Neue S3-Leitlinie zur pAVK: Konservative Behandlungen gestärkt
Minimalinvasive Eingriffe galten lange als Standard bei pAVK. Doch die Regel „endovaskulär first“ ist überholt. Die aktualisierte S3-Leitlinie zur peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) bewertet die Therapie nun differenzierter – abhängig von Beschwerden, Allgemeinzustand und Risiko der Patient:innen. Auch für frühe Erkrankungsstadien wurde das Vorgehen neu justiert.
Gehtraining als Erstmaßnahme
Typisch für das Frühstadium der pAVK sind krampfartige Wadenschmerzen, die beim Gehen auftreten und Patient:innen zum Anhalten zwingen. In dieser Phase empfiehlt die Leitlinie ein strukturiertes Gehtraining, ergänzt durch Lebensstilinterventionen und eine angepasste medikamentöse Therapie über drei bis sechs Monate.
Konkret vorgesehen sind mindestens drei Bewegungseinheiten pro Woche mit jeweils 30 bis 60 Minuten Dauer. Die medikamentöse Basistherapie umfasst ein Statin sowie einen Thrombozytenfunktionshemmer, bevorzugt Clopidogrel. Je nach individueller Situation kann sie um weitere Wirkstoffe ergänzt werden. Bei Symptombesserung soll die konservative Behandlung fortgeführt werden.
Konservative Behandlung im Frühstadium priorisiert
Im Anfangsstadium der pAVK treten operative Maßnahmen in den Hintergrund. Die aktualisierte Leitlinie wertet medikamentöse Therapie, vorbeugende Maßnahmen wie Nikotinverzicht und Gewichtsreduktion sowie vor allem das Gehtraining deutlich auf – im Vergleich zu früheren Empfehlungen mit Fokus auf invasive Verfahren.
Die Kombination aus Bewegungstherapie und Medikation ist auch für asymptomatische Patient:innen mit auffälligem Knöchel-Arm-Index geeignet. Dieser sonografisch erhobene Messwert zeigt Gefäßverengungen an. Ein Wert unter 0,9 gilt als Hinweis auf eine pAVK. Etwa ein Viertel der 45- bis 74-Jährigen ist laut Schätzungen davon betroffen – häufig ohne erkennbare Symptome.
Endovaskuläre und chirurgische Verfahren gleichwertig bei fortgeschrittener pAVK
Nicht in allen Fällen führt die konservative Therapie zu einer Besserung der Beschwerden. Bei ausbleibender Wirkung oder klinischer Verschlechterung kann ein gefäßeröffnender Eingriff erforderlich werden. Laut Leitlinie sind endovaskuläre und chirurgische Verfahren dabei als gleichwertig einzustufen – insbesondere im fortgeschrittenen Stadium der pAVK.
Frühere Annahmen, wonach minimalinvasive Eingriffe mit geringeren Risiken verbunden seien, gelten als überholt. Die Sterblichkeit unterscheidet sich nicht wesentlich zwischen den Verfahren, da sie vorrangig durch bestehende Grunderkrankungen der Patient:innen beeinflusst wird – weniger durch die gewählte Technik.
Frailty-Assessment vor Therapieentscheidung sinnvoll
Für hochbetagte oder gebrechliche Patient:innen mit Multimorbidität kann ein operativer Eingriff mehr schaden als nützen. Besonders bei älteren Menschen mit kognitiven Einschränkungen besteht das Risiko, dass sich der körperliche und mentale Zustand nach einer Intervention verschlechtert – unabhängig von der Anästhesie. Die Leitlinie weist darauf hin, dass die Belastung des Eingriffs selbst eine Reihe ungünstiger Reaktionen auslösen kann, die unter anderem mit dem Fortschreiten von Demenzen in Zusammenhang stehen. Bei stark eingeschränkter Mobilität, etwa bei bettlägerigen Patient:innen, kann deshalb eine rein konservative Behandlung die bessere Option darstellen.
Bei der Frage, ob ein invasives Vorgehen vertretbar ist, empfiehlt die Leitlinie die systematische Erfassung des Gebrechlichkeitsgrades mittels Frailty-Assessment. Wird dabei eine altersbedingte Muskelschwäche festgestellt, kann eine gezielte Prähabilitation helfen, den körperlichen Zustand vor einem Eingriff zu stabilisieren – etwa durch leichte körperliche Übungen und hochkalorische Ernährung.
Ist eine Intervention aufgrund erheblicher Gebrechlichkeit nicht sinnvoll, stehen palliative Maßnahmen im Vordergrund. Ziel ist es dann, durch adäquate Schmerztherapie und professionelle Wundversorgung die Lebensqualität der Patient:innen zu erhalten.
Quelle:Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG)
Literatur:
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S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, abrufbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/065-003, letzter Zugriff 07. Juli 2025.