Seltene Komplikation: Brustentzündung durch Scharlach-Übertragung
Stillen ist das Beste fürs Kind – darüber ist sich die Wissenschaft einig. Eine Scharlach-Erkrankung des Säuglings kann dann allerdings ein Infektionsrisiko für die Mutter darstellen. Die auslösenden Bakterien, Streptokokken, können vom Mund des Babys in die mütterliche Brust gelangen. „Durch Aufklärungsarbeit möchten wir die Aufmerksamkeit für dieses seltene, aber potentiell gefährliche Krankheitsbild erhöhen, und Verunsicherungen beim Stillen durch ein einfaches Vorgehensschema vermeiden“, erklärt die plastische Chirurgin Dr. Sonja Dahmann – und hat als Erstautorin das Thema erstmals wissenschaftlich aufgearbeitet [1].
Seltene, aber gefährliche Folge: Brustentzündung nach kindlichem Scharlach
Zusammen mit anderen Forschenden, darunter aus dem UKM-Brustzentrum, hat Dr. Sonja Dahmann, Funktionsoberärztin der Klinik für Plastische Chirurgie am UKM (Leitung Univ.-Prof. Dr. Tobias Hirsch), einen klinikeigenen Fall beschrieben, bei dem der kindliche Scharlach zu einer lebensbedrohenden Brustentzündung der Mutter geführt hat. Ihre erstmalige intensive wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Themas basierte auf einer vollständigen Literaturanalyse – bei der weltweit sechs weitere Fälle gefunden wurden – und auf dem intensiven Austausch Dr. Joke Tio und Dr. Carl Opitz aus dem Brustzentrum des UKM sowie dem Referenzzentrum für Streptokokken der Universität Aachen. „Wir wollten mit unserer Forschung vor allem einen Beitrag zur Frauengesundheit leisten, einem Medizinbereich, der auch heute noch wissenschaftlich unterrepräsentiert ist. Durch das Beleuchten der Erregerübertragung beim Stillen möchten wir aber keinesfalls vom Stillen entmutigen. Durch die Öffentlichkeitsarbeit erhoffen wir aber, auch niedergelassene Kinder-, Haus- und Frauenärztinnen und -ärzte auf einen Zusammenhang aufmerksam machen, der bisher so nicht bekannt war“, so Dr. Sonja Dahmann.
Toxisches Schock-Syndrom durch Streptokokken
Im Frühling 2023 hat das Team eine stillende Mutter behandelt, die mit einer lebensbedrohlichen Streptokokken-Infektion der Brust mit Blutvergiftung und Multi-Organversagen notfallmäßig ans UKM überwiesen wurde. „Medizinisch sprechen wir von einem Streptokokken-induzierten toxischen Schock-Syndrom, kurz STSS“, so Dr. Dahmann. „Ungefähr die Hälfte der Erkrankten überleben eine solche Infektion nicht“, erläutert Dr. Dahmann den ernsten Zustand der damals 35-jährigen, ansonsten gesunden Frau: „Die Frau wurde in kritischem Zustand aus einem anderen Krankenhaus übernommen, das unsere Expertise angefragt hatte. Streptococcus pyogenes, der Erreger von Scharlach, fand sich in der zu großen Teilen abgestorbenen Brust. Aufgrund der schweren Infektion musste insgesamt viermal operiert werden. Die intensivmedizinische Behandlung, Antibiotikatherapie und operative Versorgung retteten schließlich das Leben der Patientin. Im letzten Eingriff haben wir die Brust wiederhergestellt.“
Forscher:innen entwickeln praktisches Schema für Ärzt:innen bei scharlachkranken Säuglingen
Der Umgang mit dem Erreger Streptokokkus pyogenes ist in den Hygiene-Leitlinien für medizinische Personal mit besonderen Vorsichtsmaßnahmen gekennzeichnet. Diese Vorgaben beruhen auf der hohen Ansteckbarkeit und den bakterienspezifischen Eigenschaften schnell und zerstörend in Gewebe eindringen zu können. Bei scharlachkranken Säuglingen sei aber bisher offenbar niemandem bewusst gewesen, dass durch den Stillvorgang die Erreger vom Kind auf die Mutter übertragen werden können – mit den oben beschriebenen Folgen. Die Forscher:innen geben den behandelnden Ärzt:innen in ihrer Veröffentlichung einen Leitfaden an die Hand, der bislang international gefehlt hat. „Wir haben gemeinsam mit allen beteiligten Experten ein einfaches Schema vorgeschlagen, wie man im Falle einer Scharlacherkrankung des Säuglings vorgehen kann. Bei typischen Anzeichen für Scharlach – Erdbeer-rote Zunge und Rachen, Fieber und Abgeschlagenheit – ist ein Schnelltest beim Kinderarzt sinnvoll. Wenn Scharlach bestätigt wird, erhält der Säugling umgehend eine antibiotische Behandlung. In den ersten 24 Stunden der Antibiotikatherapie wird das Stillen unterbrochen und das Kind z.B. mit abgepumpter Muttermilch gefüttert. Danach kann mit minimiertem Risiko das Stillen fortgesetzt werden. Natürlich bedarf es klinischer Studien, um das Schema zu bewerten. Wir hoffen durch unsere Veröffentlichung ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen und Folgestudien anzuregen“, schließt Dr. Dahmann.
Quelle:Universitätsklinikum Münster (UKM)
Literatur:
- (1)
Dahmann S et al. Lancet (2025). DOI: https://doi.org/10.1016/S1473-3099(25)00088-X