Chikungunya, Zika, Dengue & Co – werden Tropenkrankheiten bald auch in unseren Breitengraden heimisch?
Martin WiehlReise- und Mückensaison fallen in diesen Tagen und Wochen zusammen. Und damit häufen sich neuerdings auch die autochthonen Fälle von Infektionskrankheiten, die man vormals nur auf Reisen in exotische Gefilde erwerben konnte. Ob und wann sich die epidemiologische Lage tatsächlich derart verändert, dass Tropenkrankheiten auch hierzulande heimisch werden, hängt maßgeblich davon ab, welche Verbreitung diejenigen Mückenarten finden, die als Vektoren für die Übertragung der jeweiligen Viren in Frage kommen. Insofern können die bislang noch vereinzelt aufgetretenen autochthonen Krankheitsfälle, wie jüngst im Elsass, sowohl als Warnung als auch als Entwarnung aufgefasst werden.
West-Nil-Fieber als Ausnahme
Solange das Virusreservoir auf bestimmte Mückenarten und den Menschen oder auch Primaten beschränkt bleibt, lässt sich das epidemiologische Geschehen allein durch die Verbreitung der Vektoren sowie die Häufung von Krankheitsfällen beim Menschen erfassen. In dieser Hinsicht stellt das West-Nil-Fieber eine Ausnahme unter den durch Mücken übertragbaren, eher in den Tropen und Subtropen angesiedelten, Infektionskrankheiten dar. Denn das West-Nil-Virus (WNV) infiziert in erster Linie Vögel, darunter eben auch Zugvögel, die es auch in Gebiete am Mittelmeer und in Europa tragen. Zu den Vektoren zählen verschiedene Stechmücken, zuvorderst die insbesondere auch deutschlandweit verbreiteten Culex-Mücken.
Menschen und Pferde stellen allerdings in der allgemeinen WNV-Verbreitung eher Fehlwirte mit nur niedriggradiger Virämie dar, taugen deshalb wenig als Virusquelle für Mücken und sind somit aus evolutionärer Sicht für die Virusverbreitung nicht geeignet. Das Vorkommen von WNV-Erkrankungsfällen über mehrere Jahre zeigt laut Robert Koch-Institut (RKI) an, dass WNV auch in Deutschland überwintert und im Sommer ausreichend günstige klimatische Bedingungen vorfindet: „Es ist damit zu rechnen, dass sich WNV in Deutschland weiter etabliert und es in den kommenden Jahren insbesondere in den schon bestehenden Gebieten vor allem in Ostdeutschland, aber vielleicht auch in weiteren Gebieten, zu einem saisonalen Vorkommen von WNV-Erkrankungsfällen kommen wird [1].“
Vektor-Ausbreitung entlang der Reiserouten
Während beim WNV deutlich wird, dass die starke Verbreitung des Vektors nicht so recht zur Adaptierung des Virus an den menschlichen Wirtsorganismus passt, sieht dies bei den viralen Infektionskrankheiten, die durch die tropischen Aedes (Ae)-Mücken übertragen werden, ganz anders aus. Dabei bleibt die Gelbfiebermücke (Ae aegypti) eher noch auf tropische Gebiete beschränkt. Die asiatische Tigermücke (Ae albopictus) jedoch hat sich aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit an gemäßigtere Klimazonen inzwischen auch in Mitteleuropa breit gemacht.
Das ist keineswegs ganz neu. So hat das Umweltbundesamt (UBA) bereits im August 2017 vor einer Verbreitung der asiatischen Tigermücke als Vektor für verschiedene Viruserkrankungen, darunter insbesondere Chikungunya und Dengue, gewarnt. In diesem Zusammenhang hatte das UBA darauf hingewiesen, dass Ae albopictus schon seit 2011 in den Sommer- und Herbstmonaten regelmäßig im südlichen Bayern und Baden-Württemberg entlang von Reiserouten aus dem Süden kommend anzutreffend ist [2]. Auf einen ähnlichen Zusammenhang macht nun das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems bei Greifswald aufmerksam. So zeigt die aktuelle Verbreitungskarte des Vektors Ae albopictus inzwischen etablierte Populationen entlang des Rheins und der Autobahn A5 [3].
