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Medizin

Ein Forschungsteam der Universität Tübingen analysierte 53 häufig verordnete Wirkstoffe, etwa Antihistaminika, Hormonpräparate oder Antidepressiva. Mithilfe von Laborversuchen an künstlichen und realen mikrobiellen Gemeinschaften wurde untersucht, wie sich diese Substanzen auf die bakterielle Besiedlung im Darm auswirken. Das Resultat: Rund ein Drittel der getesteten Medikamente begünstigte das Wachstum von Salmonellen – typischen Erregern schwerer Durchfallerkrankungen.

Nützliche Bakterien gehemmt, pathogene Keime im Vorteil

In der Analyse zeigte sich, dass viele getestete Medikamente das Wachstum gesundheitsförderlicher Darmbakterien unterdrückten. Gleichzeitig blieben pathogene Keime wie Salmonella Typhimurium weitgehend unbeeinflusst – oder konnten sich sogar besser vermehren. In Tiermodellen spiegelte sich dieser Effekt wider: Mäuse, die bestimmten Medikamenten ausgesetzt waren, entwickelten schneller schwere Infektionen mit ausgeprägten Entzündungen.

Ursache ist laut den Forschenden ein komplexer Störungseffekt: Die Gesamtzahl der Darmbakterien nahm ab, die Vielfalt verringerte sich, und wichtige Konkurrenzmechanismen gingen verloren. Dadurch entfielen natürliche Schutzfaktoren, die das Wachstum krankmachender Keime normalerweise eindämmen.

Diese Effekte können auch bei Medikamenten auftreten, die gemeinhin als gut verträglich gelten. Insbesondere ältere oder immungeschwächte Patient:innen könnten dadurch einem erhöhten Risiko ausgesetzt sein. Die Autor:innen der Studie betonen daher die Notwendigkeit, die Auswirkungen auf das Mikrobiom künftig systematischer zu erfassen – gerade bei Medikamentengruppen mit hohem Einsatz in der klinischen Praxis.

Früherkennung mikrobieller Risiken durch Hochdurchsatz-Analyse

Um potenzielle Risiken für das Darmmikrobiom frühzeitig zu erkennen, hat das Forschungsteam ein neues Hochdurchsatzverfahren entwickelt. Damit lässt sich unter standardisierten Bedingungen testen, wie Medikamente die Widerstandsfähigkeit mikrobieller Gemeinschaften beeinflussen. Das Verfahren ermöglicht es, zahlreiche Wirkstoffe parallel zu analysieren – effizient und reproduzierbar.

Im Fokus stehen insbesondere Arzneimittelklassen wie Antihistaminika, Antipsychotika oder selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren. Auch Medikamentenkombinationen mit potenziellen Interaktionseffekten sollen künftig gezielt geprüft werden. Ziel ist es, kritische Wirkstoffe bereits in präklinischen Phasen zu identifizieren und therapeutische Strategien mikrobiomschonend zu gestalten. Diese Erkenntnisse erfordern ein Umdenken in der Arzneimittelforschung.

„Medikamente sollten künftig nicht nur pharmakologisch, sondern auch mikrobiologisch bewertet werden“, fordert das Team. Denn das Mikrobiom sei ein „integraler Bestandteil unserer Gesundheit“ und müsse entsprechend geschützt und in regulatorische Prüfprozesse einbezogen werden.

Darm

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Quelle:

Eberhard Karls Universität Tübingen

Literatur:

(1)

Grießhammer A et al. (2025) Non-antibiotic drugs disrupt colonization resistance against pathogenic Gammaproteobacteria. Nature, DOI: 10.1038/s41586-025-09217-2

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