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Infektionen bei hämatologischen Erkrankungen: Diagnostik – Therapie – Prävention

Infektionen bei hämatologischen Erkrankungen: Diagnostik – Therapie – Prävention
© Ruslan Batiuk – stock.adobe.com
Infektionen sind eine häufige Komplikation bei der Behandlung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen. Dies ist sowohl auf die Auswirkungen der Erkrankung selbst als auch auf die Behandlungsmethoden zurückzuführen, die das Immunsystem auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Insbesondere immunmodulierende und immunsuppressive Therapieansätze sowie spezifische Krankheitsbilder wie akute Leukämien können das Infektionsrisiko deutlich erhöhen.
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Massiv erhöhtes Infektionsrisiko bei Leukämie

Infektionen stellen eine wichtige und nicht seltene Komplikation bei der Behandlung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen dar. Sowohl die Erkrankung selbst als auch die jeweilige Tumortherapie beeinträchtigen das Immunsystem in vielfältiger Weise und machen Patient:innen anfälliger für verschiedene Arten von Infektionen. Darüber hinaus können auch immunmodulierende und immunsuppressive Therapien das Infektionsrisiko erhöhen. Dabei spielen die Intensität der Therapie und die Art der Erkrankung eine entscheidende Rolle. Insbesondere bei hämatologischen Erkrankungen kann die zugrundeliegende Entität zu einer geschwächten Immunantwort der Patient:innen führen, was das Infektionsrisiko erhöht, z.B. bei akuten Leukämien. Mehr oder weniger lang anhaltende und unterschiedlich ausgeprägte Zytopenien, insbesondere der Neutrophilen, erhöhen das Infektionsrisiko.

Infektionsrisiko bei soliden Tumoren etwas geringer als bei hämatologischen Tumorerkrankungen

Bei klassischen Chemotherapien solider Tumoren ist das Infektionsrisiko etwas geringer als bei hämatologischen Tumorerkrankungen wie der akuten myeloischen Leukämie (AML) unter intensiver Chemotherapie oder im Rahmen einer Hochdosischemotherapie oder Konditionierung vor einer allogenen Blutstammzelltransplantation. Daten aus klinischen Studien zeigen, dass die Häufigkeit von Infektionen bei Patient:innen mit soliden Tumorerkrankungen wie dem Kolonkarzinom, die mit einer herkömmlichen Chemotherapie behandelt werden, im hohen einstelligen Prozentbereich liegen kann. Dabei muss es sich nicht um schwere Infektionen handeln.

Akute Leukämie + Neutropenie erhöht Infektionsrisiko massiv

Hämatologische Erkrankungen weisen höhere Infektionsraten auf. Im Rahmen der ambulanten Therapie des Multiplen Myeloms liegen sie z.B. im Therapieverlauf im Bereich von 20-30%. Allerdings sind auch hier die Infektionen nicht unbedingt schwerwiegend und können ambulant gut behandelt werden. Bei akuten Leukämien oder Erkrankungen, bei denen es zu einer starken Infiltration des Knochenmarks mit Verdrängung der gesunden Blutbildung und damit zu einer Beeinträchtigung der Leukozyten kommt, besteht jedoch zweifellos ein erhöhtes Infektionsrisiko. Die körpereigene Abwehr ist in solchen Fällen deutlich geschwächt, was das Infektionsrisiko erhöht. Bei Patient:innen, die bei einer akuten Leukämie schwere Neutropenien entwickeln, kann die Infektionsrate 60-70% betragen. In diesen Fällen handelt es sich häufig um Infektionen, die eine stationäre Behandlung erfordern. Ein besonders wichtiger Risikofaktor ist das Auftreten und die Dauer einer Neutropenie, bei der die Zahl der neutrophilen Granulozyten unter 500/µl liegt. Wird diese Zahl länger als 7 Tage unterschritten, handelt es sich um eine schwere Neutropenie und die betroffenen Patient:innen sind einem erhöhten Risiko für schwerwiegende Infektionskomplikationen ausgesetzt. Zusätzlich tragen Patient:innen, bei denen auch die humorale Immunantwort eingeschränkt ist, ein erhöhtes Infektionsrisiko. Bei diesen Patient:innen ist die Lymphozytenzahl krankheitsbedingt, therapiebedingt oder auch aufgrund von Komorbiditäten reduziert.

