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Schwerpunkt April 2023

Trans* – das sollten Allgemeinärzte wissen

von Dr. rer. nat. Carola Göring

Trans* – das sollten Allgemeinärzte wissen
© Pixel-Shot - stock.adobe.com
Im medizinischen Alltag reicht das Lehrbuch nicht aus. Man muss die Lebensrealität der Menschen kennen, um richtige Diagnosen zu stellen und gute Behandlungen zu verordnen. Ein noch relativ unbekanntes Wesen in den Praxen heißt Trans*.

Behandlung von Trans-Menschen erfordert fundiertes Hintergrundwissen

In der Öffentlichkeit und den Medien wird viel über Trans* berichtet und teilweise sehr polarisierend diskutiert. Das reicht auch in die Medizin hinein, die Trans-Menschen lange pathologisiert hat. Vielen Ärzt:innen ist weder das Phänomen Transidentität, noch die Lebenswelt dieser Menschen bekannt, sagt PD Dr. med. Livia Prüll, die an der Universitätsmedizin Mainz das Wahlpflichtfach „Transidentität“ unterrichtet. Sie wissen nicht, wie sie (be)handeln sollen, ihnen ist jedoch bewusst, dass sie vieles falsch machen können. Aufgrund dieses fehlenden Hintergrundwissens können Ratlosigkeit bis hin zu Ängsten entstehen. Leider ist es häufig der Fall, weiß Prüll, dass man als Trans-Mensch die Hausärztin oder den Hausarzt erst mal über Transidentität aufklären muss. Daher ist es wichtig, dass Kolleg:innen, vor allem im hausärztlichen Bereich Tätige wissen, wie die Lebenswelten von Trans-Menschen aussehen können.

>>>Hören Sie dazu auch unseren Podcast „GenderMed – Geschlechter-sensible Medizin“!<<<

Begriffsklärung Transidentität

Menschen sind transident, wenn das gefühlte Geschlecht anders ist als das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht. Hier können 3 Gruppen unterschieden werden:  
  1. Transfrauen (oder Transmädchen) wurden bei der Geburt dem männlichen Geschlecht zugeordnet,
  2. Transmänner (oder Transjungen) wurden bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet,
  3. non-binäre Menschen können oder wollen sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen und bilden somit ein drittes Geschlecht. Diese Gruppe wird immer stärker, vor allem unter Jugendlichen und jüngeren Menschen – und wird damit in der Medizin auch zunehmend sichtbarer und diskutiert.

Crossdressing bei Trans-Menschen

Die Lebenswelten von Trans-Menschen können sehr unterschiedlich aussehen, erläutert Prüll, und verdeutlicht dies an einigen Beispielen. So haben transidente Menschen zum Beispiel unterschiedliche Strategien, wie sie ihr gefühltes Wunschgeschlecht leben wollen und können: Sie machen „Crossdressing“, ziehen sich dem Wunschgeschlecht entsprechend an und stylen sich. Das können sie einmal im Jahr tun und dazu weit weg fahren, also sich ganz im Geheimem ausleben oder sie machen es jeden Tag öffentlich nach der Arbeit, oder ... .

Therapien zur körperlichen Veränderung bei Trans-Menschen

Einige lassen körperliche Veränderungen durchführen, durch Therapien mit beispielsweise gegengeschlechtlichen Hormonen oder Eingriffen wie Haarentfernung, Mastektomien und andere geschlechtsangleichende Operationen, gesichtsfeminisierende Operationen oder HNO-chirurgische Stimmanpassungen.

„Transsexualität“ ist ein irreführender Begriff

Weiter gibt es die Möglichkeit, offiziell sozial ins andere Geschlecht zu wechseln. Das ist auch möglich ohne körperliche Veränderungen durchführen zu lassen. Man kann beides machen und offen im anderen Geschlecht leben. Letztere Variante wird häufig noch als „Transsexualität“ bezeichnet. Das ist jedoch ein zumindest irreführender Begriff, denn Trans* hat nichts mit Sexualität zu tun, sondern mit Identität. Es gehe nicht darum eine „normale Frau“ oder ein „normaler Mann“ zu werden, sondern darum einen Weg zu finden, mit dem man glücklich leben kann, betont Prüll. Hier sei die Medizin gefragt, diesen Weg mit zu finden und die Transperson darin zu unterstützen.

