurde“, sagte Tischler. Auch die Kommunikation unter Ärzten soll deutlich transparenter gestaltet werden: „Es passiert häufig, dass der überweisende Arzt zum Beispiel schon einen Labortest gemacht hat, aber der Patient hat den Laborzettel zum Termin leider nicht dabei. Das ist auch nicht die Schuld des Patienten – der Patient ist schließlich kein Postbote – aber für mich als Behandler bedeutet das: Die Information ist nicht da. Das ist der große Vorteil der ePA, die Daten sind da, und zwar zentral und jederzeit verfügbar, wenn ich sie als Behandler brauche“, betonte Tischler. Außerdem sei die „Zettelwirtschaft“ aus Überweisungen, Erinnerungen, Übergabe an die Krankenhäuser, Entlassbriefe und so weiter einfach nicht mehr zeitgemäß – schon allein deshalb, weil es immer zu einer zeitlichen Verzögerung komme: „Unterm Strich kann man sagen: Die Papier-Akte kommt immer zu spät“, bemängelte Tischler. Die so oft fehlenden Informationen anderer Behandler würden mit der ePA sehr niederschwellig zur Verfügung stehen.Auch Martinez monierte, dass die allermeisten Patienten nicht wüssten, welche Informationen der behandelnde Arzt in ihre Akte aufnehme: „Für den Patienten ist seine Akte eine Blackbox. Ich erwarte mir von der ePA dass sie hier Licht ins Dunkel bringt und dem Patienten ein Stück weit mehr Selbstbestimmung gewährt“.
Ökonomische und zeitliche Einsparungen
Zudem würden unnötige Wartezeiten vermieden, „wenn eben nicht der Bluttest ein zweites Mal gemacht werden muss, weil die entsprechenden Unterlagen nicht vorliegen. In der Vermeidung von Doppeluntersuchungen liegt natürlich ein riesiges wirtschaftliches und zeitliches Einsparpotential. Dazu gibt es auch diverse Studien, die davon ausgehen, dass die ökonomische Einsparungsmöglichkeit im hohen zweistelligen Milliardenbereich liegen wird“. „Auch wenn ich mir sicher bin, dass Einsparungen erzielt werden, würde ich diese Studien aber vorsichtig betrachten“, merkte Martinez an, „da in diesen Studien immer von einem System ausgegangen wird, das sich bereits vollständig eingeschwungen hat, und davon sind wir meines Erachtens noch weit entfernt“.Selbstbestimmtheit des Patienten
Für Luetkens lag der größte Vorteil in der ePA in der Chance, dem Patienten mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen: „Der mündige Patient ist das A&O für ein funktionierendes Gesundheitssystem, das wird mir in der breiten Diskussion zu oft vernachlässigt. Die ePA bietet eine riesige Chance, um auch die Sprache soweit anzupassen, dass der Patient mündig mitreden und mitentscheiden kann. Die ePA ist für den Patienten da – es ist seine Akte, es sind seine Informationen!“Mangelhafte Aufklärung
Obwohl Tischler, Martinez und Luetkens sich darüber einig waren, dass die ePA auf jeden Fall ein großer Gewinn für das deutsche Gesundheitssystem werden wird, gaben sie doch einige Herausforderungen zu bedenken, die es noch zu bewältigen gilt.„Wie kommt die ePA zu den Ärzten und zu den Patienten? Das kann sowohl auf Arzt- als auch auf Patientenseite kaum jemand beantworten, da zu wenig Informationen kommuniziert werden. Hier müssen dringend Fortbildungen angeboten und auf Patientenseite Aufklärung betrieben werden“, mahnte Tischler an. „Jetzt also schon von Einsparungen zu sprechen, halte ich für deutlich verfrüht. Es wird erst einmal Geld kosten, diese Aufklärung durchzuführen, sonst schaffen wir Parallelwelten.“
Bürokratische Hürden
