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Borreliose
Inhaltsverzeichnis

Was ist Borreliose?

Borreliose ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die durch den Stich infizierter Zecken auf den Menschen übertragen wird. Verursacher sind Bakterien der Familie Borreliaceae, insbesondere Borrelia (Borreliella) burgdorferi sensu lato. Zecken infizieren sich, indem sie Blut von Tieren aufnehmen, die die Bakterien in sich tragen, und können die Erreger anschließend auf den Menschen übertragen [1].

Wie häufig ist Borreliose und wer ist betroffen?

Die Lyme-Borreliose ist eine der bedeutendsten durch Vektoren übertragenen Infektionskrankheiten der nördlichen Hemisphäre und tritt in Nordamerika, Europa sowie Asien auf. In Europa stellt sie die mit Abstand häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung dar. Untersuchungen aus Deutschland und der Schweiz belegen, dass nach einem Zeckenstich bei 2,6 bis 5,6% der Betroffenen eine Serokonversion erfolgt. Klinisch manifeste Krankheitsverläufe treten jedoch nur bei etwa 0,3 bis 1,4% der Personen mit dokumentierten Zeckenstichen auf. Die exakte Inzidenz der Lyme-Borreliose in Deutschland ist nicht bekannt. Es bestehen deutliche regionale Unterschiede, die auf Unterschiede im Zeckenvorkommen und in der regionalen Exposition zurückzuführen sind. Das Infektionsrisiko unterliegt einer deutlichen saisonalen und witterungsabhängigen Dynamik.

Wie wird Borreliose übertragen?

In Mitteleuropa erfolgt die Übertragung der Lyme-Borreliose primär durch den Stich der Schildzecke Ixodes ricinus. Diese sind, abhängig von den klimatischen Bedingungen, ganzjährig aktiv, weisen ihre größte Aktivität jedoch im Frühjahr und Herbst auf. Damit es zu einer Infektion kommt, ist in der Regel eine längere Saugdauer erforderlich – mindestens mehrere Stunden. Diese Tatsache erklärt, warum eine frühzeitige Entfernung von Zecken das Infektionsrisiko deutlich senken kann. Die Inkubationszeit der Lyme-Borreliose variiert erheblich in Abhängigkeit von der klinischen Erstmanifestation. Beim Erythema migrans beträgt sie in der Regel drei bis 30 Tage, mit einem Median von etwa sieben bis zehn Tagen. Für die frühe Neuroborreliose ist die Inkubationszeit im Mittel nur geringfügig länger. Demgegenüber können späte Manifestationen wie die Acrodermatitis chronica atrophicans, die Lyme-Arthritis oder die späte Neuroborreliose erst Monate bis Jahre nach der Infektion auftreten [2].

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Welche Symptome hat Borreliose?

Die Mehrzahl der Infektionen mit Borrelia burgdorferi verläuft asymptomatisch. Entwickelt sich eine klinisch manifeste Erkrankung, können verschiedene Organsysteme betroffen sein: Haut, Nervensystem, Gelenke oder Herz. Die klinische Vielfalt spiegelt sich in den Krankheitsstadien wider, die von einer frühen lokalisierten über eine disseminierte bis hin zu einer späten Manifestation reichen [2].

Hautmanifestationen

Das Erythema migrans ist die häufigste und zugleich typische Manifestation. Es präsentiert sich als randbetonte, nicht erhabene Rötung (> 5 cm Durchmesser) mit zentrifugaler Ausbreitung. Häufig findet sich im Zentrum die Zeckeneinstichstelle. Zwischen Zeckenstich und Beginn des Erythems besteht ein symptomfreies Intervall von mindestens drei Tagen. Atypische Verläufe erfordern oftmals eine dermatologische Differenzialdiagnose. In disseminierten Stadien können multiple Erythemata migrantia auftreten, die besonders bei Kindern auch ringelrötelähnlich imponieren. Begleitend können unspezifische Symptome wie Fieber, Myalgien, Arthralgien oder Lymphknotenschwellungen bestehen. Persistiert die Läsion über Wochen bis Monate, spricht man von einem Erythema chronicum migrans.