Transidentität ist eine Normvariante, aber nicht pathologisch

Das Thema trans* begleitet die Menschen ein Leben lang. Es kann auch sein, dass Trans-Menschen in einer späteren Lebensphase auch wieder in dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht leben möchte. Das ist kein Fehler, der zum Beispiel bei der die Transition begleitenden Psychotherapie passiert ist, sondern ein Phänomen das zum Thema Transidentität dazugehört. „Wir Menschen sind fluider als wir es uns häufig eingestehen“, erklärt Prüll. Die Natur 'spielt' mit dem Thema Geschlecht, es gibt erhebliche Variationen innerhalb der Geschlechter und auch Geschlechtswechsel. Daher ist Transidentität nicht pathologisch, sondern eine seltene Normvariante.“ Damit muss die Medizin umgehen. Nicht die Unterscheidung von Mann und Frau ist das Problem, meint Prüll, sondern das harte binäre Modell.
 

4 Fakten zu Transidentität

... Ursache unbekannt !
... ist nicht pathologisch !
... betrifft alle Bevölkerungsschichten !
... betrifft die geschlechtliche Identität !
 

Trans* und Medizin – die Bedarfe

Aus den bisher geschilderten Punkten lässt sich bereits viel für die medizinische Praxis herleiten. Weiter benötigt ein Transmenschbei seinem Coming out und der Integration in die Gesellschaft:
  • Beratung durch einen Coach (Hilfe bei Alltagsfragen)
  • Beratung durch Peers (andere Trans-Menschen)
  • medizinische Hilfe (u.a. Hormone, geschlechtsangleichende OPs)
  • Hilfe bei Namens- und Personenstandsänderung (hierzu werden derzeit, Stand März 2023, nach wie vor 2 psychiatrische Gutachten benötigt.
  • allgemeine Gesundheitsversorgung (Umgang mit trans*)

Medizinische Versorgung: Laborwerte und Therapien

In der allgemeinen Gesundheitsversorgung sind Ärzt:innen gefragt, den Einzelfall genau anzuschauen, Laborwerte und Therapien zu adjustieren und sich ggf. Hilfe von Expert:innen aus den verschiedenen Fachbereichen zu holen. Denn hier gibt es (noch) keine allgemeinen Empfehlungen. Wichtig zu wissen, auch das gesellschaftliche Umfeld – die psychosoziale Entwicklung von Transmenschen und dabei auftretende Probleme – beeinflussen die Behandlung direkt. Dies muss in der Lehre und auch in der Praxis berücksichtigt werden, um die Patient:innen zu verstehen. Denn im medizinischen Alltag reicht das Lehrbuch nicht aus, man muss die Lebensrealität der Leute kennen, um richtige Diagnosen zu stellen und durchführbare Behandlungen zu verschreiben.

Wie man mit Transmenschen umgeht – praktische Tipps

Zuhören und Empathie sind sehr wichtig, um überhaupt Kontakt auf Augenhöhe herstellen zu können. Man kann auch fragen, wie der/die Patient:in angesprochen werden möchte, denn die Anrede ist heutzutage für viele Menschenb sehr wichtig. Lassen Sie die Person erzählen, fragen Sie nach und besprechen sie mögliche Maßnahmen gemeinsam. Wer bei einem Thema unsicher ist, kann – wie bei anderen Patient:innen auch – Fachkolleg:innen hinzuzuziehen. Alternativ kann man auch sagen: „Das ist ein neues Thema für mich. Ich informiere mich dazu und melde mich dann bei Ihnen.“ Da wird niemand böse sein, das zeigt Verantwortungsbewusstsein und Offenheit.

Transmenschen – Beispiel für die Intergration verschiedener Gruppen in der Medizin

So klein die Gruppe von Transmenschen ist – in Deutschland leben etwa 200.00 bis 400.00 Trans-Menschen – sie ist ein Beispiel dafür, dass die Lebenswirklichkeit von Menschen aus verschiedensten Gruppierungen in die medizinische Lehre und die Praxis integriert werden sollte, indem man sie thematisiert. Das betrifft zum Beispiel die Religion, die Identität, die Sexualität oder verschiedene Formen der Behinderung.

Weiterführende Informationen zu Transidentität und Intersexualität

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