Neue S2k-Leitlinie zum polyzystischen Ovarialsyndrom veröffentlicht
Etwa 10% der Frauen im gebärfähigen Alter sind vom polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) betroffen – einer Hormonstörung, die neben Zyklusstörungen und unerfülltem Kinderwunsch auch das Risiko für metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht. Eine neue S2k-Leitlinie fasst nun erstmals fachübergreifend zusammen, wie die Erkrankung früher erkannt, differenziert diagnostiziert und zielgerichtet behandelt werden kann, mit dem Ziel, langfristige Folgeerkrankungen zu vermeiden und die Versorgung von Patientinnen zu verbessern.
Hormonelle Dysbalance mit systemischer Relevanz
Das polyzystische Ovarialsyndrom zählt zu den häufigsten hormonellen Störungen bei Frauen im gebärfähigen Alter und bleibt dennoch häufig unentdeckt. Charakteristisch ist eine vermehrte Bildung männlicher Sexualhormone in den Eierstöcken, was zu einem hormonellen Ungleichgewicht führt. Zyklusstörungen, zystenähnliche Strukturen am Ovar sowie klinische Symptome wie Hirsutismus, androgenetische Alopezie und Übergewicht treten häufig in Kombination auf. Betroffene Patientinnen tragen zudem ein erhöhtes Risiko für weitere gesundheitliche Komplikationen. Dazu zählen unter anderem Typ-2-Diabetes, Schwangerschaftsdiabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen, nicht-alkoholische Fettleber sowie psychische Belastungen wie Depressionen und Angststörungen. Eine frühzeitige und differenzierte Diagnostik ist daher entscheidend, um Folgeerkrankungen vorzubeugen und die Versorgung gezielter auszurichten.
PCOS-Diagnose nach Rotterdam-Kriterien: S2k-Leitlinie schafft Klarheit
Die neue S2k-Leitlinie konkretisiert die diagnostischen Kriterien für das polyzystische Ovarialsyndrom auf Basis des international etablierten Rotterdam-Konsenses. Demnach gilt ein PCOS als gesichert, wenn mindestens zwei der folgenden drei Merkmale vorliegen:
Klinischer oder biochemischer Hyperandrogenismus: Entweder sichtbare Symptome wie vermehrte Körperbehaarung oder Akne oder labordiagnostisch erhöhte Androgenspiegel
Ovulatorische Dysfunktion: Unregelmäßige oder ausbleibende Ovulation infolge einer gestörten Eizellreifung
Polyzystische Ovarmorphologie (PCOM): Ultraschallmorphologische Veränderungen der Ovarien und/oder eine erhöhte Konzentration des Anti-Müller-Hormons (AMH)
Grundlage jeder Diagnostik ist zudem der Ausschluss anderer Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik. Dazu zählen unter anderem Schilddrüsenerkrankungen, hormonproduzierende Tumoren oder das Cushing-Syndrom. Nur wenn diese Differenzialdiagnosen ausgeschlossen sind, kann PCOS sicher festgestellt werden.
Stoffwechsel, Psyche und Komorbiditäten im Blick behalten
Zur Prävention und frühzeitigen Behandlung von Begleiterkrankungen empfiehlt die S2k-Leitlinie ein strukturiertes Risikofaktor-Screening bei Patientinnen mit PCOS. Zentrale Bedeutung hat dabei die Überprüfung des Glukosestoffwechsels, etwa mittels oralem Glukosetoleranztest. Gleichzeitig relativiert die Leitlinie die bislang häufig überschätzte Rolle der Insulinresistenzmessung als alleinige Entscheidungsgrundlage für die Therapieplanung. Ergänzend sollten regelmäßig Gewicht, Blutdruck und Fettstoffwechsel kontrolliert werden, um frühzeitig präventive oder therapeutische Maßnahmen einleiten zu können. Auch psychische Aspekte verdienen Aufmerksamkeit: Depressionen, Angststörungen oder ein gestörtes Körperbild sind häufige Begleiterscheinungen des PCOS. Diese sollten aktiv erfragt und frühzeitig in die Behandlungsstrategie integriert werden.
S2k-Leitlinie stärkt interdisziplinäre Versorgung
Die Behandlung des polyzystischen Ovarialsyndroms erfordert einen multimodalen, individuell abgestimmten Therapieansatz. Im Zentrum stehen Lebensstilmaßnahmen wie regelmäßige körperliche Aktivität, gesunde Ernährung und – bei Übergewicht – eine gezielte Gewichtsreduktion. Diese Basisinterventionen bilden die Grundlage jeder weiteren Therapie und sollten Patientinnen zunächst dort unterstützen, wo sie selbst Einfluss nehmen können. Je nach klinischem Erscheinungsbild und bestehendem Kinderwunsch lassen sich Lebensstiländerungen durch medikamentöse Optionen ergänzen, etwa mit oralen Kontrazeptiva, Metformin oder antiandrogen wirkenden Substanzen. Die Leitlinie betont dabei ausdrücklich die Bedeutung einer fachübergreifenden Zusammenarbeit. Nur ein Team aus Endokrinologie, Gynäkologie, Diabetologie und Psychologie kann die komplexe Symptomatik ganzheitlich adressieren und Folgekomplikationen vorbeugen.
Mit der neuen S2k-Leitlinie steht Ärzt:innen eine evidenzbasierte, praxisnahe Orientierungshilfe zur Verfügung. Auch Angehörige anderer Gesundheitsberufe und Patient:innen selbst profitieren von einem strukturierten und aktuellen Wissensstand. Eine ergänzende Patientenleitlinie ist bereits in Vorbereitung und soll im Laufe des Jahres veröffentlicht werden.
Die Leitlinie ist abrufbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/089-004
Quelle:Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie