Zwar selten, aber keine Randnotiz
Birgit Frohn Dipl. biol.Für die rund 4 Millionen Bundesbürger bedeutet ihre seltene Erkrankung eine Odyssee. Sie haben mit langen Diagnosewegen geprägt von Unsicherheit und Unwissenheit sowie einem Gesundheitssystem zu kämpfen, das auf ihre Bedürfnisse in der Regel nicht ausgelegt ist.
Diagnose von seltenen Erkrankungen kann Jahre dauern
Als „selten“ sind Krankheiten definiert, die weniger als 5 von 10.000 Menschen betreffen. Sie sind überaus vielfältig: Aktuell sind an die 8.000 seltene Erkrankungen bekannt, von denen 70% nur im Kindesalter auftreten. Die überwiegende Mehrzahl verläuft chronisch mit schweren Alltagseinschränkungen, deutlich verkürzter Lebenserwartung und erheblich herabgesetzter Lebensqualität. Denn die Betroffenen stehen vor gravierenden Herausforderungen: Die richtige Diagnose kann Jahre dauern, es fehlt an spezialisierter Ärzteschaft, und oft gibt es keine oder nur unzureichende Therapien.
Die Betroffenen und ihre Angehörigen kämpfen sich in ihrem Alltag unendlich ab
Positionspapier der ACHSE
„Wenn die Patienten nicht selbst aktiv werden, würden sie im niedergelassenen Bereich stranden“, beklagt Dr. Christine Mundlos, stellvertretende Geschäftsführerin der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE). Diese hat deshalb im November 2024 in ihrem Positionspapier „4 Millionen Gründe für eine bessere Gesundheitspolitik“ zentrale Forderungen formuliert, um die Versorgungssituation zu verbessern. Im Mittelpunkt steht die Notwendigkeit klarer Patientenpfade, einer besseren Expertenvernetzung und eines leichteren Zugangs zu spezialisierter Versorgung. Ein besonderes Anliegen des Positionspapiers ist es zudem, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern – sei es durch eine flexiblere Pflege, mehr Unterstützung im schulischen Bereich oder einen besseren Zugang zu innovativen Medikamenten.
„Ich war schockiert über den Mangel an Informationen“
Nicht nur darüber: Für Oksana Paulsen und ihr an C3-Glomerulopathie erkranktes Kind dauerte es nach der Diagnose über ein Jahr, bis endlich die richtige Medikation gefunden war. Doch dann wurde der dringend benötigte Wirkstoff zunächst vom Medizinischen Dienst als zu teuer abgelehnt. „Wie grundsätzlich alle Erstanträge“, so Paulsen, die inzwischen Vorstandsmitglied von NierenKinder Berlin-Brandenburg e.V. ist. Nach bürokratischem Kampf und einer Bewilligung gibt es häufig eine erneute Ablehnung. „Das muss sich ändern“.
Kulturwechsel im Umgang mit Gesundheitsdaten
Für den CDU-Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Hendrik Streeck gilt es vor allem bürokratische und regulatorische Hürden abzubauen, um die Vernetzung der Datenregister zu verbessern. „Datenbanken sprechen nicht miteinander“. Dazu müssen laut Prof. Streeck die Gesundheitsstrukturen und der Umgang mit Gesundheitsdaten neu gedacht werden. Den Grund, warum die Datenvernetzung in anderen europäischen Ländern besser ist, sieht Prof. Streeck darin, „dass wir immer noch keine funktionierende E-Patientenakte haben“.
Quelle:Fachforum Gesundheit „Die neue Regierung und die Versorgung von Seltenen Erkrankungen“ am 22. Mai 2025; Veranstalter: Verlag Der Tagesspiegel GmbH.