Allergien
Susanne Morisch M.Sc.Viele Menschen leiden an Allergien. In Europa sind es mehr als 60 Millionen Menschen, in Deutschland ist jeder Dritte betroffen. Aber was genau ist eine Allergie? Wie entsteht sie? Was sind Risikofaktoren für ihre Entstehung und wie werden sie behandelt? Antworten auf diese Fragen finden Sie in diesem Überblicksartikel.
Was ist eine Allergie?
Eine Allergie ist eine Reaktion des Immunsystems auf eine fremde Substanz, die normalerweise nicht schädlich für den Körper ist. Diese Fremdstoffe werden als Allergene bezeichnet. Es gibt ca. 20.000 verschiedene Allergene, dazu können bestimmte Lebensmittel, Pollen oder Tierhaare gehören. Das Immunsystem hat die Aufgabe, die Gesundheit zu erhalten, indem es schädliche Krankheitserreger erkennt und bekämpft. Dazu greift es alles an, von dem es glaubt, dass es eine Gefahr für den Körper darstellen könnte. Das Immunsystem ist lernfähig und kann im Normalfall gut einschätzen, auf welche Fremdkörper es reagieren muss. Bei einer allergischen Reaktion ist diese Einschätzung jedoch gestört. Sie sind weit verbreitet und lösen einerseits nicht lebensbedrohliche Symptome an Haut, oder Atemwegen aus; ebenfalls möglich sind Magen-Darm-Beschwerden. Allergische Reaktionen können im schlimmsten Fall aber auch in einem anaphylaktischen Schock und Tod münden. Verschiedene Behandlungen – von der symptomatischen Behandlung, bis zur Hyposensibilisierung (spezifische Immuntherapie) – können helfen, Symptome zu vermeiden.
Welche Allergie-Typen gibt es?
Prinzipiell werden vier Allergietypen unterschieden. Als Unterscheidungskriterium werden sowohl der zeitliche Eintritt der allergischen Reaktion als auch die Art und Weise der Immunreaktion herangezogen. Zu den am weitesten verbreiteten Allergieformen zählen Typ I und IV.
Allergie Typ 1: Soforttyp
Was ist eine Allergie Typ I (Soforttyp)?
Eine Typ-I-Allergie entsteht durch die Exposition gegenüber einem Antigen. Die Reaktion auf das Antigen erfolgt in zwei Phasen: der Sensibilisierungs- und der Wirkungsphase. In der „Sensibilisierungsphase“ kommt der Wirt symptomlos mit dem Antigen in Kontakt. Das bedeutetet, dass beim Erstkontakt keine allergische Reaktion erfolgt. Der Allergiker ist nun vorsensibilisiert. Erfolgt anschließend, in der „Wirkungsphase“, erneut ein Kontakt mit dem Antigen, führt das zu einer anaphylaktischen oder atopischen (übersteigerten) Immunreaktion vom Typ I. Die Reaktion tritt bereits innerhalb weniger Minuten auf, weshalb bei Allergie-Typ-I auch vom Soforttyp gesprochen wird. Rund 90% der Allergien zählen zu den sogenannten Soforttyp-Allergien.
Welche Antigenarten sind beim Allergie Typ I beteiligt?
Lebensmittel: Nüsse, Eier, Soja, Weizen, Schalentiere, usw.
Tierische Quelle: Bienen, Wespen, Katzen, Insekten, Ratten, usw.
Umweltfaktoren: Hausstaubmilben, Latex, Pollen, Schimmelpilze, usw.
Medikamenten-induzierte Reaktionen: Antibiotika
Welche Symptome treten bei der Typ I-Allergie typischerweise auf?
Rhinitis
Konjunktivitis
Sinusitis
allergisches Asthma
allergische Hautreaktionen
orales Allergiesyndrom: Lippenschwellung, Haut- und Schleimhautschwellung
Maximalvariante: Anaphylaxie
Allergie Typ II: Zytotoxischer Typ
Was ist eine Allergie vom Typ II?
