Montag, 7. Oktober 2024
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Medizin

Internisten gestalten Digitalisierung aktiv mit

von Anne Krampe-Scheidler

Internisten gestalten Digitalisierung aktiv mit
© joyfotoliakid - stock.adobe.com
Wie gestaltet die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) die digitale Transformation? Schwerpunkte sind die Nutzung von Gesundheitsdaten für die Versorgungsforschung und der Einsatz sowie die Weiterentwicklung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGAs).
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Gesundheitsdaten ermöglichen eine verbesserte Therapie von seltenen Erkrankungen

Erklärtes Ziel europäischer Gesundheitspolitik ist es, Patient:innen mit seltenen Erkrankungen besser zu versorgen. Ein Beispiel aus dem internistischen Bereich sind IgG4-assoziierte, chronisch-entzündlich fibrosierende Erkrankungen. Wie Prof. Ulf Müller-Ladner, Vorsitzender der DGIM und Rheumatologe, erläuterte, können sie sich sehr unterschiedlich in verschiedenen Organsystemen manifestieren und seien daher schwer zu erkennen. Mit einer früheren Diagnose und Therapie wäre es möglich, bei mehr als der Hälfte der Betroffenen eine irreversible Schädigung der Organe zu verhindern. Um Erkrankungen wie diese besser erforschen zu können, braucht es Gesundheitsdaten. „Daten sind nicht einmal in der Notaufnahme verfügbar, da tritt die Wissenschaft erst einmal in den Hintergrund“, so die nüchterne Bestandsaufnahme von Prof. Dr. Georg Ertl, Generalsekretär der DGIM.

Deutschland bei der Versorgungsforschung abgeschlagen

Andere Länder sind Deutschland bei der Versorgungsforschung weit voraus, wie die COVID-19-Pandemie gezeigt hat. Ertl verwies auf die britische RECOVERY-Studie mit 48.000 Teilnehmer:innen: 9 Tage nach dem Entwurf des Protokolls startete sie, 10 Wochen später folgte der Nachweis einer 1. lebensrettenden Therapie, die vom NHS (National Health Service) nach weiteren 3 Stunden als Standardtherapie anerkannt wurde. Ein Schlüssel zum Erfolg war Ertl zufolge die Aggregierung von routinemäßig erhobenen mit spezifisch für die Studie erfassten Forschungsdaten.

Hohe Bereitschaft zur Bereitstellung von Gesundheitsdaten für die Forschung

Auch in Deutschland ist die Bereitschaft der Menschen groß, ihre Daten für die medizinische Forschung zur Verfügung zu stellen. Dies bekräftigten in einer repräsentativen Umfrage von 2022 rund 80% der Befragten. 70% möchten sie auch in der elektronische Patientenakte (ePA) sehen. Tatsächlich haben aktuell aber nur etwa 550.000 der gesetzlich Versicherten überhaupt eine ePA, das sind 0,7%. Eines der Hauptprobleme in Deutschland sei nach wie vor die Interpretation des Datenschutzes, sagte Ertl. „Während andere Länder in der EU mit der Datenschutzgrundverordnung gut klarkommen, haben wir in Deutschland 16 Landesbeauftragte, von denen einer eine Entscheidung blockieren kann“, kritisierte er.
 
 

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© Servier/deprexis

DiGA: Wichtige Quelle für Routinedaten

Eine Quelle für Routinedaten sind DiGAs. Zwar stünden die gesammelten Routinedaten den behandelnden Ärzt:innen direkt und über die Abrechnungsdaten auch in abstrakter Form zur Verfügung, „aber es fehlen medizinische Daten in einer pseudonymisierten Form für Analysen in Versorgungsforschungsstudien,“ so Prof. Martin Möckel, Sprecher der DGIM-Arbeitsgruppe DiGA/KI in Leitlinien. Möckel gab ein Update, wie DiGAs aktuell eingesetzt werden und was sie für die Versorgung leisten können. Laut einer Untersuchung des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (G-KV) wurden von Ende 2020 bis 2022 insgesamt ca. 200.000 DiGAs verordnet - ganz überwiegend von Ärzt:innen. Genutzt werden sie vor allem von Patient:innen unter 60 Jahren und von mehr Frauen als Männern. Ungeklärt sei, wie lange DiGAs überhaupt eingesetzt werden sollen: Kann man sie analog zu Arzneimitteln früher als geplant „absetzen“ oder bei erneuten Beschwerden wieder nutzen?

Erklärvideos zur richtigen Anwendung von DiGAs für Ärzt:innen

In der niedergelassenen hausärztlichen Praxis gebe es 2 Herausforderungen, berichtete Möckel. Zum einen handele es sich um eine neue und anspruchsvolle Therapiegruppe: „Die Patient:innen wenden sich an die Ärzt:innen und die Arzthelfer:innen, und nicht an den Hersteller, wenn sie Fragen haben. Das heißt, da gibt es viel Gesprächsbedarf.“ Das komplexe Therapieschema sei in den Praxisabläufen bisher meist nicht abgebildet. „Hierfür fehlt es auch an Abrechnungsziffern,“ betonte der Mediziner. Zum anderen fehle eine Routine der Wissensvermittlung: Wie lernt man eine DiGA kennen? Um diesen Prozess zu standardisieren, hat die DGIM ein Schema erarbeitet, an dem sich die Hersteller bei der Produktion von kurzen Erklärvideos orientieren sollen. Innerhalb von 20 Minuten sollen Ärzt:innen damit einen Eindruck von der DiGA gewinnen und etwas über die Evidenz und die Anwendung erfahren.

DiGAs der nächsten Generation sollen einen Mehrwert generieren

Ein Charakteristikum von DiGAs der 1. Generation sei, dass sie Anleitungen für bestimmte Maßnahmen vermittelten, die eigentlich auch ohne DiGAs möglich wären - beispielsweise in Form von rückenstärkenden Übungen, erläuterte Möckel. Der Vorteil bestehe darin, dass die Anwendungen etwas verfügbar machen. Nächstes Level seien DiGAs, die einen Mehrwert generieren, der ohne sie nicht möglich wäre. „Mit den aktuellen DiGAs haben wir den Fuß für die digitale Medizin in die Tür gestellt. Das ist aber erst der Anfang einer Entwicklung, die sich in den nächsten 5 bis 10 Jahren dramatisch fortsetzen wird“, so seine Erwartung.

Quelle: Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM), 31.1.2022, Berlin


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