Das Borrelien-Lymphozytom tritt bevorzugt bei Kindern auf, meist an Ohrläppchen, Mamillen oder im Genitalbereich. Die Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA) ist durch ein ödematös-infiltratives Frühstadium charakterisiert, das in ein atrophes Stadium mit Gewebsverlust, Haarverlust und prominenten Gefäßen übergeht. Häufig sind Gelenke und Nerven der betroffenen Extremität zusätzlich involviert.

Neuroborreliose

Ein Großteil neurologischen Manifestationen betreffen die frühe Neuroborreliose, die wenige Wochen bis Monate nach dem Zeckenstich auftritt. Typisch ist die Meningoradikulitis mit brennenden, meist nächtlich betonten Schmerzen, oft in Kombination mit einer Fazialisparese (Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom). Kinder entwickeln häufiger eine lymphozytäre Meningitis oder isolierte Fazialisparesen. Die späte Neuroborreliose ist selten und präsentiert sich als chronisch-progrediente Enzephalomyelitis mit spastisch-ataktischer Gangstörung und Blasenfunktionsstörung oder als zerebrale Vaskulitis und periphere Neuropathie (insbesondere im Zusammenhang mit ACA)[2].

Gelenkmanifestationen

Die Lyme-Arthritis tritt schubweise oder chronisch auf und manifestiert sich typischerweise als mono- oder oligoartikuläre Arthritis großer Gelenke, vor allem der Knie, seltener Sprung- und Ellenbogengelenke. Der Befall kleiner Gelenke oder des Achsenskeletts einschließlich Iliosakralgelenke gilt nicht als charakteristisch.

Kardiale Manifestationen

Die Lyme-Karditis ist selten, aber klinisch relevant. Häufigste Manifestation sind Reizleitungsstörungen, insbesondere AV-Blockierungen unterschiedlichen Grades. Auch Perimyokarditis, intraventrikuläre Blockbilder, ventrikuläre Extrasystolen, Vorhofflimmern oder Tachykardien können auftreten.

Läuse als Borrelien-Überträger

Rückfallfieber

Die Bakteriengattung Borrelia umfasst mehrere krankheitserregende Arten. Neben der bekannten, durch Zecken übertragenen Lyme-Borreliose verursachen Borrelien auch das Rückfallfieber, das durch Läuse übertragen wird. Trotz des gemeinsamen Erregers unterscheiden sich beide Krankheiten deutlich in Übertragung und Verlauf.

Was ist Läuserückfallfieber?

Läuserückfallfieber wird durch das Bakterium Borrelia recurrentis verursacht und ist charakterisiert durch wiederholte fiebrige Episoden. Die Erkrankung unterscheidet sich von anderen Formen des Rückfallfiebers dadurch, dass sie in der Regel mit weniger Rückfällen einhergeht.

Wie wird es übertragen?

Die Bakterien werden hauptsächlich durch Kleiderläuse (Pediculus humanus humanus) und selten durch Kopfläuse von Mensch zu Mensch übertragen. Eine Infektion erfolgt typischerweise, wenn infizierte Läuse zerdrückt werden und die Bakterien in Bisswunden oder Kratzer gelangen. Andere tierische Wirte für B. recurrentis sind nicht bekannt.

Wo kommt die Erkrankung vor?

Läuserückfallfieber ist endemisch in Äthiopien, Eritrea, Somalia und im Sudan, wo es vor allem in Form von saisonalen Ausbrüchen auftritt. Historisch kam es zu großen Epidemien in Europa, besonders zwischen 1919-1923 mit 13 Millionen Fällen in Russland und Osteuropa. In Deutschland kommt Läuserückfallfieber momentan nicht vor.

Welche Symptome treten auf?

Neben den charakteristischen wiederkehrenden Fieberschüben können unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Übelkeit auftreten. Schwangere Frauen haben ein besonders hohes Risiko für Schwangerschaftsverlust und können schwerer erkranken.

Wie kann man sich schützen?

Einfache Hygienemaßnahmen sind sehr wirkungsvoll: regelmäßiger Kleiderwechsel und -reinigung, Vermeidung von überfüllten Wohn- und Unterbringungsverhältnissen sowie das Waschen verdächtiger Kleidung bei über 55°C. Lausbefall sollte mit speziellen Medikamenten (Pediculiciden) behandelt werden.