Die Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ II ist eine antikörpervermittelte Immunreaktion, bei der sich sogenannte Immunkomplexe bilden. Immunkomplexe entstehen durch eine Antigen-Antikörper-Reaktion und bestehen aus IgG-, IgM- oder IgA-Antikörpern und dem reaktionsauslösenden Antigen. Durch Immunkomplexe werden zytotoxische Killerzellen aktiviert, die zur Zerstörung von Zellen, zum Funktionsverlust oder zur Schädigung von Geweben führt. Häufig werden die Beschwerden beim zytotoxischen Typ durch Medikamente ausgelöst. Insgesamt tritt die Typ II Allergie nur selten auf.
Welche Symptome treten bei der Allergie Typ II typischerweise auf?
Anämie
Thrombozytopenie
Agranulozytose
Allergie Typ III: Immunkomplex-Typ
Was ist eine Allergie Typ III?
Bei einer Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ III wird eine anormale Immunreaktion durch die Bildung von Antigen-Antikörper-Aggregaten, den sogenannten „Immunkomplexen“, vermittelt. Sie können sich in verschiedenen Geweben wie Haut, Gelenken, Gefäßen oder Glomeruli ablagern und den klassischen Komplementweg auslösen. Die Komplementaktivierung führt zur Rekrutierung von Entzündungszellen (Monozyten und neutrophile Granulozyten), die am Ort der Immunkomplexe lysosomale Enzyme und freie Radikale freisetzen, was zu Gewebeschäden führt. Die häufigsten Krankheiten, die mit einer Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ III einhergehen, sind die Serumkrankheit, die Post-Streptokokken-Glomerulonephritis, der systemische Lupus erythematodes und die Bauernlunge (Überempfindlichkeitspneumonitis). Das Hauptmerkmal, das Typ-III-Reaktionen von anderen Überempfindlichkeitsreaktionen unterscheidet, ist, dass bei Typ-III-Reaktionen die Antigen-Antikörper-Komplexe im Blutkreislauf gebildet werden, bevor sie sich im Gewebe ablagern. Insgesamt tritt die Typ III Allergie nur selten auf.
Allergie Typ IV: Spättyp
Was ist eine Allergie Typ IV?
Überempfindlichkeitsreaktionen vom Typ IV sind bis zu einem gewissen Grad normale physiologische Vorgänge, die zur Bekämpfung von Infektionen beitragen. Eine Funktionsstörung dieses Systems kann eine Prädisposition für zahlreiche opportunistische Infektionen darstellen. Beschwerden können auch aufgrund dieser Reaktionen auftreten, wenn es zu einer unerwünschten Interaktion zwischen dem Immunsystem und einem Allergen kommt. Eine Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ IV wird durch T-Zellen vermittelt, die eine Entzündungsreaktion gegen exogene oder endogene Antigene hervorrufen. Nach der Antigenexposition kommt es zu einer ersten lokalen Immun- und Entzündungsreaktion, die Leukozyten anlockt. Das von den Makrophagen und Monozyten verschlungene Antigen wird den T-Zellen präsentiert, die daraufhin sensibilisiert und aktiviert werden. Diese Zellen setzen dann Zytokine und Chemokine frei, die Gewebeschäden verursachen und zu Krankheiten führen können. Beispiele für Erkrankungen, die auf Überempfindlichkeitsreaktionen vom Typ IV zurückzuführen sind, sind Kontaktdermatitis und Arzneimittelüberempfindlichkeit.
Wie sind Risikofaktoren für die Entstehung einer Allergie?
Das Risiko, eine Allergie zu entwickeln, steigt, wenn in der Familie Asthma oder Allergien wie Heuschnupfen, Nesselsucht oder Ekzeme vorkommen oder bereits Asthma oder eine andere Erkrankung aus dem atopischen Formenkreis vorliegt.
Welche Symptome können bei einer Allergie auftreten?
