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Morbus Crohn
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Was ist Morbus Crohn?

Morbus Crohn (M. Crohn) ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED). Im Gegensatz zur Colitis ulcerosa, die auf den Dickdarm beschränkt ist, kann Morbus Crohn den gesamten Verdauungstrakt von Mund bis Anus befallen – meist jedoch das terminale Ileum [1].

Wie häufig ist Morbus Crohn und wer ist betroffen?

Die Häufigkeit chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED) nimmt weltweit zu. Sie gelten inzwischen als „global emerging disease“. In Deutschland beträgt die Prävalenz des Morbus Crohn aktuell etwa 100 bis 200 Erkrankte pro 100.000 Einwohner:innen. Auffällig ist ein starker Anstieg der Inzidenz in neu industrialisierten („westernized“) Regionen Afrikas, Asiens, Osteuropas und Südamerikas. Weltweit ist daher auch künftig mit einer deutlich wachsenden Zahl an Patient:innen mit CED zu rechnen.

Grundsätzlich kann Morbus Crohn in jedem Lebensalter auftreten. Es bestehen jedoch zwei Erkrankungsgipfel: zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr sowie zwischen dem 55. und 80. Lebensjahr. Bei etwa 25% der Patient:innen beginnt die Erkrankung bereits vor dem 18. Lebensjahr [2].

Was sind Risikofaktoren für die Entstehung von Morbus Crohn?

  • Rauchen

  • Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel

  • frühe Antibiotikatherapie

  • Kaiserschnittgeburt

  • Leben in der Stadt

  • niedriges Maß an körperlicher Aktivität

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Was bei Morbus Crohn im Körper passiert

Die genaue Ätiologie und Pathogenese sind bislang nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch deutliche Hinweise darauf, dass Morbus Crohn durch eine fehlgeleitete Immunantwort gegenüber Umweltantigenen – etwa Medikamenten, Toxinen, Infektionen oder Bestandteilen der intestinalen Mikrobiota – bei genetisch empfänglichen Personen ausgelöst wird. Groß angelegte genomweite Assoziationsstudien identifizierten bislang über 200 mit CED assoziierte Gene, darunter mehr als 70 spezifische Suszeptibilitätsloci für Morbus Crohn [2,3].

Wie Darmentzündung und Mikrobiom bei Morbus Crohn zusammenspielen

Die chronische Entzündung bei Morbus Crohn wird durch eine komplexe Fehlregulation des intestinalen Immunsystems aufrechterhalten. Dabei infiltrieren Immunzellen wie Makrophagen, neutrophile Granulozyten und Th1-/Th17-Zellen die Lamina propria und setzen proinflammatorische Zytokine frei, darunter TNF-α, Interferon-γ sowie Interleukine wie IL-1β, IL-2, IL-12 und IL-18. Diese Entzündungsmediatoren schädigen die Darmschleimhaut, fördern Mukusschichtdefekte und stören Reparaturmechanismen.

Begleitend zeigt sich bei Patient:innen mit Morbus Crohn eine ausgeprägte Dysbiose des Mikrobioms mit reduzierter Diversität, Zunahme mukolytischer und pathogener Keime sowie Abnahme kurzkettiger Fettsäureproduzenten. Die systemische Inflammation kann extraintestinale Manifestationen auslösen – etwa Arthritis, Uveitis, pericholangitische Veränderungen oder renale Komplikationen. In seltenen Fällen entsteht als Spätfolge eine systemische Amyloidose [2,3].

Wie wird Morbus Crohn eingeteilt?

Zur systematischen Beschreibung des Krankheitsbilds kommt bei Morbus Crohn international die sogenannte Montreal-Klassifikation zum Einsatz.

  • Alter bei Diagnosestellung:

    • A1: < 16 Jahre

    • A2: 17-40 Jahre

    • A3: > 40 Jahre

  • Lokalisation

    • L1: terminales Ileum

    • L2: Kolon

    • L3: Ileokolon

    • L4: oberer GI-Trakt

  • Befallsmuster

    • B1: nichgt strikturierend, nicht penetrierend

    • B2: strikturierend

    • B3: intern penetrierend

    • B3p: perianal penetrierend

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Welche Symptome treten bei Morbus Crohn auf?

Zu den Hauptsymptomen von M. Crohn zählen:

  • chronischer Durchfall (flüssiger bis wässriger Stuhl, gelegentlich mit Blut- oder Schleimbeimengung)

  • Bauchschmerzen und Krämpfe (meist Schmerz im rechten Unterbauch)

  • Abgeschlagenheit / Müdigkeit

  • Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust

  • Fieber

Nebensymptome von Morbus Crohn können sein:

  • entzündliche Veränderungen der Augen (z. B. Uveitis)

  • Stomatitis, aphthöse Ulzera

  • Cholelithiasis, Cholangitis, primär sklerosierende Cholangitis

  • Nephrolithiasis, Hydronephrose, rezidivierende Harnwegsinfektionen

  • Hautmanifestationen z. B. Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum

  • Gelenkbeschwerden (periphere und axiale Arthritis)

Was können Komplikationen von Morbus Crohn sein?

