Tuberkulose: Therapietreue entscheidet über Heilungserfolg
Nina HaußerTuberkulose ist eine der weltweit bedeutendsten Infektionskrankheiten, verursacht durch Mycobacterium tuberculosis. Trotz wirksamer Medikamente erkranken jährlich Millionen Menschen – auch in Industrienationen bleibt sie eine relevante Diagnose. Ihre medizinische Bedeutung liegt sowohl in der potenziell schweren Krankheitslast als auch in den globalen Herausforderungen durch resistente Erregerstämme.
Was ist Tuberkulose?
Tuberkulose ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die entsteht, wenn winzige, mit Erregern behaftete Tröpfchen – etwa beim Husten oder Niesen einer infizierten Person – eingeatmet werden. Sie betrifft in erster Linie die Lunge, kann jedoch auch andere Organe und Gewebe befallen, darunter Bauchraum, Lymphknoten, Knochen oder das Nervensystem. Besonders besorgniserregend ist die multiresistente Tuberkulose (MDR-TB), die weiterhin eine erhebliche Bedrohung für die öffentliche Gesundheit und die globale Gesundheitssicherheit darstellt [1][2]. Weltweit erhalten nur etwa zwei von fünf Betroffenen mit resistenter TB eine adäquate Behandlung [1].
Wie häufig ist Tuberkulose und wer ist betroffen?
Weltweit bleibt die Tuberkulose (TB) eine der führenden Infektionskrankheiten. 2023 starben rund 1,25 Millionen Menschen an TB. Im selben Jahr erkrankten schätzungsweise 10,8 Millionen Menschen an Tuberkulose. Rund zwei Drittel aller Fälle konzentrieren sich auf acht Länder: Indien, Indonesien, China, die Philippinen, Pakistan, Nigeria, Bangladesch und die Demokratische Republik Kongo, mit geschätzten Inzidenzen von mehreren Hundert bis über 500 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr [2]. Etwa ein Viertel der Weltbevölkerung ist mit TB-Erregern infiziert [2].
Auf Europa entfallen gut 2% der weltweiten Neuerkrankungen, mit deutlichen regionalen Unterschieden und einem ausgeprägten Ost-West-Gradienten. Deutschland gilt als Niedriginzidenzland: Seit 2001 liegt die Meldeinzidenz unter 10/100.000, in den letzten Jahren um 5/100.000. 2023 wurden hierzulande etwa 4.500 TB-Fälle registriert [2]. Migrationsbewegungen aus Hochinzidenzländern beeinflussen die nationale Situation; so führte 2015/2016 ein verstärkter Zuzug zu einem vorübergehenden Anstieg der Fallzahlen. Nach einem Rückgang kam es seit 2022 erneut zu einer leichten Zunahme [2].
Wie wird die Tuberkulose übertragen?
Die Transmission der Tuberkulose erfolgt überwiegend aerogen durch Inhalation von M. tuberculosis-haltigen Tröpfchenkernen, die vor allem beim Husten, Niesen oder Sprechen einer Patientin bzw. eines Patienten mit infektiöser (offener) Lungentuberkulose entstehen [2]. Eine hohe Ansteckungswahrscheinlichkeit besteht insbesondere, wenn der pulmonale Herd Anschluss an die Luftwege hat, keine suffiziente antituberkulöse Therapie eingeleitet wurde und die Erregerlast im Sputum so hoch ist, dass ein direkter mikroskopischer Nachweis gelingt [2]. Radiologisch nachweisbare Kavernen sind häufig mit einer erhöhten Bakterienlast und somit gesteigerter Infektiosität assoziiert [2].
Im Vergleich zu anderen aerogen übertragenen Erkrankungen (z. B. Masern, Varizellen, SARS-CoV-2) ist die Übertragungswahrscheinlichkeit bei TB geringer [2]. Das Infektionsrisiko wird maßgeblich bestimmt durch:
Expositionsintensität: Häufigkeit, räumliche Nähe und Dauer des Kontakts (meist mehrstündige Exposition in geschlossenen Räumen notwendig) [2]
Erregerlast und Virulenz [2]
Suszeptibilität der exponierten Person (z. B. Immunsuppression, Komorbiditäten) [2]
Welche Symptome hat die Tuberkulose?
Wie äußert sich die Lungentuberkulose?
Rund 70 % aller Tuberkuloseerkrankungen manifestieren sich pulmonal [2]. Leitsymptom der Lungentuberkulose ist ein persistierender Husten mit oder ohne Sputum, gelegentlich auch hämoptytisch [1,2]. Weitere mögliche respiratorische Beschwerden umfassen thorakale Schmerzen und Dyspnoe [2]. Ein therapieresistenter Husten von mehr als drei Wochen Dauer sollte differenzialdiagnostisch stets den Verdacht auf TB lenken [2]. Bei Hämoptysen ist eine umgehende weiterführende Abklärung indiziert [2].
