Schwere Nervenerkrankung erfolgreich mit CAR-T-Zell-Therapie behandelt
Ein Bochumer Ärzteteam hat erstmals erfolgreich die CAR-T-Zell-Therapie eingesetzt, um zwei Menschen mit einer seltenen Erkrankung des peripheren Nervensystems zu behandeln. Bei der Therapie wurden körpereigene Immunzellen gentechnisch so verändert, dass sie krankheitsverursachende Zellen gezielt erkennen und eliminieren. Es handelt sich um die weltweit erste klinische Studie zur Anwendung einer CAR-T-Zell-Therapie bei einer schweren Form der Autoimmunneuropathie [1].
CAR-T-Zell-Therapie erstmals bei CIDP getestet
Für die Studie behandelte das Team zwei Personen mit chronisch inflammatorischer demyelinisierender Polyneuropathie, kurz CIDP. Diese seltene Erkrankung führt zu Lähmungen, Gefühlsstörungen und teils schwerer Behinderung mit Verlust der Gehfähigkeit und selten lebensbedrohlichen Zuständen. Von 100.000 Personen erkranken im Durchschnitt zwei bis fünf an CIDP. Insbesondere bei schweren und therapieresistenten Verläufen sind die Behandlungsmöglichkeiten bislang stark eingeschränkt. Die CAR-T-Zell-Therapie ist aus der Krebsmedizin bekannt, wurde zuvor jedoch nicht systematisch bei Autoimmunerkrankungen des Nervensystems untersucht.
Patient:innen erhalten eigene modifizierte T-Zellen zur B-Zell-Elimination
Die CIDP ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die B-Zellen des Immunsystems das eigene periphere Nervensystem angreifen. Gegen diese außer Kontrolle geratenen B-Zellen richtete sich die individuelle CAR-T-Zell-Therapie in der aktuellen Studie. Dazu entnahmen die Mediziner den Patient:innen Blut mittels Leukapherese und isolierten Millionen T-Immunzellen. In diese schleuste ein amerikanisches Unternehmen gezielt Rezeptoren durch virale Genmanipulation ein, die die krankhaft veränderten B-Zellen erkannten. Jede/r Patient/in wurde mit seinen individuell hergestellten CAR-T-Zellen behandelt.
Rasche sowie anhaltende Wirkung der CAR-T-Zell-Therapie
„Wir haben nach der Rückinfusion im Blut täglich auf Zellebene die Vermehrung der CAR-T-Zellen kontrolliert, gleichzeitig die Abnahme der zirkulierenden B-Zellen sowie übrige Immunzell-Parameter aus Sicherheitsgründen überwacht“, erklärt das Team. Durch den Zelltod von reifen B-Zellen und die Freisetzung von Entzündungsstoffen gab es zwischen Tag vier und zehn mäßige Nebenwirkungen bei den Patient:innen, die durch erprobte Immunmedikamente umgehend behoben wurden. Alle Maßnahmen fanden wie bei individuellen Heilversuchen üblich in einem festen Überwachungssetting auf einer Überwachungsstation statt. „Teilweise sahen wir schon früh eine erste Besserung der durch die Nervenentzündung bedingten Ausfallssymptome“, so die Mediziner weiter.
Die Therapie zeigte eine rasche und anhaltende Wirkung: Innerhalb weniger Tage verschwanden die krankheitsvermittelnden B-Zellen vollständig aus dem Blut. Gleichzeitig kam es zu funktionellen Verbesserungen: Die Patient:innen konnten sich wieder sicher fortbewegen, teils erstmals seit Jahren. Objektive Messwerte – darunter klinische Scores und neurophysiologische Untersuchungen – verbesserten sich um teils mehr als 200%. Nach der einmaligen Behandlung war keine weitere Immuntherapie erforderlich.
Bereits elf Menschen mit verschiedenen neuroimmunologischen Krankheiten behandelt
Insgesamt wurden an der Bochumer Universitätsklinik bereits elf Patient:innen mit verschiedenen schweren neuroimmunologischen Erkrankungen, darunter CIDP, Myasthenia gravis und Stiff-Person-Syndrom, im Rahmen individueller Heilversuche und klinischer Studien mit CAR-T-Zellen behandelt. Diese Erfahrungen bilden die Grundlage für weitere klinische Studien, auch in Zusammenarbeit mit Partnern im In- und Ausland.
„Wir stehen am Beginn eines neuen Kapitels in der Behandlung schwerer Autoimmunerkrankungen“, betont Prof. Dr. Jeremias Motte, Erstautor der Studie und geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für Neurologie. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Präzisionsmedizin auch in der Neuroimmunologie Realität werden kann – und neue Hoffnung für Patientinnen und Patienten bringt, bei denen alle herkömmlichen Therapien versagen.“
Quelle:Ruhr-Universität Bochum
Literatur:
- (1)
Motte J et al. Lancet Neurol. 2025;24(7):564-566. DOI: 10.1016/S1474-4422(25)00199-1