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Medizin

Atherosklerose: Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Entstehung von Plaques

Atherosklerose: Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Entstehung von Plaques
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Für ihre Arbeit über geschlechtsspezifische Unterschiede von Plaque-Strukturen erhält Dr. Lena Marie Seegers vom Universitätsklinikum Frankfurt, Medizinische Klinik 3: Kardiologie und Angiologie, den Wissenschaftspreis „Frauenherzen“ der Deutschen Herzstiftung. Der Preis ist 2023 erstmals gemeinsam mit der Projektgruppe „Frauen und Familie in der Kardiologie“ und der „Arbeitsgruppe Gendermedizin in der Kardiologie“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) ausgeschrieben worden.

Deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit nach wie vor eine der Haupttodesursachen. Inzwischen ist bekannt, dass es dabei deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. So belegen Studien zum Beispiel geschlechtsspezifische Unterschiede im Erscheinungsbild von Herzerkrankungen, die mit Durchblutungsstörungen einhergehen und die in ein akutes (Herzinfarkt) oder chronisches Koronarsyndrom (stabile koronare Herzkrankheit, KHK) münden können. Auslöser sind stets Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen, die koronare Atherosklerose – und zwar bei beiden Geschlechtern.

Layered plaques: Hinweis auf stumme vorausgegangene Plaquedestabilisierungen

Bis eine koronare Herzerkrankung diagnostiziert wird und eine Behandlung beginnt, vergeht häufig wertvolle Zeit. Denn die KHK schreitet oft schleichend voran, ohne dass ein auffälliges akutes Ereignis wie ein Herzinfarkt stattfindet. Der Prozess der Gefäßablagerungen, der einer KHK zugrunde liegt, kann dabei gleichförmig oder sprunghaft verlaufen. Wie kritisch die KHK verläuft, hängt nicht nur davon ab, wie groß das Ausmaß der Ablagerungen ist, sondern auch, wie die einzelnen atherosklerotischen koronaren Plaques aufgebaut sind. Diese Strukturen lassen sich gut mit einem bildgebenden Verfahren, der Optischen Kohärenztomographie (OCT), darstellen. Dabei kann zum Beispiel festgestellt werden, ob eine Ablagerung aus mehreren Plaqueschichten unterschiedlicher Dichte besteht (layered plaques). Diese gelten als ein Zeichen stummer vorausgegangener Plaquedestabilisierungen. Solche Vorgänge, wie etwa das Aufreißen einer Plaque, gelten als Risikofaktor für das Entstehen eines Blutgerinnsels, das dann zum Herzinfarkt führen kann. Doch der menschliche Körper ist häufig in der Lage, durch Eigenregulation eben solche Plaquedestabilisierungen verheilen zu lassen, ohne dass es zu einem akutem Koronarsyndrom kommt. Allerdings weist das Vorhandensein der dann entstehenden Plaqueschichten darauf hin, dass so ein klinisch stummer Prozess stattgefunden hat.

Untersuchung von geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Plaqueprogression

„In Studien wurden zwar bereits mit Hilfe bildgebender Verfahren Unterschiede am Herzen von Männern und Frauen mit einer KHK nachgewiesen, aber geschlechtsspezifische morphologische Unterschiede hinsichtlich Plaqueprogression und Plaquestabilsierungsmechanismen sind bisher nicht untersucht worden“, erläutert Dr. Lena Seegers das prämierte Projekt. „Zusammen mit Prof. Jang und seinem Team habe ich zudem nach Phänotypen bei layered, also geschichteten, plaques gesucht, die auf diese Heilungsvorgänge in den Plaques sowie auf ein Fortschreiten der Ablagerungen deuten.“ Dazu wurden in ihrem Projekt 533 Patient:innen, davon 115 Frauen, mit einem chronischen Koronarsyndrom untersucht, die vor einem Koronareingriff eine OCT-Bildgebung erhalten hatten. Seegers und ihre US-Kolleg:innen konnten anhand der Aufnahmen eine detaillierte Analyse durchführen. Sie bildeten auf Basis der Daten verschiedene Gruppen von Patient:innen mit und ohne geschichteten Plaques und trennten diese nochmals nach Geschlecht. Insbesondere die Ablagerungsschichten in der Gruppe der layered plaques wurden weiter speziell vermessen: Zahl und Struktur dieser Plaques wurden erfasst und geprüft wurde, ob ein intaktes oder unterbrochenes Schichtmuster vorlag (1).
 