Martinez beklagte hohe bürokratische Hürden: „Es jetzt schon absehbar, dass der Gesetzgeber große bürokratische Hürden geschaffen hat: Mittlerweile gibt es für die Aufklärung mehrere DIN-A-4-Seiten, die den Patienten aufklären sollen. Da sollte eine einfache, lebensnahe Sprache verwendet werden. Das sehe ich noch nicht, allein schon wegen des Umfangs.“ An dieser Stelle müsse dringend nachgearbeitet werden, um den Patienten nicht bereits im Vorfeld zu „verschrecken“. Die Sprache als Kernelement der Wissensvermittlung müsse einfacher gestaltet werden. Auch datenschutzrechtliche Hürden bauen sich auf. Hier müsse dringend klargestellt werden, dass es nicht darum gehe, unvorsichtig mit Daten umzugehen, „sondern im Gegenteil: für Daten zu sensibilisieren“, forderte Martinez.Nicht-Einbindung des Patienten
Luetkens wiederum bemängelte, dass der gesamte Vorgang der Digitalisierung der Medizin „am Patienten vorbeigetragen“ werde. „Die, die sich viel mit der Thematik beschäftigen, müssen dringend aus ihrer Blase raus. Hier mangelt es ganz deutlich an Kommunikation. Wenn die aber einmal stattgefunden hat, glaube ich, dass sehr großes Interesse bestehen wird.“„Die Übersetzung der Befunde in Patienten-gerechte Sprache muss unbedingt passieren“, ergänzte Tischler. „Hier könnte ich mir die Hausärzte vorstellen. Diese Aufklärungsleistung muss aber vergütet werden, pro bono wird das bei der Belastung der Hausärzte nicht funktionieren. Dieses Problem muss unbedingt gelöst werden, da der Patient die ePA nur annehmen wird, wenn er die Informationen auch verstehen kann.“
Martinez ging noch einen Schritt weiter und forderte zudem eine ausführliche und Anwender-freundliche Aufklärung der Ärzteschaft.
Fazit
Die ePA bietet ein immens großes Potential, das anachronistische Chaos aus Zettelwirtschaft, Aufnahmen, Disketten etc. abzubauen und alles zentral zu speichern, doch um dieses Potential auch vollständig ausschöpfen zu können, bedarf es noch an Arbeit. Dazu Luetkens: „Es ist wie der Übergang von der Kutsche zum Auto. Die Technologie ist da, jetzt muss noch die Angst vor dem Neuen überwunden werden. Dreh- und Angelpunkt ist Vertrauen. Es muss gezeigt werden, dass die ePA nicht nur bedeutet, Informationen zu digitalisieren, sondern dass sie dem Patienten einen zentralisierten und, noch viel wichtiger, einen ganz neuen und fundierten, vollständigen Blick in seine Daten gewährleistet.“Tischler schloss sich an, bemerkte aber, dass diese Entwicklung noch eine geraume Zeit in Anspruch nehmen werde: „Bis wir wirklich von kompetentem Umgang sowohl auf Seiten der Ärzte als auch auf Seiten der Patienten sprechen können, wird es sicherlich bis zur Mitte des Jahrzehnts dauern – auch, weil es sicherlich noch neue Features und Überarbeitungen geben wird. Aber wir müssen jetzt anfangen, ganz schnell anfangen, alle Player abzuholen und Wissen zu schaffen. Und das muss auf einer strukturierten Ebene passieren.“
Abschließend verglich Martinez die ePA mit dem Bau eines Hauses: „Der Rohbau steht, wir haben auch schon ein Dach, aber die Zimmer sind alle noch nicht eingerichtet. Bis es soweit ist, wird sicher noch einige Zeit vergehen“.
Trotzdem ist die ePA, bei allen Stolpersteinen, die Zukunft – eine Zukunft, in der sich Arzt und Patient tatsächlich gleichwertig gegenüberstehen und der Patient mündige und selbstbestimmte Entscheidungen treffen kann.
Quelle: Online-Event „ePA: Problemlöser oder Stolperfalle?“, 04.03.2021; Veranstalter: Kry
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