Begleitend können unspezifische Allgemeinsymptome auftreten, wie Leistungsminderung, Appetitverlust, ungewollter Gewichtsverlust, subfebrile Temperaturen, vermehrtes nächtliches Schwitzen, Müdigkeit und allgemeine Schwäche. Bei Kindern können Gedeihstörungen auffallen. Ein erheblicher Anteil der Patient:innen weist jedoch keine charakteristischen Symptome auf. Besonders bei Kindern unter zehn Jahren verläuft die Erkrankung häufig asymptomatisch.
Welche Symptome hat die extrapulmonale Tuberkulose?
Die Erreger können hämatogen oder lymphogen in andere Organsysteme streuen. Eine extrapulmonale TB kann jedes Organ betreffen – einzeln oder in Kombination mehrerer Lokalisationen (disseminierte TB) – und sich daher klinisch sehr variabel präsentieren. Bei immunsupprimierten Patient:innen besteht ein erhöhtes Risiko für fulminante, generalisierte Verlaufsformen. Säuglinge und Kleinkinder sind besonders gefährdet, im Rahmen einer Frühinfektion eine Miliartuberkulose oder eine tuberkulöse Meningitis zu entwickeln, die trotz adäquater Therapie mit einer hohen Letalität einhergehen können.
Auch Jahre nach der Primärinfektion kann es zur Reaktivierung ruhender Herde kommen. Diese führt nicht selten zu einer extrapulmonalen Manifestation, z. B. als Skelett-, Gelenk- oder Urogenitaltuberkulose, jeweils mit organspezifischem Beschwerdebild. Die latente TB-Infektion (LTBI) bleibt definitionsgemäß symptomlos.
Multiresistente Tuberkulose
Unter einer multiresistenten Tuberkulose (MDR-TB) versteht man eine Erkrankung, bei der das Mycobacterium tuberculosis gleichzeitig gegen Isoniazid (INH) und Rifampicin (RMP) resistent ist – die beiden tragenden Säulen der Standardtherapie. Eine Rifampicin-resistente Tuberkulose (RR-TB) wird therapeutisch ebenfalls wie eine MDR-TB behandelt [2,3].
Welche Bedeutung hat die MDR-TB?
MDR-TB stellt weltweit eine erhebliche Herausforderung dar. Die WHO beschreibt sie als Public-Health-Krise und Bedrohung der globalen Gesundheitssicherheit. Im Jahr 2023 erhielten lediglich etwa 40% der Patient:innen mit MDR-TB Zugang zu einer leitliniengerechten Therapie [1]. In Deutschland ist die Zahl der Fälle vergleichsweise gering (ca. 80–200 pro Jahr), doch betrifft sie überproportional Menschen aus Regionen mit hoher Resistenzprävalenz, etwa aus postsowjetischen Staaten [2].
Wie wird sie behandelt?
Die Behandlung muss in spezialisierten Zentren erfolgen, da sie komplexer, langwieriger und nebenwirkungsreicher ist als die Standardtherapie.
Aktuell bevorzugt wird eine verkürzte, rein orale Kombinationstherapie nach dem BPaLM-Regime (Bedaquilin, Pretomanid, Linezolid, Moxifloxacin) mit einer Dauer von mindestens sechs Monaten [1,2].
Bei zusätzlichen Resistenzen (prä-XDR-/XDR-TB) ist eine individualisierte, meist 18-monatige Therapie erforderlich, die sich an den Ergebnissen der Resistenztestung orientiert [2].
In seltenen Fällen können chirurgische Maßnahmen notwendig werden [2].
Die Medikamente sind nicht nur kostenintensiver, sondern auch mit häufigeren und teils schwerwiegenderen Nebenwirkungen verbunden [1,2]. Für den Therapieerfolg ist daher eine konsequente Therapieadhärenz unabdingbar. Häufig wird eine Directly Observed Therapy (DOT) eingesetzt, kombiniert mit psychosozialer Unterstützung [2,3]. Aufgrund der langen Infektiosität und der erschwerten Therapiesituation besitzt MDR-TB eine besonders hohe Public-Health-Relevanz [2,3].
Wie diagnostiziert man eine Tuberkulose?
Die Diagnose einer Tuberkulose kann nicht allein aus klinischen oder bildgebenden Befunden gestellt werden [2]. Es sollte stets ein mikrobiologischer Erregernachweis angestrebt und die Diagnostik organspezifisch ausgerichtet werden [2,3].
Wichtige anamnestische Punkte:
Kontakt zu Patient:innen mit infektiöser Lungentuberkulose oder infektiösem Material [2]
berufliche Exposition
bekannte LTBI oder durchgemachte TB
Zugehörigkeit oder Kontakt zu Risikogruppen
längerer Aufenthalt oder Herlunft aus Hochinzidenzländern
Kontakt zu Patient:innen mit infektiöser Lungentuberkulose oder infektiösem Material
Bildgebung und bakteriologische Diagnostik
Bei klinischem Verdacht auf pulmonale TB ist die Thorax-Röntgenaufnahme ein zentrales Verfahren [2]. Sie dient neben der Primärdiagnostik auch der Verlaufsbeurteilung, der Umgebungsuntersuchung und der Ermittlung möglicher Ansteckungsquellen [2]. Bei extrapulmonalen Manifestationen kommen CT, MRT, PET-CT oder Sonographie zum Einsatz [2].
