Epigenetische Biomarker ermöglichen Früherkennung von Insulinresistenz im Gehirn
Eine Insulinresistenz des Gehirns, bei der das Organ nicht mehr adäquat auf Insulin reagiert, erhöht das Risiko für Übergewicht, Typ-2-Diabetes und Alzheimer. Forschende des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) in Potsdam-Rehbrücke und Tübingen haben nun im Blut von Menschen ohne Typ-2-Diabetes epigenetische Veränderungen entdeckt, die Rückschlüsse auf die Insulinempfindlichkeit des Gehirns zulassen. Diese Marker könnten künftig die frühe Diagnose einer Insulinresistenz im Gehirn mit einem einfachen Bluttest ermöglichen.
Neue Blutmarker erlauben präzisen Nachweis
Insulin spielt nicht nur im Stoffwechsel des Körpers eine zentrale Rolle, sondern beeinflusst auch kognitive Funktionen, Appetitregulation und Energiehaushalt. Der Nachweis einer Insulinresistenz im Gehirn war bisher aufwendig, da keine geeigneten Biomarker zur Verfügung standen. „Unsere neue Studie zeigt, dass wir aus dem Blut epigenetische Signaturen extrahieren können, die sehr präzise anzeigen, ob das Gehirn noch auf Insulin reagiert oder nicht mehr“, erklärt Prof. Dr. Annette Schürmann vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke.
Maschinelles Lernen identifiziert 540 CpG-Stellen
Um die epigenetischen Marker zu identifizieren, nutzte das Team maschinelles Lernen zur Analyse von DNA-Methylierungsmustern. Untersucht wurden Blutproben von Personen ohne Typ-2-Diabetes, die sich in ihrer Insulinreaktion im Gehirn unterschieden, jedoch ähnliche Werte der peripheren Insulinsensitivität aufwiesen. Die Analyse basierte auf funktioneller Magnetresonanztomographie, metabolischen Daten und epigenetischen Profilen. In einer ersten Kohorte mit 167 Teilnehmenden identifizierten die Forschenden 540 CpG-Stellen, deren Methylierungsmuster eine zuverlässige Unterscheidung zwischen Personen mit und ohne Insulinresistenz erlaubten. Viele dieser Stellen waren mit einem erhöhten Typ-2-Diabetes-Risiko assoziiert. Die Ergebnisse wurden in zwei unabhängigen Kohorten mit 33 und 24 Personen mit einer Genauigkeit von 83 bis 94% bestätigt, unabhängig von Alter oder BMI.
Blut spiegelt zentrale Prozesse im Gehirn wider
Von den 540 CpG-Stellen zeigten 98 eine Korrelation zwischen Blut- und Gehirnmethylierung. Die zugehörigen Gene sind häufig an neuronaler Entwicklung, Synapsenbildung und Signalübertragung beteiligt. Die Forschenden folgern, dass das epigenetische Profil im Blut zentrale Prozesse im Gehirn widerspiegeln kann. Frühere Arbeiten hatten gezeigt, dass Menschen mit neuronaler Insulinresistenz schlechter auf Lebensstilinterventionen ansprechen, mehr viszerales Fett einlagern und häufiger Heißhunger entwickeln – alles Risikofaktoren für Typ-2-Diabetes.
Potenzial für personalisierte Prävention und Therapie
Die nun identifizierten epigenetischen Marker könnten künftig als Screening-Werkzeug dienen, um Risikopatient:innen frühzeitig zu erkennen und gezielt zu behandeln – etwa durch Lebensstiländerungen oder medikamentöse Interventionen. Ziel des Forschungsteams ist es, aus den 540 CpG-Stellen ein standardisiertes Testpanel für die klinische Praxis zu entwickeln. Ob diese Signaturen auch zur Früherkennung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer geeignet sind, soll in weiteren Studien untersucht werden.
Quelle:Deutsches Zentrum für Diabetesforschung
Literatur:
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Kullman S. et al. (2025) Circulating epigenetic signatures classifying brain insulin resistance in humans, Sci Transl Med 2025 6;17(810):eadv7834, DOI: 10.1126/scitranslmed.adv7834.