Journal MED
Medizin

Endotheliale Vorläuferzellen – Schlüsselakteurinnen bei der Anpassung des Gefäßsystems

Endotheliale Vorläuferzellen zirkulieren im Blut und tragen zur Reparatur sowie zur Neubildung von Blutgefäßen bei. ECFCs stellen eine Untergruppe dar, die – aus dem Blut isoliert – in der Zellkultur charakteristische Kolonien bildet. Während ihre diagnostische und therapeutische Bedeutung im Bereich von Herz-Kreislauf-Erkrankungen intensiv erforscht wird, ist über ihre Rolle in der Schwangerschaft bislang wenig bekannt.

In der nun veröffentlichten Studie untersuchte die Erstautorin Marie-Therese Weiser-Fuchs ECFCs aus dem Blut gesunder Frauen in drei unterschiedlichen physiologischen Stadien: nicht-schwangere Frauen, Frauen in der Frühschwangerschaft und Frauen in der Spätschwangerschaft. Die Proben wurden unter anderem im Rahmen der PregWin-Kohortenstudie gewonnen, das es ermöglicht, komplexe Veränderungen im Schwangerschaftsverlauf vorausschauend zu untersuchen.

Zellwachstum und Zellform – deutliche Unterschiede je nach Schwangerschaftsstadium

„Bei der Kultivierung der ECFCs zeigten sich deutliche Unterschiede im Zellwachstum, je nachdem, in welcher Schwangerschaftsphase die Zellen isoliert wurden. In der Spätschwangerschaft war die Erfolgsrate der ECFC-Isolierung mit 61% am höchsten und es entstanden auch mehr Zellkolonien pro Milliliter Blut“, führt Weiser-Fuchs ihre Forschung aus. Zudem benötigten ECFCs aus der Spätschwangerschaft weniger Zeit bis zur Koloniebildung und Ausbildung eines sogenannten konfluenten Monolayers, also einer vollständigen Bedeckung der Wachstumsfläche durch die kultivierten Zellen, was auf eine gesteigerte Mobilisierung und schnelleres Wachstum von ECFCs in diesem Stadium hindeutet.

Mikroskopisch zeigten sich je nach Schwangerschaftsstatus deutliche Unterschiede in der Form der Zellen: Während die ECFCs nicht-schwangerer Frauen eine spindelförmige, verlängerte Form aufwiesen, dominierten bei schwangeren Frauen, besonders in der Spätschwangerschaft, rundere, vieleckige Zellformen. Diese Unterschiede könnten für ihre Funktion bedeutend sein, beispielsweise als Hinweis auf unterschiedliche Aktivierungszustände oder eine Art „zelluläres Gedächtnis“ an die Umgebung.

Stoffwechsel, Entzündung und fötales Geschlecht beeinflussen ECFC-Verhalten

Darüber hinaus zeigten sich signifikante Zusammenhänge zwischen dem Wachstum von ECFCs und metabolischen sowie entzündlichen Parametern: Eine stärkere Koloniebildung war mit erhöhten Lipidwerten (Cholesterin, Triglyceride) und Entzündungsmarkern (IL-6, E-Selectin) assoziiert. Diese Ergebnisse legen nahe, dass ECFCs nicht nur durch lokale Reize in den Blutgefäßen, sondern auch durch systemische Faktoren beeinflusst werden.

„Besonders interessant war der Einfluss des fötalen Geschlechts: In der Frühschwangerschaft gelang die Isolierung von ECFCs aus mütterlichem Blut häufiger, wenn die Frau ein Mädchen erwartete. In der Spätschwangerschaft hingegen war eine höhere ECFC-Aktivität mit männlichen Feten assoziiert. Dieser bisher nicht beschriebene Zusammenhang deutet auf eine geschlechtsspezifische Steuerung des mütterlichen Gefäßsystems hin, die möglicherweise durch Unterschiede im plazentaren Sekretom vermittelt wird“, erklärt Weiser-Fuchs. Das plazentare Sekretom bezeichnet die Gesamtheit an Stoffen, die von der Plazenta abgegeben werden.

Weiter erklärt die Forscherin: „In unsere Analysen haben wir auch eine kleine Gruppe von Frauen mit Gestationsdiabetes eingeschlossen. Bei ihnen zeigte sich eine deutlich gesteigerte ECFC-Koloniebildung im Vergleich zu gesunden Kontrollschwangerschaften. Dies könnte auf eine kompensatorische (also ausgleichende) Aktivierung des Reparatursystems der Gefäße hinweisen.“ Die Daten liefern somit neue Anhaltspunkte für das Verständnis von Anpassungsmechanismen des Blutgefäßsystems in Risikoschwangerschaften.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema:

S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Endometriose“ aktualisiert

Jetzt lesen
Quelle:

Medizinische Universität Graz

Literatur:

(1)

Weiser-Fuchs M T et al. J Physiol. (2025). DOI: 10.1113/JP288038

Stichwörter