Zuzahlungen für Pflege steigen
Die Pflege im Heim wird immer teurer und teurer. Die selbst zu zahlenden Anteile für Pflegebedürftige und ihre Familien stiegen nochmals deutlich, wie eine am Dienstag vorgelegte Auswertung des Verbands der Ersatzkassen mit Stand zum 1. Juli ergab. Im ersten Jahr im Heim waren demnach im bundesweiten Schnitt 2.548 Euro im Monat fällig – 348 Euro mehr als Mitte 2022. Dabei schlagen höhere Löhne für dringend benötigte Pflegekräfte durch. Aber auch Kosten für Unterkunft, Essen und Trinken gingen nach oben. Und die Belastungen wachsen trotz inzwischen eingeführter Entlastungszuschläge weiter. Forderungen nach einer tiefgreifenderen Finanzreform werden lauter.
In den Zahlungen aus eigener Tasche ist zum einen ein Eigenanteil für die reine Pflege und Betreuung enthalten. Denn die Pflegeversicherung trägt – anders als die Krankenversicherung – nur einen Teil der Kosten. Für Heimbewohner kommen dann noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen in den Einrichtungen hinzu. Ohne die Entlastungszuschläge wären es im Schnitt für alle nun 2.610 Euro pro Monat als gesamte Zuzahlung. Darunter erhöhte sich allein der Eigenanteil für die reine Pflege binnen 12 Monaten um 281 Euro auf durchschnittlich 1.245 Euro pro Monat. Und es sei davon auszugehen, dass er bis Jahresende weiter steigt, warnte der Ersatzkassenverband.
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Erschienen am 28.06.2023 • In der Umfrage sprachen sich 60% tendenziell dafür aus, dass die Pflegeversicherung alle Kosten der Pflege abdecken sollte.
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Die Belastungsdämpfer
Als Kostenbremse gibt es seit 2022 neben der Zahlung der Pflegekasse einen Zuschlag, der mit der Aufenthaltsdauer steigt. Den Eigenanteil nur für die Pflege drückt das im ersten Jahr im Heim um 5%, im zweiten um 25%, im dritten um 45%, ab dem vierten Jahr um 70%. Auch mit dem höchsten Zuschlag gingen die Zuzahlungen aber im Schnitt auf 1.738 Euro im Monat hoch – das waren 165 Euro mehr als zum 1. Juli 2022. Ausgewertet wurden Vergütungsvereinbarungen der Pflegekassen mit Heimen in allen Bundesländern. Die Daten beziehen sich auf Bewohner mit den Pflegegraden 2 bis 5. Insgesamt dürften die Pflegekassen in diesem Jahr wohl mehr als 4 Milliarden Euro für die Entlastungszuschüsse ausgeben, erwartet der Ersatzkassenverband.
Die Kostentreiber
Hintergrund der Kostensprünge sind vor allem höhere Personalausgaben, wie der Verband erläuterte. Denn seit September 2022 müssen alle Einrichtungen Pflegekräfte nach Tarifvertrag oder ähnlich bezahlen, um mit den Pflegekassen abrechnen zu können. Die Vorgabe hatte noch die schwarz-rote Vorgängerregierung auf den Weg gebracht – auch um Pflegekräfte im Beruf zu halten und zu gewinnen. Aber auch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung gingen nach oben: im Schnitt auf nun 888 Euro im Monat, nach 814 Euro Mitte 2022. Dabei gibt es regionale Unterschiede. Alles in allem am teuersten war die Pflege im ersten Jahr im Heim in Baden-Württemberg mit im Schnitt 2.913 Euro im Monat. Am niedrigsten war die Belastung in Sachsen-Anhalt mit 1.994 Euro.
Die Kosten-Zwickmühle
„Wir unterstützen die Maßnahmen für eine faire Bezahlung des Pflegepersonals“, sagte Jörg Meyers-Middendorf, Vertreter des Vorstands beim Ersatzkassenverband. Es könne aber nicht sein, dass stetig steigende Kosten zum Großteil die Pflegebedürftigen schultern müssten. „Wenn der Aufenthalt im Pflegeheim von immer mehr Menschen nicht mehr bezahlt werden kann, läuft etwas gründlich schief.“ Der Linke-Experte Ates Gürpinar mahnte: „Die Beschäftigten und die zu Pflegenden dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“ Der Sozialverband VdK kritisierte: „Steigende Kosten in Pflegeheimen dürfen nicht allein auf die Bewohnerinnen und Bewohner zurückfallen.“
Die ersten Gegenmaßnahmen
Gerade hat der Bundestag eine Reform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beschlossen, die höhere Pflegebeiträge umfasst. Zum 1. Januar 2024 werden aber auch die Entlastungszuschläge erhöht. Der Eigenanteil für die reine Pflege soll so im ersten Jahr im Heim um 15 statt 5% verringert werden, im zweiten Jahr um 30 statt 25%, im dritten um 50 statt 45%, ab dem vierten Jahr um 75 statt 70%. Dies dürfte den Trend nur kurzfristig abmildern, sagte Meyers-Middendorf vom Ersatzkassenverband. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, monierte, dass die Kostenwelle für die Regierung absehbar gewesen sei. „Doch der Tsunami wurde nicht gestoppt.“ Stattdessen komme bald „eine Mini-Entlastung“.
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Erschienen am 17.06.2023 • Der Bundesrat kritisierte zugleich, dass die vorgesehenen Maßnahmen noch nicht ausreichend seien, um die Pflegeversicherung zukunftsfest zu machen. Erhalten Sie hier einen Überblick!
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Die weiteren Forderungen
Es brauche eine nachhaltige Lösung nicht allein auf dem Rücken der Beitragszahler, forderte der Ersatzkassenverband. So müssten die Länder die Investitionskosten der Heime übernehmen. Das würde prompt entlasten – aktuell im Schnitt um 477 Euro im Monat. Der Verband der privaten Krankenversicherung warb für Pflegezusatzversicherungen. Ohne mehr Vorsorge würden Beitragszahler und Bundeshaushalt in der alternden Gesellschaft total überfordert. Patientenschützer Brysch verlangte eine Erhöhung aller Leistungsbeträge um 350 Euro. Und die Pflegeversicherung müsse Kosten der reinen Pflege komplett tragen.
Das Ziel einer Vollversicherung
Die Rufe nach einem solchen Ende aller Zuzahlungen für die reine Pflege werden dringlicher. „Nur ein mutiger Schritt nach vorne für eine nachhaltige Finanzierung kann menschenwürdige Pflege für alle gewährleisten“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Kommen müsse eine Vollversicherung, die alle pflegerischen Kosten übernimmt und von allen finanziert wird. Die Linke und der VdK fordern ebenfalls eine Vollversicherung. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte, in Beratungen sehe man, dass viele Angst hätten, Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Und: „Ein Pflegeplatz im Heim darf nicht arm machen.“