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Wie diagnstiziert man Borreliose?

Die Borreliose bleibt in erster Linie eine klinische Verdachtsdiagnose. Insbesondere das Erythema migrans ist eine rein klinische Diagnose und bedarf keiner laborchemischen Bestätigung. In allen anderen Verdachtsfällen stellt die serologische Untersuchung auf borrelienspezifische Antikörper den wichtigsten Baustein der Diagnostik dar – wenngleich stets im Kontext der klinischen Symptomatik und weiterer Befunde [2].

Serologische Stufendiagnostik

Da kein optimaler Einzeltest verfügbar ist, erfolgt die Serodiagnostik nach dem Prinzip der zweistufigen Testung:

  • Suchtest (z.B. ELISA)

  • Bestätigungstest (Immunoblot) bei positivem oder grenzwertigem Ergebnis

Die Serologie zur Diagnostik der Lyme-Borreliose unterliegt wichtigen Einschränkungen, die bei der Interpretation berücksichtigt werden müssen: So können falsch-positive Ergebnisse auftreten, etwa im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen, Syphilis oder Infektionen durch Epstein-Barr- und andere Herpesviren. Zudem ist zu beachten, dass IgM- und IgG-Antikörpertiter nach durchgemachter Infektion über Jahre persistieren können, ohne dass dies auf eine aktuelle Krankheitsaktivität hinweist. Umgekehrt besteht in der Frühphase der Infektion eine diagnostische Lücke, da serologische Tests in den ersten Tagen nach Infektion noch negativ ausfallen können. Aus diesen Gründen sollte eine serologische Untersuchung nur bei ausreichendem klinischem Verdacht veranlasst werden und erfordert stets eine sorgfältige Interpretation im klinischen Kontext [2].

Diagnostik der Neuroborreliose

Für die Sicherung einer Neuroborreliose ist der Nachweis einer intrathekal gebildeten borrelienspezifischen Antikörperproduktion erforderlich. Dazu werden Liquor- und Serumproben desselben Tages im Paar untersucht. Der Antikörper-Index (AI) dient zum Nachweis der intrathekalen Antikörperbildung und wird typischerweise sechs bis acht Wochen nach Krankheitsbeginn positiv. Zusätzlich finden sich häufig entzündliche Liquorveränderungen (lymphozytäre Pleozytose, Blut-Liquor-Schrankenstörung) [2].

Wie therapiert man die Borreliose?

Eine frühzeitige antibiotische Behandlung ist der entscheidende Faktor für einen günstigen Krankheitsverlauf bei Lyme-Borreliose. Patient:innen, die im Frühstadium mit geeigneten Antibiotika therapiert werden, erholen sich in der Regel rasch und vollständig. Dadurch lassen sich schwere Krankheitsverläufe und Spätmanifestationen effektiv verhindern. Eingesetzt werden:

  • Oral: Doxycyclin oder Amoxicillin gelten als Mittel der Wahl, als Alternativen Cefuroximaxetil oder Azithromycin

  • Intravenös (bei schweren oder disseminierten Manifestationen): Ceftriaxon, Cefotaxim, Penicillin G

Die Therapiedauer variiert in Abhängigkeit von Art, Dauer und Schwere der Erkrankungsmanifestation sowie vom eingesetzten Antibiotikum. Sie bewegt sich üblicherweise zwischen zehn und 30 Tagen. Eine routinemäßige antimikrobielle Prophylaxe nach Zeckenstich wird nicht empfohlen. Der potenzielle Nutzen steht in keinem Verhältnis zu den Risiken: Während nur ein geringer Anteil der Gestochenen tatsächlich erkrankt, ist die Nebenwirkungsrate durch eine flächendeckende Antibiotikagabe erheblich [2].

Wie ist die Prognose?