Limitierende Faktoren für autochthone Virusausbreitungen
Als wesentlicher limitierender Faktor für eine autochthone Verbreitung des Chikungunya-Virus (CHIKV) macht sich die Tatsache geltend, dass eine Infektion von Mensch zu Mensch – mit Ausnahme von direkten Blutübertragungen – nahezu ausgeschlossen ist. Hinzu kommt, dass Ae albopictus als Hauptüberträger eine Lebenserwartung von maximal lediglich sechs Wochen hat. Da nur die Weibchen als Blutsauger auftreten, um ihrem Nachwuchs die nötige Proteinzufuhr zu verschaffen, bleiben die Blutmahlzeiten in ihrer Häufigkeit begrenzt. Blut kann schließlich nur einmal die Woche aufgenommen werden – es sei denn, höhere Temperaturen erlauben eine schnellere Blutverdauung und eine beschleunigte Eiproduktion, was unter hiesigen klimatischen Bedingungen aber eher unwahrscheinlich ist.
Viruszirkulation so gut wie ausgeschlossen
Um zusätzlich zu vereinzelten autochthonen Erkrankungsfällen eine regelrechte Viruszirkulation in Gang zu setzen und auch aufrechtzuerhalten, wäre vor diesem Hintergrund ein gewisses Maß an CHIKV-Durchseuchung in einer definierten Region nötig. Denn ohne beständige Aufnahme des Virus aus menschlichem Reservoir würden die infizierten Mücken als einzige Überträger nach und nach aussterben und somit selbst ein endemisches Geschehen wieder beenden. Von einem solchen Szenario ist man allerdings in unseren Breitengraden – ganz im Unterschied zu den verschiedensten Ausbruchgebieten rund um den Globus – meilenweit entfernt.
Zwei Impfstoffe zur Chikungunya-Prophylaxe bei Reisen in Ausbruchsgebiete verfügbar
Bei Reisen in aktuelle CHIKV-Ausbruchsgebiete empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) des RKI im Allgemeinen eine Impfung mit einem der beiden verfügbaren Impfstoffe [4]. Da die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) ihre Sicherheitsüberprüfung der Lebendvakzine soeben mit positivem Votum abgeschlossen hat, steht nun einer Anwendung auch dieses Impfstoffes bei älteren Personen keine Beschränkung mehr im Wege [5]. Berücksichtigt werden sollten allerdings alle Restriktionen, die ohnehin mit dem Einsatz von Lebendimpfungen verbunden sind. Dazu gehören die Kontraindikationen bei Menschen mit Immundefizienz sowie unter Immunsuppression bzw. -modulation.
Quelle:Press Briefing: „Chikungunya, Zika, Dengue & Co.“ am 15.07.25, Veranstalter: Science Media Center
Literatur:
- (1)
RKI: West-Nil-Fieber - West-Nil-Fieber im Überblick, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Themen/Infektionskrankheiten/Infektionskrankheiten-A-Z/W/West-Nil-Fieber/West-Nil-Fieber_Ueberblick.html
- (2)
Umweltbundesamt: Achtung Tigermücke, abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/themen/achtung-tigermuecke
- (3)
Friedrich-Loeffler-Institut: Nationale Expertenkommission „Stechmücken als Überträger von Krankheitserregern“, abrufbar unter: https://www.fli.de/de/kommissionen/nationale-expertenkommission-stechmuecken-als-uebertraeger-von-krankheitserregern/
- (4)
Robert Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 28/2025, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/Epidemiologisches-Bulletin/2025/28_25.pdf?__blob=publicationFile&v=8
- (5)
Ixchiq: temporary restriction on vaccinating people 65 years and older to be lifted, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/news/ixchiq-temporary-restriction-vaccinating-people-65-years-older-be-lifted