Abhängig davon, wie Allergene in den Körper gelangen, können bei einer allergischen Reaktion sehr unterschiedliche Krankheitssymptome ausgelöst werden. Häufig betroffen sind die Haut und Schleimhäute der Atemwege, der Augen und des Magen-Darm-Trakts. Auch Fieber, Müdigkeit und Schlafstörungen können auf eine allergische Reaktion hinweisen. Leichte Hautauschläge bis hin zu lebensbedrohlichen anaphylaktischen Reaktionen sind möglich.
Anaphylaxie
Was ist eine Anaphylaxie?
Einige Allergene, darunter Allergien gegen Lebensmittel und Insektenstiche, können eine schwere Reaktion auslösen, die als Anaphylaxie bezeichnet wird. Die Anaphylaxie ist ein lebensbedrohlicher medizinischer Notfall und kann zu einem Schockzustand führen - dem sogenannten anaphylaktischen Schock.
Welche Anzeichen und Symptome deuten auf eine Anaphylaxie hin?
Bewusstseinsverlust
Blutdruckabfall
Kurzatmigkeit
Hautausschlag
Schwindel
Tachykardie
Übelkeit und Erbrechen
Wie wird eine Allergie diagnostiziert?
Bei der Diagnose einer Allergie werden verschiedene Verfahren eingesetzt, darunter:
Hauttests (Prick/intrakutan): Allergene werden so in die Haut eingebracht, reagieren dort mit mastzellgebundenem IgE und erzeugen eine Entzündungsreaktion. Auf diese Weise kann die Anzahl der IgE-Antikörper geschätzt werden.
Allergen-Provokationstest: Hier wird das vermutete Allergen z. B. intranasal oder durch Eintropfen in das Auge verabreicht. Da es bei einem Provokationstest zu einem anaphylaktischen Schock kommen kann, sollte dieser ausschließlich von einem erfahrenen Allergologen durchgeführt werden.
Wie wird eine Allergie therapiert?
Allergiker sollten in erster Linie den Allergenkontakt vermeiden, z.B. durch den Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel, den Einsatz von Pollenfiltern, Arbeitsschutz (Feinstaubmasken, Abzugshauben). Medikamentöse Therapien, wie z.B. Antihistaminika, Glukokortikoide oder Mastzellstabilisatoren, vermindern und unterdrücken allergische Symptome und werden bei den meisten Allergien eingesetzt. Adrenalin kommt bei anaphylaktischen Reaktionen zur Anwendung, um einen Kollaps des Herz-Kreislauf-Systems zu verhindern.
Wie erfolgt die symptomatische Therapie bei Allergien?
Zur Behandlung akuter Symptome kommen Antihistaminika zum Einsatz. Außerdem können Mastzellstabilisatoren gegeben werden. Zudem stehen zur Behandlung Kortisonpräparate zur Verfügung.
Wie erfolgt die Hyposensibilisierung (= spezifische Immuntherapie) bei Allergien?
Neben der Behandlung der Symptome ist eine spezifische Immuntherapie möglich. Ziel der Therapie ist es, das Immunsystem wieder an bestimmte Allergene zu gewöhnen. Nicht alle Stoffe eignen sich dafür. Eine Hyposensibilisierung kann z.B. durchgeführt werden bei Gräser-, Getreide- und Kräuterpollen, Baumpollen, Hausstaubmilben sowie Wespen- und Bienengift. Dabei werden wöchentlich oder zweiwöchentlich winzige Dosen des betreffenden Allergens gegeben. Die Menge wird schrittweise erhöht. Ist die Höchstdosis erreicht, wird sie in regelmäßigen Abständen (i.d.R. alle vier Wochen) verabreicht. Die Hyposensibilisierung kann subcutan oder sublingual erfolgen.
Häufig gestellte Fragen zum Thema Allergien
Rund um das Thema Allergien stellen sich für Betroffene und Angehörige oft viele Fragen: zur Diagnose, zu Behandlungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit der Erkrankung. In dieser Patient:innen-FAQ finden Sie Antworten auf die häufigsten Fragen.