  • Stenosen

  • Fisteln

  • Abszesse

  • Perforationen

  • Malabsorption und Mangelzustände

  • erhöhtes Darmkrebsrisiko [6]

Wie wird Morbus Crohn diagnostiziert?

Strukturierte Anamnese bei Verdacht auf Morbus Crohn

Die Diagnostik beginnt mit einer ausführlichen Anamnese. Dabei werden Beginn, Art und Verlauf der Symptome, familiäre Vorbelastungen mit CED, Raucherstatus, Impfstatus und Medikamenteneinnahmen (v. a. Antibiotika und NSAR) systematisch erfasst. Auch extraintestinale Beschwerden (z. B. Gelenke, Haut, Augen) sowie perianale Symptome wie Fisteln oder Abszesse sollten gezielt erfragt werden.

Was körperliche Untersuchung und Labor zur Diagnose beitragen

Zur klinischen Basisdiagnostik gehört eine vollständige körperliche Untersuchung mit Inspektion von Mundhöhle und Analbereich. Eine rektale Untersuchung erfolgt spätestens im Rahmen der Koloskopie. Die initiale Labordiagnostik umfasst neben dem Blutbild unter anderem Entzündungsmarker (CRP), Eisenstatus, Leber- und Nierenfunktionsparameter sowie Transaminasen und Cholestasewerte. Zur Abgrenzung gegenüber funktionellen Beschwerden wird die Bestimmung von fäkalem Calprotectin empfohlen.

Endoskopische Verfahren: Ileokoloskopie und ÖGD zur Diagnosesicherung

Zur Abklärung eines Morbus Crohn sind endoskopische Verfahren essenziell. Die Ileokoloskopie mit Stufenbiopsien gilt als Standardmethode zur Diagnosesicherung. Sie ermöglicht die Beurteilung typischer morphologischer Veränderungen wie diskontinuierlichem Befall („Skip lesions“), Schleimhautulzerationen und entzündlichen Stenosen. Darüber hinaus liefert sie wichtige Informationen zu Lokalisation, Aktivität und Ausdehnung der Entzündung.

Ergänzend empfiehlt sich eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD). Sie dient dem Nachweis oder Ausschluss einer Beteiligung des oberen Gastrointestinaltrakts, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen oder bei klinischem Hinweis auf gastroduodenale Symptome. Ulzerationen, Schleimhautveränderungen oder entzündliche Läsionen im Magen oder Duodenum lassen sich so gezielt erfassen.

Bildgebende Diagnostik zur Dünndarmbeurteilung

Für die Diagnostik des Dünndarms kommen nichtinvasive bildgebende Verfahren zum Einsatz. Die MR-Enterografie ist dabei die Methode der Wahl, da sie sowohl die Entzündungsausdehnung als auch Komplikationen wie Fisteln oder Stenosen gut darstellen kann. Bei entsprechender Erfahrung kann alternativ auch eine Dünndarmsonografie eingesetzt werden. Besteht der Verdacht auf einen Dünndarmbefall, der sich in den bisherigen Untersuchungen nicht bestätigt, kann zusätzlich eine Videokapselendoskopie durchgeführt werden – sofern keine Stenose vorliegt.

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Wie wird Morbus Crohn therapiert?

Die Behandlung zielt auf die Kontrolle der entzündlichen Aktivität und die Verhinderung von Komplikationen ab – eine Heilung ist bislang nicht möglich. Die Wahl des therapeutischen Vorgehens richtet sich nach Krankheitsaktivität, Lokalisation, Verlauf, Komorbiditäten, vorangegangenen Therapien und der Patient:innenpräferenz. Neben der Pharmakotherapie spielen Ernährung und psychosoziale Betreuung eine zentrale Rolle im langfristigen Management von Morbus Crohn [1].

Akuter Morbus-Crohn-Schub: Welche Medikamente helfen?

