Masern: Impfpräventable Erkrankung mit fatalen Komplikationen
Dr. rer. nat. Marion Adam und Nina HaußerMasern ist eine durch ein Virus verursachte Kinderkrankheit vor der man sich heutzutage mit einem Impfstoff schützen kann. Trotzdem sind Masern nach wie vor eine der wichtigsten Ursachen für die Morbidität und Mortalität bei Kindern weltweit.
Was sind Masern?
Bei Masern handelt es sich um eine hoch ansteckende, durch Impfung vermeidbare Erkrankung, die durch das Masern-Virus verursacht wird. Die Erkrankung geht mit Symptomen wie Fieber, Rhinorrhoe, Husten und den charakteristischen Koplik-Flecken, gefolgt von einem typischen Hautausschlag, einher. Die Infektion kann zu teilweise schweren Komplikationen führen, die zu bleibenden Schäden oder sogar zum Tod führen.
Wie häufig sind Masern und wer ist betroffen?
Vor Einführung der Masernimpfung stellten Masern eine der führenden Todesursachen weltweit dar, mit jährlich 2-3 Millionen masernbedingten Todesfällen. Dank der breiten Anwendung abgeschwächter Masern-Impfstoffe konnte die WHO zwischen 2000 und 2022 schätzungsweise 57 Millionen Todesfälle verhindern. Dennoch verstarben 2022 weltweit etwa 136.000 Menschen an Masern, überwiegend Kinder unter fünf Jahren – 2023 waren es geschätzt 107.500 Todesfälle.
Die Masern-Epidemiologie wird maßgeblich durch Bevölkerungsimmunität, Geburtenraten und Bevölkerungsdichte bestimmt. Unzureichende Impfquoten führen zur Akkumulation empfänglicher Personen und nachfolgend zu ausgedehnten Ausbrüchen. In Deutschland zeigt sich seit 2001 ein grundsätzlich rückläufiger Trend mit jährlich 165-926 gemeldeten Fällen (2008-2019), unterbrochen von Ausbruchsjahren 2011, 2013 und 2015. Nach pandemiebedingten Tiefstständen (8 Fälle 2021, 15 Fälle 2022) stieg die Fallzahl 2024 bereits wieder auf 560 Fälle. Besorgniserregend ist der Anstieg des Anteils Erkrankter über 15 Jahre auf über 50% aller Fälle, was auf unzureichende Immunität bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen hinweist. Trotz verbesserter Impfquoten zum Schuleingang sind bundesweit nur etwa 81% der 24 Monate alten Kinder zeitgerecht vollständig geimpft.
Wie werden Masern übertragen?
Der Masernerreger ist ein kugelförmiges RNA-Virus und gehört zu den Paramyxoviren. Die Infektion wird durch Einatmen von virushaltigen Tröpfchen oder Aerosolen, die in der Luft schweben, durch direkten Kontakt mit infizierten Sekreten und seltener durch Kontakt mit kontaminierten Infektionsträgern übertragen. Das Virus überlebt in der Luft oder auf Infektionsträgern bis zu zwei Stunden. Daher ist für die Übertragung der Krankheit kein direkter Kontakt mit einer infizierten Person erforderlich. Masern sind eine hochgradig ansteckende Krankheit: bis zu 90% der anfälligen Kontaktpersonen erkranken. Derzeit werden Masern-Fälle in den Industrieländern hauptsächlich aus Ländern „importiert“, in denen Masern endemisch sind und treten fast ausschließlich bei ungeimpften oder unvollständig geimpften Personen auf. Masern-Ausbrüche können aufgrund von Immunitätslücken z.B. durch unzureichende Impfungen vorkommen. In gemäßigten Klimazonen treten Infektionen am häufigsten im Spätwinter und im frühen Frühjahr auf.
Was passiert im Körper bei einer Maserninfektion?
Masern manifestieren sich als systemische Infektion, die ihren Ursprung in den Alveolarmakrophagen oder dendritischen Zellen der Lunge nimmt. Nach einer initialen Replikationsphase von zwei bis drei Tagen breitet sich das Masernvirus über die regionalen Lymphgewebe aus und führt zu einer systemischen Infektion. Der Krankheitsverlauf ist durch eine charakteristische zweiphasige Virämie geprägt: Nach weiterer viraler Replikation in regionalen und distalen retikuloendothelialen Strukturen tritt 5-7 Tage nach der Erstinfektion eine zweite Virämie auf. In dieser kritischen Phase migrieren infizierte Lymphozyten und dendritische Zellen in die subepitheliale Zellschicht und übertragen das Virus auf Epithelzellen. Nach erfolgter Amplifikation in den Epithelien wird das Virus schließlich in den Respirationstrakt freigesetzt, wodurch die charakteristische Übertragung über Tröpfcheninfektion ermöglicht wird. Diese systematische Ausbreitung erklärt sowohl die Inkubationszeit als auch die hohe Kontagiosität der Masern sowie die Beteiligung multipler Organsysteme im Krankheitsverlauf.
