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Medizin

COVID: Was sagt die pulmonale Viruslast über den Verlauf aus?

COVID: Was sagt die pulmonale Viruslast über den Verlauf aus?
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SARS-CoV-2 kann verschiedene Körpergewebe infizieren. Während der Virusnachweis im Nasenrachenraum als Diagnostik etabliert ist, erlaubt die Menge des dort gefundenen Virus keine Prognose des Krankheitsverlaufs. In einer aktuellen Studie hat ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Universität Rijeka, Kroatien, bei Patient:innen mit einem schweren COVID-19-Verlauf den Zusammenhang zwischen der Viruslast in verschiedenen Geweben und dem Sterberisiko untersucht. Die Wissenschaftler:innen zeigen erstmals, dass die Viruslast zu einer klinischen Prognose beitragen kann, da eine höhere Viruslast in der Lunge zum Zeitpunkt der Beatmung mit einem erhöhten Sterberisiko korreliert. Im Interview sprechen Erstautorin Henrike Maaß und Studienleiter Prof. Luka Cicin-Sain, Leiter der Abteilung „Virale Immunologie“ am HZI, über die Ergebnisse der Forschungsarbeit, die in der Fachzeitschrift Viruses MDPI veröffentlicht wurde.

Sie haben die Viruslast in verschiedenen klinischen Proben von beatmeten COVID-19-Patient:innen untersucht. Was verrät die Viruslast über die klinische Prognose von Patient:innen? Für welche Personengruppe gilt das?

Henrike Maaß: Eine eindeutige klinische Prognose ist alleine durch die Viruslast leider nicht möglich. Besonders in Serumproben lässt sich die Viruslast erst bei besonders schwer erkrankten Patient:innen nachweisen, da sich das Virus zuerst in den oberen und unteren Atemwegen vermehrt. Dennoch zeigen unsere Daten, dass die Viruslast unter anderem hinzugezogen werden kann, um zu identifizieren, welche Patient:innen vermutlich einen schwerwiegenden Verlauf haben könnten und dementsprechend zusätzliche Behandlung benötigen.

Luka Cicin-Sain: Diesen Zusammenhang haben wir in schwer erkrankten Patient:innen festgestellt, wo die Probennahme aus der Lunge keine zusätzliche Belastung für die Patient:innen bedeutet hat. Solche Proben aus der Lunge könnten wir aufgrund von ethischen Überlegungen und der Patientenfürsorge bei Personen mit milderem Verlauf nicht gewinnen und dann auch nicht auswerten. Bei diesen Patient:innen kann man trotzdem die Viruslast im Blutserum messen. Als Faustregel gilt: Die Patient:innen mit einem sehr schweren Verlauf zeigten einen nachweisbaren Virustiter im Blutkreislauf.
 
 

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Welche Art Proben haben Sie in der Studie untersucht? Gibt es dabei Besonderheiten zu beachten?

Maaß: Wir haben in der Studie zum einen Serumproben untersucht und zum anderen Proben von der broncho-alveolären Lavage (BAL). Das besondere an BAL-Proben ist, dass sie direkt aus der Lunge stammen. Die Lunge wird mit Kochsalzlösung gespült und die Flüssigkeit danach abgesaugt. Da die Prozedur dafür wesentlich komplizierter und aufwendiger ist als die für Serumproben, ist diese Art der Proben nicht sehr häufig in Gebrauch. Zu unserem Glück werden diese Proben in Kroatien als diagnostisches Mittel genutzt, um Infektionen mit bakteriellen Lungenerregern zu identifizieren, was uns ermöglichte, diese Proben für unsere Studie zu nutzen. Ein weiterer Punkt ist, dass BAL-Flüssigkeiten, da sie direkt aus der Lunge kommen – also aus dem Bereich, in dem sich das Virus vermehrt – hochinfektiös sind im Gegensatz zu Blut. Um dieses Material zu analysieren, haben wir im S3**-Labor am HZI gearbeitet. Dieses Labor erfüllt die hohen Sicherheitsstandards, um mit solch infektiösen Proben zu arbeiten.

Die klinischen Proben wurden in der zweiten und dritten Coronawelle in Kroatien genommen. Welche Virusvarianten waren zu der Zeit vorherrschend und gab es Unterschiede zwischen den Varianten?

Maaß: In der Zeit der zweiten Welle gab es hauptsächlich prä-Alpha genannte Varianten. Zum Zeitpunkt der dritten Welle war die Virusvariante Alpha dominierend. In den meisten unserer Analysen haben wir die beiden Kohorten zusammengefasst. In einer getrennten Analyse haben wir jedoch herausgefunden, dass Alpha-infizierte Patient:innen eine höhere Viruslast aufwiesen, sowohl im Serum als auch in BAL-Proben. In der näheren Zukunft werden wir weitere Untersuchungen mit Delta-infizierten Patientenproben machen und dann schauen, wie sich diese Variante im Vergleich zu den vorherigen verhält. Erste vorläufige Ergebnisse dieser Patient:innen zeigen ebenfalls, dass die Viruslast in an der Infektion verstorbenen Patient:innen höher ist als die der Überlebenden.
 
 

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Was könnte sich durch diese Studienergebnisse bei der Behandlung von COVID-19 verbessern?

Cicin-Sain: Zum einen zeigten wir in dieser Studie zum ersten Mal, dass die Viruslast in der Lunge eine wesentliche Korrelation mit der Ausprägung der Krankheit hat. Das ist wichtig, weil frühere Studien keine Korrelation feststellen konnten, aber die Viruslast grundsätzlich in den oberen Atemwegen gemessen wurde, weil es einfacher durchzuführen ist. Die Viruslast in der Lunge ist jedoch wichtiger für den Krankheitsverlauf und das haben auch unsere Ergebnisse bestätigt. Somit legen unsere Daten nochmal nahe, dass eine Behandlung mit antiviralen Medikamenten nach der stationären Aufnahme und noch vor der Intensivstationsaufnahme durchaus sinnvoll ist, um die Viruslast in der Lunge zu verringern. Zum anderen gibt unsere Studie weitere Hinweise, dass die Patient:innen wegen ihrer SARS-CoV-2-Infektion versterben und nicht „mit Corona“. Tierexperimentelle Ergebnisse zeigten bereits, dass eine höhere Viruslast in der Lunge auch eine höhere Sterblichkeit verursacht. Unsere Daten zeigen, dass dieser Zusammenhang auch bei Menschen auftritt.

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung



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