Die bakteriologische Diagnostik umfasst [1,2,3]:
Mikroskopie: schneller Nachweis säurefester Stäbchen, wichtig zur Einschätzung der Infektiosität
Kultur: Goldstandard mit höchster Sensitivität, auch für Resistenztestung relevant
Molekulare Schnelltests: WHO empfiehlt frühzeitigen Einsatz (z. B. Xpert MTB/RIF Ultra, Truenat)
Resistenztestung: phänotypisch und genotypisch aus Erstisolaten, bei Persistenz erneut
Immunologische Tests wie der IGRA und Tuberkulin-Hauttest zeigen eine immunologische Auseinandersetzung mit M.tuberculosis an, sind aber nicht geeignet, zwischen LTBI, aktiver TB oder abgelaufener TB zu unterscheiden [1,2].
Wie behandelt man eine Tuberkulose?
Die Behandlung der Tuberkulose erfolgt immer als Kombinationstherapie, um verschiedene Wirkmechanismen und Wirkortprofile der Medikamente auszunutzen und gleichzeitig Resistenzentwicklungen zu verhindern. Voraussetzung für den Einsatz der Standardtherapie ist, dass der Erreger gegenüber allen Erstlinienmedikamenten empfindlich ist und diese über die gesamte Behandlungsdauer verabreicht werden können. Vor Beginn sollten mögliche Risikofaktoren für Resistenzen erfasst werden [3], z.B.:
Vortherapie über mehr als vier Wochen
Herkunft aus Regionen mit hoher MDR-TB-Prävalenz
Kontakt zu einem resistenten Indexfall
Eine konsequente Therapieadhärenz ist entscheidend. Bei Zweifeln an der regelmäßigen Einnahme wird eine direkt beobachtete Therapie (DOT) empfohlen. Neben medizinischen Aspekten sollten auch psychosoziale Faktoren adressiert werden, um Unterbrechungen oder Abbrüche zu vermeiden.
Therapie der medikamentensensiblen Tuberkulose
Die Standardtherapie bei Erwachsenen gliedert sich in zwei Phasen und läuft über sechs Monate:
Initialphase (2 Monate): Isoniazid (INH) + Rifampicin (RMP) + Pyrazinamid (PZA) + Ethambutol (EMB)
Kontinuitätsphase (4 Monate): Isoniazid (INH) + Rifampicin (RMP)
Wie verläuft die Nachsorge der Tuberkulose?
Nach abgeschlossener Therapie wird eine Rezidivkontrolle nach sechs und zwölf Monaten empfohlen. Alle Therapieergebnisse und -abbrüche unterliegen der Meldepflicht nach Infektionsschutzgesetz. Bei einer Unterbrechung von mehr als zwei Monaten muss die Behandlung in der Regel neu begonnen werden [3].
Wie kann man einer Tuberkulose vorbeugen?
Eine effektive Kontrolle der Tuberkulose (TB) basiert auf drei zentralen Säulen: der frühzeitigen Diagnosestellung, der konsequenten Isolation infektiöser Patient:innen sowie dem zeitnahen Beginn einer leitliniengerechten Therapie [2].
Wichtige aktive Maßnahmen zur Unterbrechung von Infektionsketten sind die Kontaktpersonennachverfolgung (Umgebungsuntersuchung) sowie Screening-Untersuchungen nach § 36 Abs. 4 und 5 IfSG, die vor allem bei Geflüchteten, Inhaftierten oder anderen Risikogruppen durchgeführt werden. Ergänzend bieten Gesundheitsämter gemäß § 19 Abs. 1 IfSG Untersuchungen für besonders gefährdete Personen an. Auch ein gezieltes Screening auf latente Tuberkuloseinfektion (LTBI) wird empfohlen, etwa bei HIV-Infizierten oder vor Beginn einer Biologika-Therapie [2].
Eine generelle BCG-Impfung wird in Deutschland seit 1998 – entsprechend den Empfehlungen der STIKO und der WHO – nicht mehr empfohlen, da das Infektionsrisiko hierzulande unter 0,1 % liegt [2].
Häufig gestellte Fragen zu Tuberkulose
Rund um das Thema Tuberkulose stellen sich für Betroffene und Angehörige oft viele Fragen: zur Diagnose, zu Behandlungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit der Erkrankung. In dieser Patient:innen-FAQ finden Sie Antworten auf die häufigsten Fragen.
Literatur:
- (1)
WHO: Tuberculosis, abrufbar unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/tuberculosis
- (2)
RKI-Ratgeber: Tuberkulose, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/RKI-Ratgeber/Ratgeber/Ratgeber_Tuberkulose.html
- (3)
S2k-Leitlinie Tuberkulose im Erwachsenenalter, abrufbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-019