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Schwerpunkt Juli 2023
Weiße Flecken muss man nicht verstecken

Nur keine Scham – Vitiligo ist kein Lifestyle-Problem

von Dr. rer. nat. med. habil. Eva Gottfried

Nur keine Scham – Vitiligo ist kein Lifestyle-Problem
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Bei einer Vitiligo entwickeln sich helle, klar begrenzte Flecken auf der Haut. Diese sind nicht ansteckend und kein kosmetisches Problem, sondern Zeichen einer Pigmentstörung, die auch Weißfleckenkrankheit genannt wird. Die chronische Autoimmunerkrankung kann in jedem Lebensabschnitt auftreten und ist derzeit nicht heilbar. Viele Betroffene, darunter auch Jugendliche und junge Erwachsene, sind stark psychisch belastet und empfinden das Angleichen der Hautfarbe oft als wichtigstes Behandlungsziel.
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Optische Symptome der Vitiligo: weiße Flecken, häufig an Hand, Gesicht und Achseln

Bei einer Vitiligo richtet sich das körpereigene Immunsystem gegen Pigmentzellen der Haut (Melanozyten), die das bräunliche Pigment Melanin bilden. Werden die Pigmentzellen im Laufe der Erkrankung zerstört, kommt es zu hellen bis weißen, deutlich abgegrenzten Flecken, die als Vitiligo-Läsionen bezeichnet werden. Die Stellen sind besonders anfällig für Sonnenbrand; nur gelegentlich tritt Juckreiz auf.
 
 

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Wo die depigmentierten Flecken zuerst auftreten und wie deutlich sie sichtbar sind, ist individuell sehr unterschiedlich; prinzipiell können alle Körperteile betroffen sein. Typisch sind Hand- und Fingerrücken, Augen- und Mundregion, Achselbereich sowie Knie und Ellenbogen. Darüber hinaus sind häufig die Hautregionen um Bauchnabel, Leisten und Genitalien sowie Darmausgang betroffen. Manchmal finden sich nur vereinzelt kleine Punkte oder Flecken, häufig werden die Flecken im Laufe der Zeit größer und fließen ineinander. Sehr selten kommt es zur kompletten Entfärbung der Haut, einer sog. generalisierten Vitiligo. Auch wenn die Haut entfärbt ist, können die Haare an den entsprechenden Stellen weiterhin ihre Farbe tragen.

Vitiligo ist eine Pigmentstörung

Helle Flecken auf der Haut sind nach einer Verletzung nichts Ungewöhnliches. Hier bildet sich die Haut neu und die Farbe gleicht sich nach und nach an. Insbesondere im Bereich von Narben kann dies auch länger dauern.  Bleiben die Flecken aber dauerhaft und werden größer, besteht Verdacht auf eine Vitiligo, die zu den Pigmentstörungen zählt.
 
 

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Diagnostik der Vitiligo: Woodlicht-Lampe, Stanzbiopsie, Laboruntersuchungen

Zur Untersuchung wird häufig eine Woodlicht-Lampe (364 nm) im abgedunkelten Raum genutzt. In ihrem Licht erscheinen depigmentierte Vitiligo-Läsionen als bläulich-weiß leuchtende Flecken mit scharfer Begrenzung. Mithilfe des speziellen Lichts können auch Vitiligo-Flecken erkannt werden, die sich gerade erst entwickeln und bei Tageslicht noch nicht sichtbar sind. Das Ergebnis der Untersuchung wird per Fotos dokumentiert, um so den Verlauf verfolgen zu können. In wenigen Fällen bedarf es auch einer Gewebeentnahme (Stanzbiopsie) zur histologischen Untersuchung der Haut.  
Darüber hinaus werden oft auch eine Reihe von Laboruntersuchungen durchgeführt, um andere Erkrankungen auszuschließen. Die auf den ersten Blick harmlos erscheinende Vitiligo tritt nämlich häufig gepaart mit anderen Autoimmunerkrankungen auf, wie autoimmune Schilddrüsenerkrankungen (Autoimmunthyroiditis), perniziöse Anämie, Diabetes Typ1 oder Alopecia Areata (kreisrunder HaarausfalI).

