Aktuelle internationale Empfehlungen zur diabetischen Neuropathie
31. Mai 2022
Die Neuropathie ist eine der häufigsten und schwerwiegendsten Folgeerkrankungen des Diabetes. Trotzdem bleibt sie oftmals lange Zeit unerkannt und unbehandelt. 15 internationale Neuropathie-Experten erarbeiteten jetzt ein Konsensus-Papier mit aktuellen Empfehlungen für das Management der Erkrankung in der Praxis. Einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert hat demnach die pathogenetisch wirksame Therapie mit Benfotiamin und Alpha-Liponsäure.
Die Blutzuckereinstellung optimieren und neuropathische Schmerzen symptomatisch behandeln – eine Therapie der diabetischen Neuropathie nach diesem Schema greift nach Meinung internationaler Wissenschaftler und Ärzte zu kurz. Eine optimierte Diabetesbehandlung gilt unbestritten als Basis-Maßnahme, um den schädlichen Auswirkungen der Hyperglykämie entgegenzuwirken. „In Studien bei Typ-1-Diabetes erwies sich das als effektiv zur Prävention und Hemmung der Progression einer Neuropathie, bei Typ-2-Diabetes fehlt hier jedoch bisher die Evidenz“, schreiben die Neuropathie-Experten um Prof. Dan Ziegler, Düsseldorf, in einer aktuellen Publikation in „Diabetes Research and Clinical Practice“ (1). Auch die Wirksamkeit der symptomatischen Therapie neuropathischer Schmerzen, z. B. mit Antidepressiva, Antikonvulsiva oder Opioiden, sei begrenzt: Nur 50% der Patienten mit schmerzhafter Neuropathie sprechen auf eine analgetische Monotherapie an, so die Autoren. Limitierende Faktoren bei einer analgetischen Pharmakotherapie sind außerdem die Nebenwirkungen. Daher ist eine zusätzliche pathogenetisch wirksame Therapie von hoher Relevanz, wie die Wissenschaftler betonen (1). Diese zielt auf die Mechanismen ab, die der diabetischen Neuropathie auf zellulärer Ebene zugrunde liegen, und kann auf diese Weise auch neuropathische Symptome lindern. In Deutschland stehen dafür die Biofaktoren Benfotiamin und Alpha-Liponsäure (ALA) zur Verfügung.
Die fettlösliche Vitamin-B1-Vorstufe Benfotiamin weist eine wesentlich bessere Bioverfügbarkeit auf als herkömmliches, wasserlösliches Thiamin (2). Dadurch werden nach oraler Gabe therapeutische Wirkspiegel erzielt, und das Vitamin gelangt in signifikant höheren Konzentrationen in den Blutkreislauf und zum Nervengewebe. Mangelzustände können dadurch wirksam ausgeglichen werden, die in verschiedenen Studien bei Menschen mit Diabetes aufgrund einer erhöhten renalen Ausscheidung nachgewiesen wurden (3,4).
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Erschienen am 15.11.2021 • Wie können Neuropathien bei Diabetes effektiv behandelt werden? Wir haben die Antwort in Form von neuen Therapieoptionen für Sie zusammengestellt!
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Da Vitamin B1 für die Funktion der Nerven und für den Kohlenhydrat-Stoffwechsel unverzichtbar ist, kann ein Mangel massive metabolische Störungen nach sich ziehen und Neuropathien verursachen. Unter anderem ist ein Schlüssel-Enzym des Glukose-Stoffwechsels, die Transketolase, von Vitamin B1 als Cofaktor abhängig. Das Enzym stellt die Weichen, ob Glukose auf harmlosen oder schädlichen Wegen abgebaut wird. In experimentellen Studien zeigte sich, dass Benfotiamin die Transketolase aktivieren kann. Dadurch wird Glukose vermehrt den harmlosen Abbauwegen zugeführt und die Bildung schädlicher Substanzen, wie der Advanced Glycation Endproducts (AGEs), reduziert (5). Dass Diabetes-Patienten mit Neuropathien davon profitieren, zeigen randomisierte placebokontrollierte Studien, in denen durch eine Behandlung mit Benfotiamin neuropathische Symptome wie Kribbeln, Brennen und Taubheit in den Füßen gelindert werden konnten (6,7).
ALA greift ebenfalls in die Pathomechanismen der diabetischen Neuropathie auf zellulärer Ebene ein, indem das potente Antioxidans reaktive Sauerstoffspezies abfängt. In klinischen Studien zeigte sich, dass durch eine Therapie mit ALA neuropathische Symptome und Defizite gebessert werden können (8).
Auch in einem aktuellen Kompendium der American Diabetes Association (ADA) weisen die Autoren aus den USA, England und Deutschland auf den Stellenwert der pathogenetischen Therapie mit Benfotiamin und ALA bei diabetischer Neuropathie hin: In Anbetracht der Schwere der Erkrankung auf der einen Seite und der limitierten Wirksamkeit der kausalen und symptomatischen Therapie auf der anderen Seite bestehe ein Bedarf an dieser ergänzenden Behandlungsoption (9).