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Schwerpunkt Dezember 2022

Hepatitis: Update Impfung, Diagnostik, Therapie

von Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin und Susanne Morisch

Hepatitis: Update Impfung, Diagnostik, Therapie
© natali_mis - stock.adobe.com
Ist Hepatitis A wirklich nur eine Reisekrankheit? Welche Vorsorgeuntersuchung schließt eine Hepatitis B- und C-Testung mit ein? Wie erkennt man Hepatitis D und wie stecken sich Patient:innen auch in Deutschland mit Hepatitis E an? Im Interview beantwortet Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin, Chefarzt des St. Josefs-Hospitals Wiesbaden, Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie / Hepatologie, die wichtigsten Fragen rund um Diagnostik und Therapie der Hepatitis in der Hausarztpraxis.

 

Das Wichtigste in Kürze

  • Hepatitis A ist nur indirekt eine Reisekrankheit, die Verbreitung erfolgt meist über eine Person, die verreist war.
  • Check-up 35: Testung auf Hepatitis B und C unbedingt mit einschließen! Das geschieht nicht automatisch!
  • Hepatitis D: unbedingt testen, wenn ein positives Hepatitis B Ergebnis vorliegt!
  • Hepatitis E: Ansteckung über Genotyp 3 ist auch in Deutschland über Verzehr von Schweinefleischprodukten möglich!


Da die Hepatitis A hauptsächlich über verunreinigte Lebensmittel und Wasser übertragen wird, ist sie in Deutschland zunehmend eine Reisekrankheit. Bei welchen Reisezielen und/oder Risikogruppen sollten Hausärzt:innen eine Impfung empfehlen?


Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin: Dass die Hepatitis A eine Reisekrankheit in Deutschland ist, ist ein Fehlschluss. Die meisten Erkrankungen sind tatsächlich gar nicht direkt mit einer Reise assoziiert, sondern nur indirekt. Meistens ist es in Deutschland so, dass sich jemand bei einer Reise mit Hepatitis A-Viren (HAV) infiziert und dann andere ansteckt. Beispielsweise gab es in Hamburg den Fall einer jungen Frau, die sich auf einer Reise mit HAV infiziert hatte und dann in der Bäckerei, in der sie gearbeitet hat, über Backwaren und das Anfassen von Türgriffen und Toilettensitzen zahlreiche weitere Menschen angesteckt hat. Das ist in Deutschland typisch. Person A infiziert sich mit HAV durch eine Reise und verteilt, da sie klinisch unauffällig sind, die Infektion an Person B, C, D,…
Tatsächlich ist die HAV auch in südlichen europäischen Ländern relativ weit verbreitet, also in Reisegebieten, in denen viele Deutsche Urlaub machen. Hier sollte man darauf achten, Wasser nur in Knackflaschen zu sich zu nehmen und die Grundregel, alles was verzehrt wird, zu schälen, bzw. zu kochen, beachten. Sobald man Europa verlassen hat, steigt das Risiko einer HAV-Infektion deutlich an. In der Praxis werden zum Beispiel viele Fälle aus Marokko beobachtet. Grundsätzlich: Bei Reisen in südeuropäische Länder und in Gebiete außerhalb Europas kann man eine HAV-Impfung erwägen.
Außerdem interessant: Argentinien verzeichnete so viele HAV-Fälle, dass sie die Impfung zusammen mit Hepatitis B in die Säuglingsgrundimmunisierung aufgenommen haben. Entsprechend ist die Rate an HAV in Argentinien über die Jahre deutlich abgesunken.

Laut Statistik haben 300.000 bis 400.000 Menschen eine chronische HBV-Infektion, von der die Mehrheit nichts weiß. Warum ist die Diagnoserate so niedrig? Und was sind typische Warnzeichen, auf die Hausärzt:innen achten sollten?

Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin: Die genaue Zahl kennt natürlich niemand, aber ich halte diese Zahlen für valide. An dieser Stelle möchte ich auf einen ganz wichtigen Punkt hinweisen: Die ganzen Hepatitis-Viren sind Viren, die eine RNA-Grundlage haben, außer die Hepatitis B. Die Besonderheit von RNA-Viren ist, dass eine Heilung einer physikalischen Erradikation gleichkommt; das Virus ist dann wirklich nicht mehr da. Das gilt für die Hepatitis A, C, D und E. Bei der Hepatitis B hingegen liegt ein DNA-Virus vor, das im Körper persistiert. Es verbleibt latent in den Leberzellen und kann sich von dort aus wieder manifestierten, beispielsweise bei einer Schwäche des Immunsystems. Ist ein Hepatitis-B-Virus einmal in die Leberzelle eingedrungen, verbleibt es dort für den Rest des Lebens. Das Gute ist, dass es in den meisten Fällen so vom Immunsystem kontrolliert wird, dass es sich nicht oder nur minimal vermehrt. Das wiederum bedeutet aber, dass die Infektion unbemerkt bleibt. Das erklärt, warum so viele Fälle nicht diagnostiziert sind.
Hausärzt:innen sollten natürlich auf erhöhte Leberwerte achten. Alles andere sind eher unspezifische Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsprobleme. Die sind aber so allgemein, dass sie auch auf sehr vieles andere hinweisen können. Erst wenn die klassischen Symptome einer Lebererkrankung auftreten, wird die Diagnose erleichtert, allen voran die Gelbsucht. Die Augen oder sogar die Haut wird gelb, was immer ein Alarmsignal darstellt.

Was sind die aktuellen Standards der Diagnostik bei HBV und HCV?

Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin: Die Primärdiagnostik wird weiterhin im Wesentlichen von den Hausärzt:innen durchgeführt. Neue Standards gibt es dabei nicht. Für die Erstuntersuchung gibt es Antikörpertests, bei der Hepatitis B kommt noch der HBs-Antigentest hinzu. Bei Bestätigung erfolgen Viruslastbestimmungen mit HBV-DNA bzw. HCV-RNA.
Neu hinzugekommen ist eine Screening-Untersuchung, die unabhängig von Laborwerten oder Symptomen durchgeführt wird: Jeder in Deutschland, ab dem Alter von 35, darf einen Check-up machen, nennt sich auch Gesundheitsvorsorgeuntersuchung. Dieser Check-up 35 umfasst einen kostenlosen Check-up in der Hausarztpraxis, der anlasslos einige grundlegende Untersuchungen anstellt, u.a. Blutzuckerwerte, Fette, Urin. Seit 1 Jahr wird dabei zusätzlich auf Hepatitis B und C getestet. Das ist eine Kassenleistung, die im Oktober 2021 eingeführt wurde, um die vielen unentdeckten Hepatitis B- und Hepatitis-C-Fälle in Deutschland zu detektieren. Zum einen kann die Infektion so den exzellenten Behandlungsmöglichkeiten zugeführt werden, zum anderen hat sich Deutschland zum Ziel der WHO bekannt, Hepatitis B und C bis zum Jahr 2030 zu eliminieren – das ist nur möglich, wenn die entsprechenden Fälle auch aufgedeckt werden.
Die Testung auf Hepatitis B und C muss allerdings bei der Testung aktiv angekreuzt werden, sonst wird sie nicht durchgeführt. Daher mein Appell an alle Hausärzt:innen: Denken Sie daran, beim Check-up 35 die Testung auf Hepatitis B und C mit einzuschließen!

Wie werden Hepatitis-B-Patient:innen leitliniengerecht behandelt?

Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin: Bei der Hepatitis B gilt es zunächst festzustellen, wie aktiv die Infektion ist. Bei den meisten Patient:innen muss sie nicht behandelt werden. Sind die Viren aber aktiv – festzumachen an Viruslast, Leberwerten und Stadium der Lebererkrankung – ist eine Therapieindikation gegeben. Die Therapie selbst zielt auf die Hemmung der Replikation in Form von Polymerase-Inhibitoren. Derzeit stehen dafür die Wirkstoffe Tenefovir und Entecavir zur Verfügung, die täglich eingenommen werden müssen, und zwar dauerhaft; ein Absetzen ist nur sehr selten möglich. Die Therapie ist exzellent verträglich und sehr sicher wirksam.

Was muss bei der Therapie der HCV beachtet werden, zum Beispiel in Hinblick auf Alter, Leberfunktion, Komorbiditäten und ähnliches?

Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin: Solche Faktoren spielen mittlerweile keine Rolle mehr.
Auch bei der Hepatitis C müssen die Fälle erst aufgedeckt werden. Die Therapie ist nicht nur wie bei Hepatitis B sehr gut verträglich, sondern muss außerdem nur über einen Zeitraum von 8 bis 12 Wochen erfolgen. Es gibt praktisch kaum Nebenwirkungen, unabhängig davon, ob sich bereits eine Zirrhose manifestiert hat oder nicht. Auch Vortherapien spielen keine Rolle, ebenso wenig wie eine Nierenerkrankung – Hepatitis C ist sehr gut behandelbar. Der einzige Wermutstropfen: Liegt bereits eine fortgeschrittene Leberschädigung vor, verschwindet zwar das Virus aus dem Körper, aber das Risiko für die Entstehung eines Leberkarzinoms bleibt bestehen. Diese Patient:innen sollten engmaschig alle 6 Monate nachbeobachtet werden.