Häufig gute Immunabwehr bei hämatologischen Neoplasien ohne Chemotherapie

Es gibt allerdings auch hämatologische Neoplasien, wie z.B. indolente Lymphome, welche die Patient:innen nicht wesentlich beeinträchtigen müssen. Zwar besteht auch in diesen Fällen ein statistisch erhöhtes Infektionsrisiko; Patient:innen, die keine Chemotherapie erhalten und beschwerdefrei am Alltagsleben teilnehmen können, wie z.B. Patient:innen mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) oder anderen indolenten B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen, können jedoch häufig eine gute Immunabwehr aufweisen und müssen keine relevanten Einschränkungen des Alltagslebens durch ein mögliches Infektionsrisiko hinnehmen.

Vorerkrankungen erhöhen Infektionsrisiko bei malignen Tumoren

In die Bewertung der Risikoscores fließen auch Vorerkrankungen ein, die verschiedene Organsysteme betreffen können, wie Herzerkrankungen, Niereninsuffizienz oder erhöhte Leberwerte. Hinzu kommen Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Lungenerkrankungen wie COPD. Bei den Patientengruppen, die myelotoxische Therapien erhalten, ist zudem von Bedeutung, ob sie sich in der ersten Induktionstherapie oder bereits in der Konsolidierungs- oder Rezidivtherapie befinden. Obwohl ältere Menschen ein höheres Infektionsrisiko haben als jüngere, ist das Alter nicht der wichtigste Risikofaktor. Wichtiger ist die Fitness der Patient:innen, die z.B. durch Performance Scores objektiviert werden kann.
 
 

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Infektionen mit gramnegativen Erregern bei Neutropenie lebensbedrohlich

Aus dem breiten Spektrum möglicher Erreger, die bei einer Neutropenie auftreten können, stellen bakterielle Infektionen in der Regel eine besonders lebensbedrohliche Gefahr dar. Hier sind insbesondere Infektionen mit gramnegativen Erregern zu beachten. Diese können sich sehr schnell innerhalb weniger Stunden entwickeln. Zeigen Patient:innen auffällige Symptome, ist es von entscheidender Bedeutung, frühzeitig mit einer antibiotischen Therapie zu beginnen. Entwickeln Patient:innen zusätzlich Schocksymptome, korreliert der Zeitpunkt der Einleitung einer antibiotischen Therapie direkt mit dem Überleben. In diesen Fällen sollte die antibiotische Therapie unverzüglich eingeleitet werden. Von besonderer Bedeutung ist die flächendeckende Entnahme von Proben zur Kultivierung, um den Erreger zu identifizieren und die Therapie gezielt anzupassen und ggf. zu entschärfen.

Antibakterielle Prophylaxen bei hämatologischen Tumoren zurückhaltend eingesetzt

Echte antibakterielle Prophylaxen, z.B. mit Fluorchinolonen, werden immer zurückhaltender eingesetzt. Die Indikationen, die u.a. von der DGHO formuliert wurden, betreffen vor allem Patient:innen mit einer prolongierten Neutropenie von mehr als 7 Tagen, einer zu erwartenden prolongierten schweren Neutropenie und zusätzlichen Risikofaktoren wie den oben genannten Vorerkrankungen. Zusätzlich gibt es Daten, die den Einsatz während des ersten Chemotherapiezyklus unterstützen, beispielsweise bei intensiver Therapie für AML-Patient:innen. In den weiteren Zyklen wird die Antibiotikaprophylaxe häufig zurückhaltender eingesetzt, auch um die Induktion von Resistenzen zu vermeiden.