Auch Kinder und Jugendliche können an Vitiligo erkranken

Die Vitiligo ist eine chronische Erkrankung, die häufig voranschreitet und derzeit nicht heilbar ist. Sie kann in jedem Lebensabschnitt beginnen und in unterschiedlich starker Ausprägung auftreten. Tritt die Erkrankung schon im Kindesalter, bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen zwischen 10 und 30 Jahren auf, handelt es sich häufig um eine nichtsegmentale Vitiligo (NSV), die beide Körperhälften betrifft.  Bei einer segmentalen Vitiligo (SV) ist dagegen nur eine Körperhälfte betroffen. Die Unterscheidung ist für die Therapie und Prognose wichtig, weil je nach Ausprägung der Flecken unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten infrage kommen. Für die Therapiewahl sind auch der Hauttyp und das Ausmaß der Flecken wichtig, sowie die Frage, ob Familienangehörige an Vitiligo leiden. Wichtig sind auch die Erwartungen der Betroffenen und ihre Beteiligung an der Therapiewahl, was ihr Gefühl der Hilflosigkeit mildern kann. 
 
 

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Wie kann man die Hautfarbe bei Vitiligo angleichen?  

Viele Betroffene wünschen sich vor allem eine gleichmäßigere Hautfarbe. Für ein Abdecken oder Bräunen der betroffenen Stellen gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die zwar die Erkrankung als solche nicht behandeln, aber das Äußere verändern und so das Wohlbefinden bessern können:  
 
  • Camouflage der Flecken durch wasser- und abriebfeste, abdeckende Make-ups
  • Bräunungscremes
  • Betacarotin-Tabletten zur leichten Orangefärbung der Haut
  • Sonnenschutz, um den Farbunterschied zu begrenzen

Medikamentöse und operative Optionen bei Vitiligo

Neben dem reinen Abdecken oder Angleichen der Hautfarbe werden verschiedene Therapieformen in Betracht gezogen, von lokaler medikamentöser Therapie in Form von Cremes, systemischer Medikamenteneinnahme, Lichttherapien (Phototherapien) bis Gewebetransplantation. Einige davon sind nur begrenzt an bestimmten Stellen anwendbar oder bisher nur für andere Erkrankungen zugelassen, weil die Wirksamkeit bei Vitiligo noch nicht ausreichend belegt ist. Lediglich die Substanz Ruxolitinib ist derzeit in der Europäischen Union zur Unterstützung der Repigmentierung bei nichtsegmentaler Vitiligo auf dem Markt zugelassen. Bei allen Therapien sind auch die Nebenwirkungen insbesondere beim Einsatz im Gesicht gut abzuwägen.  

Vitiligo-Form bestimmt die Therapie    

Wenn weniger als 3% der Körperoberfläche betroffen sind (limitierter Befall), werden häufig Kortikosteroid-haltige Cremes (topische Kortikosteroide, TCS Klasse III und IV) eingesetzt. Sie gelten als besonders wirksam im Bereich von Gesicht und Hals, insbesondere bei dunklen Hauttypen und neu aufgetretenen Veränderungen. Allerdings können Nebenwirkungen wie geweitete Blutgefäße, übermäßiger Haarwuchs und Hautentzündung (Dermatitis) gerade im Gesichtsbereich als besonders störend empfunden werden.  

Calcineurin-Inhibitoren bei Vitiligo bedingt einsetzbar

Bei begrenzter Erkrankung können auch Salben oder Cremes mit Calcineurin-Inhibitoren wie Tacrolimus oder Pimecrolimus in Betracht gezogen werden. Weil die Substanzen bisher nur für Neurodermitis zugelassen sind, können sie bei Vitiligo nur bedingt eingesetzt werden. Wie bei Kortikosteroid-Cremes sind Effekte erst nach längerfristiger, teils monatelanger Anwendung zu erwarten.

Ruxolitinib zur Repigmentierung bei Vitiligo

Eine Creme mit der Substanz Ruxolitinib ist derzeit die einzige, für bestimmte Vitiligo-Patient:innen in der EU zugelassene medikamentöse Therapie mit dem Ziel, die Hautfärbung wieder herzustellen (Repigmentierung). So ist der JAK-Signalweg-Hemmer ab dem 12. Lebensjahr bei nichtsegmentaler Vitiligo zugelassen, wenn maximal 10% der Körperoberfläche betroffen sind, insbesondere auch das Gesicht.

