Weltweite Studie zeigt unterschiedliche Akzeptanz von KI in der Medizin
Wie Ärzt:innen zu künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin stehen, wurde vielfach untersucht. Aber was denken Patient:innen? Ein Team um Forschende der Technischen Universität München (TUM) hat das erstmals in einer großen Studie auf sechs Kontinenten untersucht. Zentrales Ergebnis: Je schlechter der eigene Gesundheitszustand, desto eher wird der Einsatz von KI abgelehnt. Die Studie soll dabei helfen, künftige Anwendungen der KI in der Medizin stärker an die Bedürfnisse der Patient:innen anzupassen.
Rund 14.000 Patient:innen in 43 Ländern befragt
Um KI in der Medizin effektiv einzusetzen ist Akzeptanz durch Patient:innen unverzichtbar, unabhängig davon, ob KI als Diagnosewerkzeug, um individuelle Behandlungspläne zu erstellen oder für sonstige Anwendungen eingesetzt wird. Das internationale Forschungsnetzwerk der COMFORT-Studie hat deswegen rund 14.000 Patient:innen in 74 Kliniken in 43 Ländern befragt. Um eine breite Krankheitsvielfalt abzubilden, erfolgte die Rekrutierung in Radiologieabteilungen, die im Auftrag anderer Fachdisziplinen Röntgen-, CT- und MRT-Untersuchungen durchführen.
Mehrheit befürwortet KI-Einsatz
Eine Mehrheit von 57,6% sah den Einsatz von KI in der Medizin grundsätzlich positiv. Innerhalb der Kohorte zeigen sich jedoch Unterschiede. Männer wiesen mit 59,1% Zustimmung eine etwas positivere Haltung als Frauen mit 55,6% auf. Mit höherer Technikaffinität und höherem selbsteingeschätzten Verständnis von KI stieg die Zustimmung deutlich. Unter den Befragten, die angaben, viel über KI zu wissen, beurteilten 83,3% deren Einsatz in der Medizin grundsätzlich positiv.
Negative Sicht auf KI bei schwerer Erkrankung
Je schwerer die eigene Erkrankung war, desto ablehnender war auch die Haltung zu KI. Mehr als die Hälfte Patient:innen mit sehr schlechtem Gesundheitszustand sahen Medizin-KI „sehr negativ„ oder „eher negativ“ (26,6% bzw. 29,2%). Unter den Befragten mit sehr gutem Gesundheitszustand lagen diese Werte dagegen bei 1,3 und 5,3%. „Die exakten Gründe für die negativen Haltungen bei schwer Erkrankten lassen sich aus unserer Studie nicht ablesen“, sagt Dr. Felix Busch, Assistenzarzt am Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie der TUM und Erstautor der Studie. „Wir vermuten, dass hier Erfahrungen mit dem jeweiligen Gesundheitssystem, die Krankheitslast und psychologische Faktoren eine Rolle spielen.“
Nachvollziehbarkeit von Medizin-KI entscheidend
Unter den Befragten gab es klare Präferenzen in Bezug auf den Einsatz und die Gestaltung von KI-Anwendungen. Für 70,2% war es wichtig, dass Medizin-KI „erklärbar“ ist, das heißt, dass ihre Ergebnisse nachvollziehbar sind. 72,9% wünschten sich, dass die Technologien als Werkzeuge eingesetzt werden und die letztendliche Entscheidung bei Ärzt:innen liegt. Diagnosen, die ausschließlich von KI getroffen werden, befürworteten nur 4,4%. Allerdings wollten zugleich nur 6,6%, dass Diagnosen vollständig ohne KI gestellt werden. Die Fragen bezogen sich auf hypothetische Szenarien, in dem Mensch und Maschine gleichermaßen präzise Diagnosen stellen. „Die Ergebnisse zeigen, dass Erklärbarkeit von Anfang an mitgedacht werden muss“, so Dr. Busch.
Grundlage für weitere Studien
Eine methodische Einschränkung ist der Erhebungszeitpunkt im Jahr 2023. „Seitdem haben sich insbesondere Large Language Models stark weiterentwickelt. Die Einstellungen von Patient:innen könnten sich verändert haben“, sagt Privatdozent Dr. Keno Bressem, gemeinsam mit Privatdozentin Dr. Lisa Adams Letztautor der Studie. „Um das zu prüfen und die Entwicklung von Medizin-KI am Bedarf der Patient:innen auszurichten, sind Folgebefragungen erforderlich“, ergänzt Dr. Adams. Eine Folgestudie des COMFORT-Konsortiums auf Grundlage des gleichen Fragebogens läuft bereits.
Quelle:Technische Universität München
Literatur:
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Busch F et al. (2025) Multinational Attitudes Toward AI in Health Care and Diagnostics Among Hospital Patients. JAMA Network Open, DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2025.14452