Kontinuierliche Glukosemessung auch für Kliniken und Pflegeeinrichtungen zugelassen
Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung haben sich im ambulanten Bereich längst etabliert [1] – in der stationären Versorgung jedoch blieben sie bislang die Ausnahme. Dabei ist der Bedarf hoch: Ein erheblicher Anteil der Patient:innen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen lebt mit Diabetes. Nun wurde der Anwendungsbereich dieser Technologie erweitert. Auch im klinischen Umfeld sollen kontinuierliche Glukosemessungen künftig zur besseren Überwachung und Steuerung des Glukosestoffwechsels und damit einer verbesserten Lebensqualität [2-4] beitragen – im Interesse der Behandelten ebenso wie des medizinischen Fachpersonals.
Diabetes im Klinik- und Pflegealltag: Relevanz kontinuierlicher Glukosemessung wächst
Ein erheblicher Anteil der stationär behandelten Patient:innen lebt mit Diabetes: Schätzungen zufolge sind es in Kliniken 30 bis 40% [5, 6], in Alten- und Pflegeheimen rund ein Drittel der Bewohner:innen [5]. Häufig handelt es sich um eine Nebendiagnose, die dennoch erhebliche Auswirkungen auf den Behandlungsverlauf haben kann [6-8]. Mit der erweiterten Zulassung des kontinuierlichen Glukosemesssystems FreeStyle Libre eröffnet sich nun die Möglichkeit, auch im stationären Setting eine engmaschige Glukoseüberwachung zu gewährleisten – und so das Diabetesmanagement gezielter zu unterstützen.
„Diabetes hat relevante Auswirkungen auf den Verlauf eines Krankenhausaufenthaltes, denn Betroffene bleiben im Schnitt zwei Tage länger dort als Menschen ohne Diabetes. Zugleich ist ihr Risiko für Komplikationen im Krankenhaus doppelt so hoch“, erklärt Prof. Dr. Susanne Reger-Tan, Universitätsklinikum Ruhr-Universität Bochum. Ein Pilotprojekt konnte zudem belegen, dass digitale Messsysteme helfen, das Glukosemanagement auch mit begrenztem Fachpersonal effizient umzusetzen.
Digitale Glukosemessung entlastet Pflegepersonal
Die manuelle Erhebung eines klassischen Blutzucker-Tagesprofils ist in der stationären Pflege mit erheblichem Aufwand verbunden. Sensorbasierte Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung bieten hier eine praktikable Alternative. Sie werden schmerzfrei am Oberarm angebracht und messen für bis zu 15 Tage im Minutentakt den Glukosewert sowie dessen Trendverlauf. Die Daten werden direkt an eine App oder ein Lesegerät übermittelt – rund 1440 Werte pro Tag. Für das medizinische Fachpersonal bedeutet das: weniger Aufwand, schnellere Orientierung und zuverlässigere Verlaufskontrolle.
Mit Einverständnis der Patient:innen können die Glukosedaten auch in Echtzeit mit behandelndem Personal geteilt werden – inklusive Warnfunktionen bei drohenden Entgleisungen. Durch die grafisch aufbereitete Darstellung sind die Werte auch für nicht diabetologisch geschultes Fachpersonal unmittelbar interpretierbar – etwa wenn eine Diabetestherapie infolge einer hochdosierten Kortisongabe angepasst werden muss. So lassen sich kritische Schwankungen frühzeitig erkennen und therapeutische Maßnahmen zeitnah einleiten.
Kontinuierliche Glukosemessung erkennt Hypoglykämien früher als Punktmessung
Mehrere Studien belegen laut den Standards of Care der American Diabetes Association (ADA), dass die kontinuierliche Glukosemessung stationär eingesetzt klare Vorteile gegenüber der punktuellen Glukoseüberwachung bietet – insbesondere bei der frühzeitigen Erkennung von nächtlichen, anhaltenden oder asymptomatischen Hypoglykämien sowie bei der Reduktion wiederkehrender Ereignisse [9].
Für den Einsatz auf Intensivstationen sind jedoch Einschränkungen zu beachten. Die Komplexität akuter Behandlungssituationen sowie die derzeit noch begrenzte Evidenzlage für diesen Bereich erfordern eine kritische Abwägung. Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Einsatz ist eine geeignete digitale Infrastruktur in der Einrichtung sowie entsprechend geschultes medizinisches Fachpersonal.
Quelle:Abott
Literatur:
- (1)
diabetesDe, Deutsche Diabetes Hilfe, Typ-2-Diabetes und Diabetestechnologie Teil 1: CGM-Systeme, abrufbar unter: https://www.diabetesde.org/typ-2-diabetes-diabetestechnologie-teil-1-cgm-systeme
- (2)
Yaron M et al. (2019) Effect of Flash Glucose Monitoring Technology on Glycemic Control and Treatment Satisfaction in Patients With Type 2 Diabetes, Diabetes Care, DOI: 10.2337/dc18-0166
- (3)
Fokkert M et al. (2019) Improved well-being and decreased disease burden after 1-year use of flash glucose monitoring (FLARE-NL4), BMJ Open Diabetes Research and Care, DOI: 10.1136/bmjdrc-2019-000809
- (4)
Dunn TC et al. (2018) Real-world flash glucose monitoring patterns and associations between self-monitoring frequency and glycaemic measures: A European analysis of over 60 million glucose tests, Diabetes Research and Clinical Practice, DOI: 10.1016/j.diabres.2017.12.015
- (5)
Berufsverband Deutscher Internisten: Fast ein Drittel der Bewohner in Seniorenheimen hat Diabetes, abrufbar unter: https://www.internisten-im-netz.de/aktuelle-meldungen/aktuell/fast-ein-drittel-der-bewohner-in-seniorenheimen-hat-diabetes.html
- (6)
Müller-Wieland D et al. (2018) Survey to estimate the prevalence of type 2 diabetes mellitus in hospital patients in Germany by systematic HbA1c measurement upon admission, The International Journal of Clinical Practice, DOI: 10.1111/ijcp.13273
- (7)
Kufeldt J et al. (2017) Prevalence and Distribution of Diabetes Mellitus in a Maximum Care Hospital: Urgent Need for HbA1c-Screening, Experimental and Clinical Endocrinocology & Diabetes, DOI: 10.1055/s-0043–112653
- (8)
Auzanneau M et al. (2021) A Nationwide Analysis of All Hospitalized Cases in Germany With and Without Diabetes, 2015–2017, Deutsches Ärzteblatt, DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0151
- (9)
American Diabetes Association Professional Practice Committee: Diabetes Care in the Hospital: Standards of Care in Diabetes—2025, Diabetes Care, DOI: 10.2337/dc25-S016