Mit zunehmendem Alter nehmen Menschen im Durchschnitt immer mehr Arzneimittel ein. Jede Leitlinie empfiehlt etwa 3 Arzneimittel, einige sogar mehr. „Da Menschen im Alter von 80 Jahren im Durchschnitt mindestens 3 Diagnosen aufweisen, ergeben sich daraus etwa 10 Arzneimittel pro Patient in diesem hohen Lebensalter“, erläuterte Wehling. Das sei gerade für ältere und damit empfindlichere Menschen riskant.
Vorsicht bei psychotrop wirkenden Arzneimitteln
Problematisch sind aus Sicht von Wehling besonders psychotrop wirksame Arzneimittel. Dazu gehören Antiepileptika, Antidepressiva, Benzodiazepine und Opioide. Denn diese können zu Verwirrtheit, Stürzen und Einschränkungen der Kognition führen. Teilweise werde sogar aufgrund von Arzneimittel-Nebenwirkungen eine Demenz diagnostiziert, die nach Absetzen der Substanz verschwinde. Andererseits leiden viele ältere Menschen unter Schmerzen, die selbst wiederum Stürze auslösen können. Ärzte sollten also keinesfalls Schmerzen bei älteren Patienten unbehandelt lassen. Bezogen auf Opioide gelte beispielsweise die Devise „start low, go slow“. Ansonsten könne bei der Auswahl geeigneter Medikamente die FORTA-Liste helfen. Eine Substanz, die für den Einsatz bei älteren Menschen positiv bewertet werde, sei beispielsweise Metamizol. Als in der Schmerztherapie besonders riskant beurteilte Wehling nicht-steroidale Antirheumatika, die zu gastrointestinalen Blutungen und nicht selten zu Hospitalisierungen bei älteren Patienten führen können.
Abnehmende Nierenfunktion als Ursache für Arzneimittelunverträglichkeiten
Weil sich mit dem Alter zudem alle wichtigen Organfunktionen verschlechtern, sei die Verträglichkeit von Medikamenten im Alter per se schlechter. Das betrifft vor allen Dingen die Nierenfunktion, die sich im hohen Alter im Durchschnitt halbiert. Rund ein Viertel der unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder Interaktionen bei älteren Menschen sind auf die eingeschränkte Nierenfunktion zurückzuführen.
Individualisierter Medikationsplan
Insgesamt empfiehlt Wehling Hausärzten, die Medikationspläne ihrer Patienten regelmäßig zu prüfen und zu bereinigen. Die FORTA-Liste helfe dabei, innerhalb kurzer Zeit eine Priorisierung der unterschiedlichen Substanzen zu erreichen und so zu einem individualisierten Medikationsplan zu kommen. Dabei sollten nach Ansicht von Wehling symptomatische Therapien gegenüber prognostischen Therapien bevorzugt werden, um Patienten eine gute Lebensqualität im Alter zu ermöglichen. In der Studie VALFORTA mit rund 400 Patienten wurde die Liste validiert. Darin zeigte sich, dass sie dabei helfen kann, Medikationsfehler zu vermeiden und gleichzeitig die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. FORTA steht inzwischen auch als App zur Verfügung.