 

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Plaqueentwicklung ist bei Männern eher mit Entzündungsvorgängen verbunden

Insgesamt wiesen zwar Männer und Frauen gleich häufig layered plaques auf (55% der Männer vs. 54% der Frauen). „Wir konnten jedoch deutliche Unterschiede im Aufbau dieser Plaques feststellen“, so Seegers. So zeigten die geschichteten Plaques der Männer eine andere Morphologie und sie wiesen mehr Merkmale vulnerabler Plaques auf. Sie waren unter anderem häufiger lipidreich und enthielten mehr Makrophagen und Cholesterinkristalle im Vergleich zu ungeschichteten Plaques in der Männergruppe. Einen solchen Unterschied gab es bei den Frauen nicht. In den geschichteten Plaques von Männern fanden sich jedoch mehr Hinweise auf frühere Plaqueverletzungen (Rupturen) als bei Frauen, wie zum Beispiel ein durchbrochenes Schichtmuster. Aufgrund dieser Ergebnisse folgert Seegers, dass bei Frauen vermutlich eher nicht-entzündliche Prozesse eine größere Rolle beim Fortschreiten der Ablagerungen spielen (Plaqueerosionen), während bei Männern wohl mehrfache Plaquerupturen mit ausgeprägten Entzündungsvorgängen in den Gefäßen zum Fortschreiten der Erkrankung führen.

Dr. Seegers erhält den Wissenschaftspreis „Frauenherzen“

„Der Bedarf an mehr Forschung – Grundlagen-, klinische oder epidemiologische Forschung – ist enorm, um geschlechtsbezogene kardiologische Unterschiede zu klären und die Therapien zu individualisieren“, hob Prof. Achim Welz, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) in seiner Laudatio hervor. Die Forschungsarbeit von Dr. Seegers habe in hohem Maße die Ausschreibungsanforderung erfüllt nämlich auf einem patientennahen Forschungsgebiet eine geschlechtsspezifische kardiologische Fragestellung voranzubringen. „Ich begrüße es sehr, dass frauenspezifische Herzprobleme in den vergangenen Jahren zum Glück auch in der Forschung stärker in das Bewusstsein gerückt sind“, sagte auch die Stifterin des Preises Martina Grote zur Preisvergabe. „Der Wissenschaftspreis Frauenherzen will genau diese Forschungen unterstützen und dabei helfen, die Aufmerksamkeit für die frauenspezifische Herzforschung weiter zu erhöhen.“ Der Preis in Höhe von 10.000 Euro wird künftig jährlich von der Deutschen Herzstiftung gemeinsam mit der Projektgruppe „Frauen und Familie in der Kardiologie“ und der „Arbeitsgruppe Gendermedizin in der Kardiologie“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) vergeben.
 
>>>  Mehr Informationen zu diesem Thema erhalten Sie auch in der Folge „Ein Blick auf die Kardiologie durch die Geschlechterbrille“ unseres Podcasts „GENDERMED – Geschlechter-sensible Medizin“  <<<

Quelle: Deutsche Herzstiftung e.V./Deutsche Stiftung für Herzforschung

Literatur:

(1) Sex Differences in Coronary Atherosclerotic Phenotype and Healing Pattern on Optical Coherence Tomography Imaging, Circ Cardiovasc Imaging 2023, abrufbar unter: https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCIMAGING.123.015227, Letzter Zugriff: 28.11.2023.



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