  • Leichter Schub: Budesonid bei Befall von Ileozökalregion oder rechtem Kolon, Mesalazin zeigt keine evidente Wirkung, wird aber wegen guter Verträglichkeit noch vereinzelt eingesetzt

  • Mittelschwerer bis schwerer Schub: Prednisolon oder Methylprednisolon in standardisierter Dosierung

  • Steroidrefraktärer Verlauf: Einsatz von Biologika wie TNF-α-Antikörpern oder zielgerichteten Therapien, z.B. JAK-Inhibitoren, ggf. in Kombination mit Thiopurinen

Langfristige Therapie: Remissionserhalt bei Morbus Crohn

Nach Erreichen der klinischen Remission besteht ein hohes Rückfallrisiko. Innerhalb des ersten Jahres kommt es in 30–60%, innerhalb von zwei Jahren in bis zu 70% der Fälle zu Rezidiven. Mögliche Therapieoptionen sind:

  • Thiopurine (Azathioprin/6-Mercaptopurin)

  • Methotrexat

  • TNF-alpha-Antikörper

  • Risankizumab, Upadacitinib, Ustekinumab, Vedolizumab

Chirurgie bei Morbus Crohn: Wann eine Operation notwendig wird

Ein operativer Eingriff ist bei Morbus Crohn dann erforderlich, wenn medikamentöse Maßnahmen keine ausreichende Kontrolle der Entzündung ermöglichen oder Komplikationen wie Fisteln, Stenosen oder Abszesse auftreten. Ziel der chirurgischen Therapie ist es, betroffene Darmsegmente möglichst schonend zu resezieren und so die Funktion des Verdauungstrakts zu erhalten. Eine Heilung lässt sich dadurch nicht erzielen, jedoch kann eine anhaltende Remission erreicht und die Lebensqualität deutlich verbessert werden. Die Indikation sollte individuell und in enger interdisziplinärer Abstimmung gestellt werden [1].

Wie erfolgt die Nachsorge bei Morbus Crohn?

Die strukturierte Nachsorge spielt eine zentrale Rolle im langfristigen Management von Patient:innen mit Morbus Crohn. Ziel ist es, Krankheitsaktivität frühzeitig zu erkennen, Rückfälle zu verhindern und potenzielle Komplikationen rechtzeitig zu behandeln.

Zur Verlaufskontrolle eignen sich objektive Marker wie CRP und fäkales Calprotectin. Auch bildgebende Verfahren wie die Darmsonografie sollten in der Nachsorge berücksichtigt werden, da sie früh Hinweise auf Therapieeffekte liefern können, regelmäßige endoskopische Kontrollen sollten zur Beurteilung der Entzündungsaktivität und zur Krebsvorsorge durchgeführt werden [1].

Mirikizumab wurde in der EU zur Behandlung der entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn zugelassen

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Wie ist die Prognose bei Morbus Crohn?

Die Prognose von Patient:innen mit Morbus Crohn ist heterogen und hängt maßgeblich vom individuellen Risikoprofil ab. Als Hochrisikopatient:innen gelten insbesondere jüngere Menschen unter 30 Jahren, Raucher:innen sowie Betroffene mit erhöhten Entzündungsmarkern (CRP, fäkales Calprotectin), tiefen Ulzerationen in der Koloskopie, ausgedehntem Befallsmuster, perianaler Erkrankung, extraintestinalen Manifestationen oder vorausgegangenen Resektionen.

Ohne frühzeitige Behandlung mit Immunsuppressiva oder Biologika entwickelt etwa die Hälfte der Patient:innen eine Steroidabhängigkeit oder wird therapieresistent. Zehn Jahre nach Diagnosestellung liegt die kumulative Rate abdomineller chirurgischer Eingriffe bei rund 47%. Nach einer Resektion beträgt das Risiko für eine endoskopisch nachweisbare Rezidivbildung an der Anastomose bis zu 90% [3].

Patient:innen-FAQ

Häufig gestellte Fragen zum Thema Morbus Crohn

Rund um das Thema Morbus Crohn stellen sich für Betroffene und Angehörige oft viele Fragen: zur Diagnose, zu Behandlungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit der Erkrankung. In dieser Patienten-FAQ finden Sie Antworten auf die häufigsten Fragen.

Literatur:

(1)

Aktualisierte S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des MorbusCrohn“ der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie,Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), abrufbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/021-004

(2)

Manthey CF et al (2021) Was ist gesichert in der Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen, Internist, DOI: 10.1007/s00108-021-01207-6

(3)

StatPearls: Crohn disease, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK436021/

(4)

Chhibba T et al. (2025) Environmental risk factors of inflammatory bowel disease: toward a strategy of preventative health, Journal of Crohn’s and Colitis, DOI: 10.1093/ecco-jcc/jjaf042

(5)

Satsangi J et al. (2006) The Montreal classification of inflammatory bowel disease: controversies, consensus, and implications, Gut, DOI: 10.1136/gut.2005.082909

(6)

Deppe H et al. (2003) Chronisch entzündliche Darmerkrankungen als Systemerkrankungen: Intestinale und extraintestinale Komplikationen bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, Notfallmedizin, abrufbar unter: https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-2003-39618.pdf