Elternprogramme gegen Adipositas bei Kleinkindern wirkungslos
Elternbasierte Programme zeigen keine Wirksamkeit zur frühen Vorbeugung von Übergewicht bei Kleinkindern – das ist das zentrale Ergebnis einer jetzt im Fachjournal The Lancet veröffentlichten internationalen Studie. Die groß angelegte Analyse von Daten aus zehn Ländern zeigt: Maßnahmen, die allein auf elterliches Verhalten wie Förderung von gesunder Ernährung oder mehr Bewegung abzielen, beeinflussen das Körpergewicht der Kinder im Alter von zwei Jahren nicht messbar. Prof. Dr. Anna Lene Seidler von der Universitätsmedizin Rostock hatte die wissenschaftliche Leitung der internationalen Forschungskooperation TOPCHILD inne und ist zugleich Seniorautorin der Studie. Die Erstautorin Dr. Kylie Hunter von der University of Sydney war für die praktische Umsetzung der Studie verantwortlich.
Jedes dritte Kind in Deutschland übergewichtig
„Kindliches Übergewicht stellt weltweit eine große Herausforderung dar, allein in Deutschland hat jedes dritte Kind Übergewicht mit lebenslangen gesundheitlichen Folgen", sagt Prof. Dr. Bernd Krause, Dekan und Wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin Rostock. Er zeigt sich erfreut über die enge internationale Zusammenarbeit: „Diese Kooperation ist ein starkes Zeichen für den wissenschaftlichen Austausch über Ländergrenzen hinweg und stärkt den Forschungsstandort Rostock sichtbar im internationalen Raum. Die Ergebnisse dieser Studie sollten weltweit in die Präventionsarbeit einfließen.“
Analyse von fast 29.000 Kindern aus zehn Ländern
Die Studie basiert auf der Analyse von Daten aus 31 Interventionsstudien mit fast 29.000 Kindern aus zehn Ländern. Sie untersuchte elternfokussierte Maßnahmen, die zwischen Schwangerschaft und dem ersten Geburtstag des Kindes ansetzen. Ziel der Programme war es, Eltern zu gesunden Ernährungs-, Schlaf- und Bewegungsgewohnheiten ihrer Kinder zu befähigen.
Familien mit niedrigem Einkommen besonders betroffen
Doch laut Prof. Seidler blieb der Effekt auf das Körpergewicht der Kinder aus: „Die erste Lebensphase ist für viele Familien herausfordernd. Eltern stehen unter enormem Druck, gleichzeitig fehlen ihnen oft Zeit, Ressourcen und stabile Rahmenbedingungen, um gesundheitsförderliche Verhaltensweisen dauerhaft umzusetzen." Besonders betroffen seien Familien mit niedrigem Einkommen. „Sie werden von solchen Programmen seltener erreicht – was bestehende Ungleichheiten sogar verschärfen kann“, erklärt Prof. Seidler.
Strukturelle Lösungen statt Fokus auf Elternverhalten
Die Forschenden der Studie fordern angesichts der Ergebnisse ein Umdenken in der Adipositasprävention: Weg von einer ausschließlichen Fokussierung auf das Verhalten von Eltern – hin zu strukturellen Lösungen, die Lebenswelten von Kindern gesundheitsförderlich gestalten, wie den Zugang zu Grünflächen und gesunden Lebensmitteln. Ein Beispiel dafür, womit sich die Forschenden an der Universitätsmedizin Rostock nun näher befassen, ist der Zugang zu gesundem und bezahlbarem Schulessen. „Eltern leisten viel, aber sie können Übergewicht bei Kindern nicht im Alleingang verhindern", sagt Dr. Kylie Hunter, Erstautorin der Studie. „Wir müssen die Umgebungen verbessern, in denen Kinder essen, lernen und spielen – gesunde Entscheidungen müssen für alle einfacher werden, unabhängig davon, wo sie leben.“
Größte Datensammlung schafft neue Grundlage für Gesundheitsstrategien
Die internationale Zusammenarbeit erfolgte im Rahmen der TOPCHILD-Kooperation mit über 70 Forschenden aus 47 Institutionen. Die Studie stellt mit der bislang größten Datensammlung auf diesem Gebiet eine neue, belastbare Grundlage für evidenzbasierte Gesundheitsstrategien in der frühen Kindheit dar.
Quelle:Universität Rostock