Einsatz von Antibiotic-Stewardship-Teams bei hämatologischen Tumoren mit bakterieller Infektion

Es hat sich bewährt, den initialen empirischen Antibiotikaeinsatz in Abhängigkeit vom lokalen Erregerspektrum zu steuern. Sinnvoll sind Antibiotic-Stewardship-Teams, in denen Fachleute aus verschiedenen Bereichen wie Mikrobiologie, Infektiologie und Pharmazie mit den behandelnden Ärzt:innen zusammenarbeiten. Auf der Basis des lokalen Keim- und Resistenzspektrums kann eine kalkulierte Antibiotikatherapie gewählt werden; auf der Basis der mikrobiologischen und lokalen Befunde kann im Verlauf gezielt deeskaliert werden. Es ist wichtig, kontinuierlich zu überprüfen, ob eine Antibiotikatherapie weiterhin notwendig ist und welche Antibiotika ggf. erforderlich sind. Diese Entscheidungen sollten regelmäßig reevaluiert werden.

Gabe von Anti-CD20-Antikörpern: Auf Hepatitis B testen!

Bei einigen Indikationen sind prophylaktische Maßnahmen heute Standard. Diese Prophylaxen beschränken sich jedoch nicht immer auf antibakterielle Maßnahmen, sondern umfassen häufig auch eine antivirale Prophylaxe. So sollte z.B. bei der Gabe von Anti-CD20-Antikörpern wie Rituximab auf das Vorliegen einer Hepatitis B getestet werden, und in manchen Fällen muss eine medikamentöse Therapie in Betracht gezogen werden, um fulminante Reaktivierungen zu verhindern.

Antimykotische Prophylaxe bei Stammzelltransplantation oder AML-Behandlung

Für Patient:innen, die eine Stammzelltransplantation oder AML-Behandlung erhalten, wird zusätzlich eine antimykotische Prophylaxe in Betracht gezogen. Dabei geht es zum einen um die Verhinderung von Hefepilzen, vor allem aber um die Prophylaxe von Aspergillosen, z.B. mit Azolen. Eine antibakterielle Prophylaxe wird an vielen Zentren bei Leukämiepatient:innen in der Induktion durchgeführt. Dabei ist jedoch auf mögliche Interaktionen mit den verabreichten Zytostatika zu achten. Die Entscheidung für oder gegen eine solche Prophylaxe hängt oft von der Kontrolle des Umfelds ab, in dem die Patient:innen behandelt werden. In Einrichtungen, in denen das Umfeld sehr kontrolliert ist und das medizinische Team schnell auf Fieber reagieren kann, wird die Notwendigkeit einer solchen Prophylaxe sorgfältig abgewogen. In der Tat sind einige medizinische Zentren zurückhaltender geworden, eine antibakterielle Prophylaxe zu verabreichen, da beobachtet wurde, dass dies zu einer Selektion bestimmter Erreger führen kann, wie z.B. multiresistente gramnegative Erreger.

Antibiotika bei hämatologischen Patient:innen oft mit Nebenwirkungen verbunden

Die Nebenwirkungen unter der Gabe von Antibiotika können bei hämatologischen Patient:innen vielfältig sein. Insbesondere die Fluorchinolone sind dafür bekannt, ein breites Spektrum an Nebenwirkungen hervorzurufen. Unter der Einnahme von Ciprofloxacin oder Levofloxacin können schwerwiegende Nebenwirkungen wie Tendinopathien auftreten, welche die Patient:innen stark beeinträchtigen können. Einige Patient:innen berichten zudem von Stimmungsschwankungen unter solchen Medikamenten. Andererseits werden diese Medikamente häufig ohne relevante Nebenwirkungen verordnet.

Organtoxizität unter Aciclovir oder Cotrimoxazol bei hämatologischen Patient:innen möglich

Bei der Gabe von Antibiotika sind grundsätzlich Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu beachten. Auch andere Nebenwirkungen wie Organtoxizität und allergische Reaktionen, die unter Medikamenten wie Aciclovir oder Cotrimoxazol auftreten können, sind nicht zu vernachlässigen. Besonders problematisch können diese Interaktionen für Patient:innen kurz nach einer Stammzelltransplantation sein, da hier eine Vielzahl von Medikamenten eingenommen werden muss.