Gewebetransplantation bei Vitiligo

Neben den lokal angewendeten Substanzen kann auch die Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten wie Kortison zur Hemmung der überschießenden Immunreaktion in Betracht gezogen werden. Einzeltherapien sowie Kombinationen mit nicht-medikamentösen Therapien wie Lichttherapie (Phototherapie) werden ebenfalls untersucht. Bei stabiler, d.h. nicht voranschreitender und auf einzelne Stellen begrenzter Vitiligo wird teils auch eine Gewebetransplantation in Betracht gezogen.

Schmalband-UV-B-Bestrahlung gegen Vitiligo

Ist bei sehr großflächigen Flecken eine äußerlich anzuwendende Therapie nicht möglich, oder handelt es sich um eine stark voranschreitende (progrediente) Vitiligo, kann eine Schmalband-UV-B-Bestrahlung (Narrow Band Phototherapy, UVB 311 nm) in Betracht gezogen werden. Mithilfe dieser Ganzkörperbestrahlung über mehrere Monate hinweg wird versucht, die Entzündung und Zerstörung der Pigmentzellen zu verringern und die Erkrankung erst einmal zu stoppen. In einigen Fällen wird auch Lichttherapie mit 308 nm Excimer-Laser sowie Blitzlichtbehandlung (Intensed Pulse Light, IPL) mit hochenergetischem Licht getestet, um das betroffene Gewebe noch gezielter und effektiver zu erreichen.  
Wie bei jeder Behandlung, müssen auch bei Lichttherapie Nutzen und Risiken gut abgewogen werden, nicht zuletzt, weil sie das Risko bergen, selbst Vitiligo-Läsionen hervorzurufen (Köbner-Phänomen). Das Risiko, dass sich aufgrund einer Vitiligo-Bestrahlung ein nicht-melanozytärer Hautkrebs (NMSC) entwickelt, ist nach bisheriger Erkenntnis nur gering.

Ursachen der Vitiligo – von genetisch bis Umweltfaktoren

Die Ursachen der Vitiligo sind bisher nur in Ansätzen bekannt. Die Erkrankung basiert auf Autoimmunprozessen, bei denen sich körpereigene Immunzellen gegen Pigmentzellen richten und so die Melaninbildung stören. Als Auslöser werden u.a. genetische Faktoren diskutiert, die möglicherweise durch Umweltfaktoren verstärkt werden, wie starkes Sonnenlicht und Sonnenbrand insbesondere bei Kindern, entzündliche Erkrankungen, Kontakt mit Chemikalien sowie Verletzungen. Bei Erwachsenen gehen häufig belastende Lebenssituationen den ersten Hautveränderungen voran. Insgesamt sind die Ursachen noch nicht abschließend geklärt.

Vitiligo führt häufig zu psychischer Belastung

Auch wenn eine Vitiligo nicht ansteckend und nicht auf mangelnde Hygiene zurückzuführen ist, sind etliche Patient:innen immer wieder von Ausgrenzung und Mobbing betroffen. Aufgrund dieser Stigmatisierung leiden sie häufig an Schlaf- und Angststörungen, Vermeidungsverhalten oder Beziehungsproblemen. Viele beschäftigen sich verstärkt mit ihrem Äußeren, und auch Kinder und Jugendliche leiden besonders unter abweisenden Reaktionen anderer. Nachdem mehr als ein Drittel aller Vitiligo-Patient:innen an mittelschweren bis schwere Depressionen leiden, ist die psychosoziale Betreuung ein wichtiger Baustein der Therapie.   

Informationen und Hilfe für Patient:innen bei Vitiligo

Weiterführende Informationen und Unterstützung erhalten Betroffene bei Ärzti:nnen, Selbsthilfegruppen und Verbänden, wie Vitiligo Bund und InmeinerHaut.
Literatur:

(1) Böhm, M., Schunter, J.A., Fritz, K., Salavastru, C., Dargatz, S.,  Augustin, M.,  Tanew, A., DDG: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, Volume 20, Issue 3, 2022, S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Vitiligo
(2) Erbe, B., Vitiligo ist nicht nur ein kosmetisches Problem, pta-Forum, Pharm. Ztg., 2022
(3) Vitiligo-Bund.
(4) In meiner Haut: Initiative gegen Stigmatisierung.


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