Welche Symptome haben Masern?
Masern präsentieren sich als systemische Virusinfektion mit charakteristischem zweiphasigem Verlauf. Nach einer Inkubationszeit von 10-14 Tagen beginnt die Erkrankung mit dem katarrhalischen Stadium, geprägt von Fieber, Konjunktivitis, Rhinorrhoe und Husten. Pathognomonisch sind die in dieser Phase auftretenden Koplik-Flecken – kalkspritzerartige weiße Flecken an der Mundschleimhaut. Das charakteristische makulopapulöse Masernexanthem entwickelt sich am 2.-4. Tag nach Symptombeginn, beginnt im Gesicht und hinter den Ohren und breitet sich über drei Tage bis zu Händen und Füßen aus. Das bräunlich-rosafarbene, konfluierende Exanthem persistiert 4-7 Tage und hinterlässt beim Abklingen oft eine kleieartige Schuppung.
Komplikationen
Die Masernvirusinfektion induziert eine ausgeprägte transitorische Immunschwäche durch Infektion von Lymphozyten und Makrophagen. Besonders bedeutsam ist die durch Infektion von Gedächtniszellen ausgelöste Immunamnesie, die bis zu 70% des bestehenden Antikörperrepertoires eliminieren und bis zu drei Jahre persistieren kann. Diese Phase erhöhter Infektionsanfälligkeit prädisponiert für bakterielle Superinfektionen wie Otitis media, Bronchitis, Pneumonie und Diarrhöen.
Schwerwiegende Komplikationen umfassen:
Ddie akute postinfektiöse Enzephalitis (1:1.000 Fälle), die 4-7 Tage nach Exanthembeginn mit Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen bis zum Koma auftritt. Bei 10-20% der Betroffenen verläuft sie letal, bei 20-30% resultieren bleibende ZNS-Schäden.
Die Subakute Sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) stellt eine seltene, aber fatale Spätkomplikation dar, die durchschnittlich 6-8 Jahre post infectionem auftritt. Das Risiko beträgt 4-11 Fälle pro 100.000 Masernerkrankungen, steigt jedoch bei Kindern unter fünf Jahren auf 30-60 pro 100.000 und bei Säuglingen sogar auf 170 pro 100.000 Fälle. Die SSPE beginnt mit psychischen und intellektuellen Veränderungen und progrediert zu neurologischen Ausfällen bis zum Verlust aller zerebralen Funktionen.
Bei Patient:innen mit primärer oder sekundärer Immundefizienz können besonders schwere, atypische und bisweilen letale Verläufe mit progressiver Einschlusskörperchen-Enzephalitis (MIBE) oder progredienter Riesenzellpneumonie auftreten.
Wie diagnostiziert man Masern?
Differentialdiagnostik
Das klinische Bild der Masern kann leicht mit anderen exanthematischen Erkrankungen verwechselt werden, insbesondere mit Röteln, Ringelröteln, Varizellen, Scharlach, Hand-Fuß-Mund-Krankheit, Erythema infectiosum, toxischem Schocksyndrom, infektiöser Mononukleose, Rocky-Mountains-Fleckfieber, Meningokokkämie, Henoch-Schönlein-Purpura, systemischem Lupus erythematodes, Kawasaki-Krankheit und Serumkrankheit. In Zeiten niedriger Inzidenz ist die klinische Diagnose ohne labordiagnostische Bestätigung nicht mehr ausreichend zuverlässig, da der positive prädiktive Wert sinkt. Bei der Mehrzahl sporadischer Verdachtsfälle handelt es sich um andere exanthematische Erkrankungen, während bei Masernausbrüchen die Bestätigungsrate deutlich höher liegt.
PCR-Diagnostik
Der Virusgenomnachweis mittels RT-PCR aus Rachenabstrich oder Urin stellt die Methode der Wahl dar und bietet hohe diagnostische Sicherheit. Die Probenentnahme sollte idealerweise bis zu einer Woche nach Exanthembeginn erfolgen, wobei bei geimpften Patient:innen ein kürzeres Zeitfenster zu beachten ist. Ein negativer PCR-Befund schließt eine akute Erkrankung nicht sicher aus.