Bei welchen Patient:innengruppen tritt die Hepatitis D gehäuft auf? Auf welche Warnzeichen sollte geachtet werden und wie gestaltet sich die Therapie?

Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin: Die Hepatitis D tritt in Deutschland selten auf: Etwa 30 bis 80 Fälle werden jährlich diagnostiziert. Die allermeisten dieser Fälle haben einen Migrationshintergrund, in Deutschland erworbene Delta-Fälle sind extrem selten. Zwar kann die Infektion auch über Drogengebrauch erfolgt sein, aber meistens sind die mangelhaften Hygienebedingungen im Gesundheitswesen des Heimatlandes verantwortlich, sodass mit unsterilen Nadeln gearbeitet oder unsaubere Transfusionen verabreicht wurden. Auch eine Übertragung durch Geschlechtsverkehr ist möglich.
Delta braucht Hepatitis B zwingend zum Überleben. Das heißt, eine Testung auf Hepatitis B muss zuerst erfolgen. Liegt dann ein positives Ergebnis vor, muss zusätzlich auf Hepatitis D getestet werden. Das wird leider häufig vergessen.
Seit wenigen Monaten gibt es für Hepatitis D eine Therapie – denn die Hepatitis-B-Therapie mit Tenofovir und Entecavir oder auch die frühere Gabe von Interferon-alfa wirkt bei Delta nicht bzw. kaum – die es vorher nicht gab: Bulevirtid, das die weitere Verbreitung des Virus auf die Leberzellen sehr sicher stoppt. Die Zulassung erfolgte auf Basis der Ergebnisse einer Phase-II-Studie. Phase III läuft noch, es kann es kann aber bereits von Spezialisten eingesetzt werden und wir sehen damit erstmals gute Therapieerfolge.

Hepatitis E tritt in Deutschland mittlerweile häufiger auf als Hepatitis A, ist also keine reine Reisekrankheit mehr. Wie ist ihr Verlauf und wie wird sie therapiert?

Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin: Hepatitis E tritt in verschiedenen Varianten auf: Genotyp 1 beispielsweise tritt praktisch ausschließlich auf Reisen auf, weil dieser Genotyp in Deutschland nicht existent ist. Zum Beispiel in Südostasien wird er über verunreinigtes Wasser oder auch von Mensch zu Mensch übertragen. Eine andere Virus-Variante, der Genotyp 3, ist dagegen unter anderem in unserem Haus- und Wildschein zu finden. Da die Verbreitung dieses Genotyps in Deutschland lange nicht bekannt war, wurden viele hospitalisierte Patient:innen mit erhöhten Leberwerten nach dem Absinken der Werte ohne Diagnose wieder entlassen. Seitdem nun seit einigen Jahren bekannt ist, dass die Ansteckung mit Hepatitis E auch in Deutschland möglich ist, wird entsprechend getestet. Entsprechend sind die Zahlen für Hepatitis E in den letzten Jahren deutlich gestiegen – aber vermutlich weniger aufgrund eines tatsächlichen Anstiegs der Infektionszahlen, sondern, weil mittlerweile vermehrt darauf getestet wird: Noch vor 15 bis 20 Jahren war die Hepatitis E in Deutschland mit weniger als 100 Fällen pro Jahr eine Rarität, mittlerweile sind es jährlich etwa 3.000 Fälle. Oft haben diese Patient:innen Mettbrötchen, also rohes Schweinefleisch, verzehrt, oder auch nicht komplett durchgebratenes Fleisch gegessen; auch durch den Verzehr von Schinken oder Pastete ist eine Übertragung möglich. Es wird damit gerechnet, dass sich jedes Jahr etwa 400.000 Menschen mit Hepatitis E infizieren, also eine extrem hohe Zahl an Infektionen, die bei den meisten unbemerkt bleibt. Die Erkrankung bricht nur ganz selten aus. Die Symptome sind hohe Leberwerte und eine Gelbfärbung; beides heilt aber von selbst innerhalb von Wochen oder wenigen Monaten aus. Fulminate Verläufe mit Leberversagen sind extrem selten. Im Gegensatz zur Hepatitis A ist bei E aber auch ein chronischer Verlauf möglich. Dies betrifft aber nur immunsupprimierte Patient:innen.

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