Schwerwiegende Komplikationen durch CMV bei allogener Blutstammzelltransplantation möglich

Daneben gibt es verschiedene atypische und opportunistische Infektionen, die klinisch relevant sind. Dazu gehört die Reaktivierung von Viren, wie z.B. des Cytomegalievirus (CMV). Diese ist insbesondere im Zusammenhang mit der allogenen Blutstammzelltransplantation von Bedeutung und kann mit schwerwiegenden Komplikationen einhergehen.

Letermovir senkt Reaktivierungsrate von CMV

Für CMV hat sich im Rahmen der Stammzelltransplantation der Einsatz von Letermovir als wirksame Prophylaxe erwiesen, da es die Reaktivierungsrate senkt. Im Zusammenhang mit der Reaktivierung anderer humaner Herpesviren, sowohl Herpes simplex als auch Varizella-Zoster, wird Aciclovir prophylaktisch verabreicht, insbesondere bei hämatologischen Erkrankungen oder bei Langzeittherapie mit Steroiden.

Pilzinfektionen und auch Infektionen mit Polyomaviren bei Stammzelltransplantation möglich

Seltenere Viren wie Polyomaviren können auch im Zusammenhang mit Stammzelltransplantationen auftreten. Auch Pilzinfektionen, insbesondere invasive Mykosen wie Aspergillosen, sind zu beachten.

Gute Hygiene für hämatologische Patient:innen und deren Umfeld sehr wichtig

Haut und Schleimhäute sind wichtige Eintrittspforten für Infektionen. Daher sollten sowohl die Patient:innen als auch deren Umfeld auf die Einhaltung einer guten allgemeinen Hygiene, einschließlich der Mundhygiene, hingewiesen werden. Die Händedesinfektion ist dabei zweifellos von großer Bedeutung, ebenso wie die allgemeine Sauberkeit und Hygiene im Haushalt. So kann es gerade bei intensiven Chemotherapien sinnvoll sein, vorhandene Schimmelflecken rasch zu beseitigen. Zudem können sich die Patient:innen durch das Tragen von Mundschutz und eventuell auch durch Social Distancing vor Infektionen schützen.

No-Touch-Techniken und Einhaltung von Hygieneprinzipien beim Anstechen oder Verwenden von Kathetern

Auch im stationären oder ambulanten Setting gibt es Maßnahmen, die beachtet werden sollten. Dazu gehören neben der Händedesinfektion und -hygiene auch der sachgerechte Umgang mit Kathetern und die Anwendung von No-Touch-Techniken sowie die Einhaltung von Hygieneprinzipien beim Anstechen oder Verwenden von Kathetern. Darüber hinaus sollten die Patient:innen selbst in der Lage sein, Infektionen frühzeitig zu erkennen, regelmäßig Fieber zu messen und sich ärztlich vorzustellen, wenn Fieber oder Anzeichen einer Infektion auftreten. Wichtig ist hier, dass die Patient:innen von den behandelnden Ärzt:innen entsprechend geschult werden.

Regelmäßige Bewegung bei hämatologischen Patient:innen kann Atemwegsinfektionen reduzieren

Nicht zuletzt spielt ausreichende Bewegung eine wichtige Rolle. Regelmäßiges Training verbessert nicht nur das allgemeine körperliche Befinden, sondern dient ebenso wie ein gezieltes Atemtraining der Rekrutierung. Es wird vermutet, dass solche Maßnahmen auch dazu beitragen können, das Auftreten von Atemwegsinfektionen zu reduzieren.

Maligne hämatologische Erkrankung: Impfungen auffrischen

Patient:innen mit malignen hämatologischen Erkrankungen sowie auch deren Angehörige sollten ihren Impfstatus überprüfen und gegebenenfalls auffrischen lassen. Grundsätzlich sollten Impfungen gegen Atemwegserkrankungen wie Influenza und COVID-19 erwogen werden. Spezielle Impfempfehlungen gelten insbesondere nach Zelltherapien.
 

Podcast O-Ton-Onkologie

Hören Sie sich die ganze Folge „Infektionen in der Hämatologie und Onkologie“ mit Dr. med. Deepak Vangala und Dr. med. vet. Astrid Heinl an!


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