Schmerzmedizin
David Meier M.Sc.Die Schmerzmedizin ist ein interdisziplinäres Fachgebiet, das sich mit der Diagnostik, Behandlung und Prävention von akuten und chronischen Schmerzen befasst. Da Schmerzen nicht nur ein Symptom, sondern auch eine eigenständige Erkrankung sein können, erfordert die Schmerztherapie oft einen multimodalen Ansatz. Ziel ist es, die Lebensqualität der Patient:innen zu verbessern und Schmerzursachen gezielt zu behandeln.
Was ist Schmerz?
Schmerz ist ein komplexes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das durch Verletzungen, Erkrankungen oder Funktionsstörungen im Körper ausgelöst wird. Die Weltschmerzorganisation (IASP; International Association for the Study of Pain) definiert Schmerz als „ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird“ (1).
Schmerz dient als Warnsignal des Körpers, kann aber auch chronisch werden und zu einer eigenständigen Krankheit werden. Die Schmerzmedizin befasst sich mit der Erkennung, Behandlung und Prävention von akuten und chronischen Schmerzen, um die Lebensqualität der Patient:innen zu verbessern.
Schmerz ist eine subjektive Empfindung, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich wahrgenommen wird. Studien belegen, dass Frauen Schmerz intensiver empfinden und häufiger unter chronischen Schmerzen leiden als Männer. Dabei spielen hormonelle Faktoren, genetische Unterschiede sowie psychosoziale Einflüsse eine entscheidende Rolle. Die genauen Mechanismen hinter diesen Unterschieden sind jedoch komplex und noch nicht vollständig erforscht. Um eine effektive und individuell angepasste Schmerztherapie zu gewährleisten, sollten diese geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Diagnostik und Behandlung berücksichtigt werden.
Epidemiologie
Chronische Schmerzen sind ein weit verbreitetes Gesundheitsproblem und eine der häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit. In Deutschland leiden rund 17% aller Deutschen unter lang anhaltenden, chronischen Schmerzen. Besonders häufig sind Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Arthroseschmerzen sowie neuropathische Schmerzen. Neben dem eigentlichen Schmerz leiden die Betroffenen zusätzlich unter körperlichen Einschränkungen im Alltag, was häufig mit Stigmata und Symptomen wie depressiver Stimmung oder Schlafstörungen einher geht. Chronische Schmerzen führen außerdem zu hohen Kosten für das Gesundheitssystem: Sie verursachen in Deutschland jährlich Kosten in Höhe von schätzungsweise 38 Milliarden Euro (2).
Welche Schmerzarten gibt es?
Schmerzen lassen sich nach verschiedenen Kriterien, wie Lokalisation, Qualität, Dauer oder Ursache unterscheiden. Die häufigsten Schmerzarten sind:
Akute Schmerzen: Sie treten plötzlich auf und sind meist die Folge von Verletzungen, Operationen oder akuten Erkrankungen. Sie verschwinden nach der Heilung der Ursache.
Chronische Schmerzen: Sie bestehen länger als 3 bis 6 Monate und haben oft keine klare Ursache mehr.
Nozizeptive Schmerzen: Sie entstehen durch Gewebeschädigung, wie bei Verletzungen oder Entzündungen.
Neuropathische Schmerzen: Sie resultieren aus Schädigungen oder Fehlfunktionen des Nervensystems, z.B. durch Bandscheibenvorfälle oder diabetische Neuropathie.
Mixed Pain (gemischte Schmerzformen): Sie treten auf, wenn sowohl nozizeptive als auch neuropathische Mechanismen beteiligt sind, z.B. bei Tumorschmerzen oder Rückenschmerzen mit Nervenbeteiligung.
Welche Schmerzerkrankungen gibt es?
Die Schmerzmedizin befasst sich mit einer Vielzahl von Schmerzerkrankungen, darunter:
Rückenschmerzen: Häufigste Schmerzform, oft durch Muskelverspannungen, Bandscheibenschäden oder Wirbelsäulenveränderungen verursacht.
Arthroseschmerzen: Durch Gelenkverschleiß verursachte Schmerzen, die besonders Knie, Hüfte und Hände betreffen.
Kopfschmerzen und Migräne: Chronische Kopfschmerzerkrankungen, die durch Stress, neurologische Störungen oder Muskelverspannungen entstehen können.
Neuropathische Schmerzen z.B. bei diabetischer Polyneuropathie oder postzosterischer Neuralgie.
Fibromyalgie: Eine chronische Schmerzerkrankung mit weit verbreiteten Muskel- und Gelenkschmerzen ohne erkennbare Gewebeschädigung.
Schmerzdiagnostik
Schmerz ist eine subjektive Wahrnehmung, die von verschiedenen biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren in unterschiedlichem Ausmaß beeinflusst wird. Die Schmerzmessung erfolgt daher häufig über die Selbstauskunft durch die Patient:innen durch z.B. Schmerzskalen und Fragebögen. Zur Diagnostik können zusätzlich folgende Methoden zur Anwendung kommen:
Schmerzanamnese: Erhebung von Schmerzintensität, Dauer, Lokalisation und Begleitsymptomen.
Bildgebende Verfahren: Röntgen, MRT und CT zur Identifikation der Ursachen des Schmerzes.
Neurologische Untersuchungen: Testung der Nervenfunktion bei Verdacht auf neuropathische Schmerzen.
Laboruntersuchungen: Zum Ausschluss von entzündlichen oder metabolischen Schmerzursachen.
Schmerztherapie
Medikamentöse Therapie
Die WHO empfiehlt zur medikamentösen Schmerztherapie ein Vorgehen anhand des WHO-Stufenschemas. Dieses wurde ursprünglich zur medikamentösen Therapie von Tumorschmerzen entwickelt, wird aber auch für andere chronische Schmerzzustände angewendet. Beginnend bei der ersten Stufe kann die Therapie stufenweise gesteigert werden, wenn keine ausreichende Wirkung eintritt.
Stufe 1: Nicht-opioide Analgetika wie nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) (z.B. Paracetamol) oder Cannabinoide
Stufe 2: Schwache Opioide wie Tramadol oder Tilidin zusätzlich oder als Ersatz
Stufe 3: starke Opioide wie Morphin, Fentanyl oder Oxycodon
Weitere Therapiemöglichkeiten
Anästhesie: akute Schmerztherapie innerhalb eines begrenzten Zeitraums durch Lokalanästhetika wie z.B. Lidocain
Physiotherapie und Bewegungstherapie: Verbesserung der Mobilität und Muskelkraft
Physikalische Therapie: z.B. Massage, Kühlung, Wärme, Elektrotherapie
Psychologische Schmerztherapie: Verhaltenstherapeutische Ansätze zur Schmerzbewältigung und Stressreduktion
Komplementärmedizinische Verfahren: Akupunktur, TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) und Mind-Body-Techniken.
Literatur:
(1) International ASssociation for the Stud< of Pain (IASP) – Terminology, abrufbar unter: https://www.iasp-pain.org/resources/terminology/
(2) Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.: Herausforderung Schmerz, abrufbar unter: https://www.schmerzgesellschaft.de/patienteninformationen/herausforderung-schmerz