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Durchbruch in der medizinischen Vorhersageforschung mit generativer KI

Ein internationales Forschungsteam des European Molecular Biology Laboratory (EMBL), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und der Universität Kopenhagen hat einen bedeutenden Durchbruch in der medizinischen Prognostik erzielt. Das in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte KI-Modell nutzt algorithmische Konzepte ähnlich denen großer Sprachmodelle (LLMs) und wurde erfolgreich an zwei völlig separaten Gesundheitssystemen getestet.

„Unser KI-Modell ist ein Machbarkeitsnachweis, der zeigt, dass es für KI möglich ist, viele unserer langfristigen Gesundheitsmuster zu erlernen und diese Informationen zu nutzen, um aussagekräftige Vorhersagen zu generieren", erklärte Ewan Birney, Interimsdirektor des EMBL.

Trainingsgrundlage: Umfangreiche Datensätze aus zwei Gesundheitssystemen

Das Modell wurde auf anonymisierten Patientendaten von 400.000 Teilnehmer:innen der UK Biobank trainiert und zusätzlich erfolgreich mit Daten von 1,9 Millionen Patient:innen aus dem Dänischen Nationalen Patientenregister validiert. Diese umfassende Datenbasis ermöglicht es dem System, die „Grammatik" von Gesundheitsdaten zu erlernen und medizinische Verläufe als zeitliche Ereignissequenzen zu modellieren.

Ähnlich wie große Sprachmodelle die Struktur von Sätzen erlernen, analysiert dieses KI-Modell die Abfolge medizinischer Ereignisse einschließlich Diagnosen und Lebensstilfaktoren wie Rauchen. „Medizinische Ereignisse folgen oft vorhersagbaren Mustern“, erläuterte Tom Fitzgerald, Wissenschaftler am Europäischen Institut für Bioinformatik des EMBL (EMBL-EBI). „Unser KI-Modell lernt diese Muster und kann zukünftige Gesundheitsergebnisse prognostizieren.“ Das System berücksichtigt sowohl die Reihenfolge der Ereignisse als auch die zeitlichen Abstände zwischen ihnen, um präzise Risikoeinschätzungen zu erstellen.

Besonders hohe Genauigkeit bei konsistenten Krankheitsverläufen

Wie Wettervorhersagen liefert das KI-Modell Wahrscheinlichkeiten, nicht Gewissheiten. Es prognostiziert nicht exakt, was einem Individuum passieren wird, sondern bietet gut kalibrierte Schätzungen der Wahrscheinlichkeit bestimmter Erkrankungen über einen gegebenen Zeitraum.

Das Modell zeigt besonders hohe Genauigkeit bei Erkrankungen mit klaren und konsistenten Progressionsmustern. Dazu gehören bestimmte Krebsarten, Herzinfarkte und Sepsis (Blutvergiftung). Bei variableren Zuständen wie psychischen Erkrankungen oder schwangerschaftsbedingten Komplikationen, die von unvorhersagbaren Lebensereignissen abhängen, ist die Zuverlässigkeit geringer.

Limitationen und Möglichkeiten des Modells

Das Modell weist aufgrund seiner Trainingsdaten bestimmte Einschränkungen auf. Da die UK Biobank-Daten primär von Personen im Alter von 40 bis 60 Jahren stammen, sind Gesundheitsereignisse in Kindheit und Jugend unterrepräsentiert. Zudem bestehen demografische Verzerrungen durch Lücken in den Trainingsdaten, einschließlich der Unterrepräsentation bestimmter ethnischer Gruppen.

Obwohl das Modell noch nicht für den klinischen Einsatz bereit ist, kann es bereits dabei helfen Krankheitsentwicklung und -progression zu verstehen, den Einfluss von Lebensstil und Vorerkrankungen auf langfristige Krankheitsrisiken zu erforschen und Gesundheitsergebnisse mit künstlichen Patientendaten zu simulieren.

„Dies ist der Beginn eines neuen Weges, menschliche Gesundheit und Krankheitsprogression zu verstehen", sagte Moritz Gerstung, Leiter der Abteilung für KI in der Onkologie am DKFZ.

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Quelle:

European Molecular Biology Laboratory (EMBL)

Literatur:

(1)

Shmatko A. et al. Learning the natural history of human disease with generative transformers, Nature, DOI: 10.1038/s41586-025-09529-3.

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