Die Prognose der Lyme-Borreliose ist im Frühstadium unter rechtzeitiger antibiotischer Therapie insgesamt sehr günstig. Die überwiegende Mehrheit der Patient:innen erholt sich vollständig und erreicht den ursprünglichen Gesundheitszustand. Entscheidend hierfür sind eine frühe klinische Diagnose und eine unverzügliche Einleitung der leitliniengerechten Therapie. Bei verzögerter Diagnosestellung oder verspätetem Therapiebeginn verschlechtert sich die Prognose deutlich. Verzögerungen erhöhen das Risiko für komplexe Krankheitsverläufe sowie für späte Manifestationen an Haut, Nervensystem, Gelenken und Herz.

Post-Treatment Lyme Disease (PTLD)

Trotz adäquater Behandlung entwickeln einige Patient:innen anhaltende oder rezidivierende Symptome, die unter dem Begriff Post Treatment Lyme Disease (PTLD) zusammengefasst werden. PTLD ist durch ein Symptomcluster gekennzeichnet, das mindestens sechs Monate nach Therapieende persistiert: schwere Fatigue, muskuloskelettale Schmerzen, Schlafstörungen, kognitive Defizite, psychische Belastungen. Diese Symptome werden im Alltag von Außenstehenden oft nicht wahrgenommen, führen aber bei den Betroffenen zu erheblichen Einschränkungen in Lebensqualität und Funktionsfähigkeit [3].

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Welche Möglichkeiten zur Prävention gibt es?

Die Prävention der Lyme-Borreliose stellt nach wie vor eine besondere Herausforderung für den öffentlichen Gesundheitsschutz dar. Gründe hierfür sind das Fehlen eines zugelassenen Impfstoffs in Europa, die bislang nicht mögliche effektive Vektorkontrolle sowie der Umstand, dass es keinen absolut sicheren Schutz vor Zeckenstichen gibt. Die heterogenen Manifestationen der Erkrankung und die begrenzte Aussagekraft labordiagnostischer Verfahren erschweren zusätzlich die Krankheitsüberwachung. Die wichtigste präventive Maßnahme bleibt die Aufklärung von Patient:innen über Risiken, Expositionsorte und individuelle Schutzmöglichkeiten. Ein Zeckenstichrisiko besteht insbesondere bei Freilandaufenthalten mit Kontakt zu bodennaher Vegetation (Gras, Kraut, Strauchwerk). Empfohlene Maßnahmen sind:

  • Schützende Kleidung: lange Hosen, langärmelige Hemden, festes Schuhwerk.

  • Repellents: Icaridin oder Diethyltoluamid (DEET) bieten einen begrenzten, zeitlich variablen Schutz. Angaben der Hersteller zu Wirkdauer und Anwendung sind zu beachten.

  • Imprägnierte Kleidung: Behandlung von Schuhwerk oder Textilien mit Insektiziden oder die Nutzung vorbehandelter Ausrüstung kann zusätzlichen Schutz bieten.

  • Kontrolle nach Aufenthalt im Freien: Körper und Kleidung sollten sorgfältig nach Zecken abgesucht werden

  • Zeckenentfernung: Die schnelle Entfernung der Zecke ist eine zentrale Präventionsmaßnahme, da das Infektionsrisiko in den ersten Stunden des Saugaktes noch gering ist.

Patient:innen-FAQ

Häufig gestellte Fragen zum Thema Borreliose

Rund um das Thema Borreliose stellen sich für Betroffene und Angehörige oft viele Fragen: zur Diagnose, zu Behandlungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit der Erkrankung. In dieser Patient:innen-FAQ finden Sie Antworten auf die häufigsten Fragen.

Literatur:

(1)

European Centre for Disease Prevention and Control, abrufbar unter: https://www.ecdc.europa.eu/en/borreliosis-lyme-disease

(2)

RKI – Borreliose, abrufbar unter:

(3)

Johns Hopkins Medicine Lyme Disease Research Center: Lyme Disease Treatment and Prognosis, abrufbar unter: https://www.hopkinslyme.org/lyme-disease/treatment-and-prognosis-of-lyme-disease/

(4)

InfektionsepidemiologischesJahrbuch meldepflichtigerKrankheiten für 2023: Läuserückfallfieber, abrufbar unter: https://edoc.rki.de/handle/176904/12890

(5)

U.S. Centers for Disease Control and Prevention: About Louse-borne Relapsing Fever (LBRF), abrufbar unter: https://www.cdc.gov/relapsing-fever/about/about-lbrf.html