Serologische Diagnostik
Die serologische Untersuchung zeigt mit IgM-Antikörpern eine akute Infektion an, während IgG-Antikörper bei fehlendem IgM eine durchgemachte Infektion oder Immunität belegen. Bei sporadischen oder bereits geimpften Verdachtsfällen ist die Serologie aufgrund niedriger Masern-Inzidenzen nicht zuverlässig. Bei ungeimpften Personen können IgM-Antikörper in bis zu 30% der Fälle am 1.-3. Tag nach Exanthembeginn noch negativ sein und sind meist bis zu vier Wochen nachweisbar. IgG-Antikörper sollten ab dem 7.-10. Tag nach Exanthembeginn nachweisbar sein und vermitteln lebenslange Immunität.
Wie therapiert man Masern?
Eine spezifische antivirale Therapie gegen Masern existiert nicht. Die Behandlung erfolgt ausschließlich symptomatisch und richtet sich nach dem individuellen Krankheitsverlauf und den auftretenden Symptomen. Zentrale therapeutische Maßnahmen umfassen fiebersenkende Medikamente, ausreichende Flüssigkeitszufuhr zur Vermeidung von Dehydratation durch Diarrhöen oder Erbrechen sowie eine angemessene Ernährung. Bei bakteriellen Superinfektionen wie Otitis media, Pneumonie oder Augen- und Ohreninfektionen ist eine antibiotische Therapie indiziert. Die Vitamin-A-Gabe stellt eine evidenzbasierte therapeutische Intervention dar, die signifikant mit einer Reduktion von Mortalität und Morbidität bei Kindern mit Masern assoziiert ist. Die WHO empfiehlt die Vitamin-A-Supplementation bei allen Kindern mit schwerem Masernverlauf, da sie niedrige Vitamin-A-Spiegel korrigiert, die selbst bei gut ernährten Kindern auftreten können.
Wie kann man Masern vorbeugen?
Impfung gegen Masern
Die wirksamste präventive Maßnahme zum Schutz vor Masern ist die aktive Schutzimpfung. Gemeinschaftsweite Impfprogramme sind der effektivste Weg zur Masernprävention. Die verwendeten Lebendimpfstoffe enthalten abgeschwächte Masernviren und werden als MMR-Kombination (Masern, Mumps, Röteln) oder MMRV-Kombination (zusätzlich Varizellen) verabreicht. Der Impfstoff ist sicher, hochwirksam und kostengünstig. Die Standardimpfung für Kinder umfasst zwei Impfstoffdosen: Die erste MMR-Impfung sollte im Alter von 11 Monaten erfolgen, kann jedoch ab 9 Monaten bei erhöhtem Expositionsrisiko verabreicht werden. Die zweite Impfung erfolgt im Alter von 15 Monaten, frühestens jedoch 4 Wochen nach der ersten Impfung. Für Erwachsene wird eine einmalige MMR-Impfung bei allen nach 1970 geborenen ungeimpften oder nur einmal geimpften Personen ≥18 Jahre empfohlen. Seit 2020 ist für nach 1970 geborene Personen in medizinischen Einrichtungen, Pflegeeinrichtungen, Gemeinschaftseinrichtungen und Bildungseinrichtungen eine zweimalige Impfung indiziert.
Postexpositionsprophylaxe
Nach Exposition sollten ungeimpfte oder unvollständig geimpfte Personen möglichst innerhalb von 3 Tagen eine MMR-Impfung erhalten. Diese kann den Ausbruch der Erkrankung häufig noch verhindern oder deren Schwere reduzieren. Bei Kontraindikationen gegen die Impfung können Immunglobuline als passive Immunisierung eingesetzt werden.
Häufig gestellte Fragen zum Thema Masern
Rund um das Thema Masern stellen sich für Betroffene und Angehörige oft viele Fragen: zur Diagnose, zu Behandlungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit der Erkrankung. In dieser Patient:innen-FAQ finden Sie Antworten auf die häufigsten Fragen.
Literatur:
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WHO - Measles, abrufbar unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/measles
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CDC: Epidemiology and Prevention of Vaccine-Preventable Diseases, Measles, abrufbar unter: https://www.cdc.gov/pinkbook/hcp/table-of-contents/chapter-13-measles.html