Montag, 9. Dezember 2024
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Neue DDG Patientenleitlinie „Diabetes und Straßenverkehr“

Neue DDG Patientenleitlinie „Diabetes und Straßenverkehr“
© Dmitry Lobanov / Fotolia.com
In Deutschland ist schätzungsweise jeder zehnte Führerscheininhaber von Diabetes betroffen. Die Sorge, die Fahrerlaubnis aufgrund der Erkrankung zu verlieren, ist bei den meisten sehr groß: Viele stoßen auf Probleme mit Behörden und Vorbehalte im privaten sowie beruflichen Umfeld. Die neue Patientenleitlinie „Diabetes und Straßenverkehr“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) erklärt in patientenverständlicher Sprache den Stand der Wissenschaft und gibt Betroffenen eine Orientierung, wie sie mit ihrem Diabetes sicher am Straßenverkehr teilnehmen können. Denn fast alle Diabetespatienten dürfen aktiv am Straßenverkehr teilnehmen – sowohl am Steuer eines Privat-PKW als auch beruflich als Taxi-, Bus- oder LKW-Fahrer.
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Viele haben die Vorstellung, dass Menschen mit Diabetes im aktiven Straßenverkehr deutlich mehr Unfälle verursachen als Gesunde. „Untersuchungen zeigen jedoch, dass eine Diabeteserkrankung per se nicht die Unfallhäufigkeit erhöht“, erklärt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Mediensprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Auch ein hoher Langzeitblutzuckerwert, der so genannte HbA1c-Wert, oder eine Insulintherapie an sich stellen erst einmal kein Sicherheitsrisiko dar, betont der Stellvertretende Direktor der Medizinischen Klinik IV am Universitätsklinikum Tübingen. Um Betroffene und das berufliche sowie private Umfeld besser zu informieren und mit unbegründeten Vorbehalten aufzuräumen, hat die DDG jetzt die Patientenleitlinie „Diabetes im Straßenverkehr“ veröffentlicht. Sie ist eine Ergänzung zur bereits bestehenden wissenschaftlichen Leitlinie, die sich an Ärztinnen und Ärzte, Diabetesberaterinnen und -berater, Psychologinnen und Psychologen sowie Behörden richtet.
 
Die neue Patientenleitlinie gibt wichtige Handlungsempfehlungen, wie Diabetespatientinnen und -patienten sicher am Straßenverkehr teilnehmen können, und zeigt auf, wann gegebenenfalls eine Fahruntauglichkeit bestehen kann. Denn das Unfallrisiko für Menschen mit Diabetes kann sich deutlich erhöhen, wenn die Therapie nicht sorgfältig erfolgt und es wiederholt zu Unterzuckerungen kommt. „Allgemein gilt, Hypoglykämien zu vermeiden“, erklärt Diplom-Psychologin Eva Küstner. „Denn eine Unterzuckerung bedeutet konkret, dass die Fahrerin oder der Fahrer in der Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und im Sehvermögen sehr eingeschränkt ist.“ Die Diabetes-Fachpsychologin rät Patienten mit Insulinbehandlung daher, vor jedem Fahrtantritt den Blutzucker zu messen. Liegt dieser unter 90mg/dl (5 mmol/l) ist eine Kohlehydratzufuhr dringend zu empfehlen. Bei einer akuten Behandlung der Unterzuckerung sollten mindestens zwei KE/BE schnell wirksame Kohlenhydrate – beispielsweise in Form von Traubenzucker oder Fruchtsaft – eingenommen werden. „Bei längeren Fahrten empfehlen wir mindestens eine dreistündliche Blutzuckermessung“, so Küstner. Um die Werte stets im Blick zu haben und schnell auf Veränderungen reagieren zu können rät die Expertin dazu, das Blutzuckermesssystem und ausreichend Kohlehydrate griffbereit zu halten.
 
Darüber hinaus müssen Menschen mit Diabetes Beeinträchtigungen, die aus Folge- und Nebenerkrankungen des Diabetes entstehen, realistisch einordnen. So können Sehstörungen durch eine diabetische Netzhauterkrankung oder sensorische Wahrnehmungsprobleme aufgrund eines diabetischen Fußsyndroms ein großes Sicherheitsrisiko im Straßenverkehr bedeuten. „Patienten müssen hier sehr genau über Einschränkungen ihrer Fahrtauglichkeit aufgeklärt werden, aber auch darüber, ob diese Einschränkungen beispielsweise mit technischen Maßnahmen kompensiert werden können. Patienten sollen wissen, wo sie sich über diesbezügliche Leistungen – wie der Rentenversicherungsträger – informieren können.“ Der Reha-Mediziner Dr. med. Peter Hübner hält diese Informationen für Patienten sehr wichtig. „Patienten, die ihre Fahrerlaubnis verlieren, büßen einen Großteil ihrer beruflichen und gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten ein“.
Ergänzend zur Leitlinie empfehlen die Experten, in Diabetesschulungen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erlernen, um sicher mit seinem Diabetes umzugehen. „Studien zeigen, dass sich eine solche Schulung positiv auf die Fahrsicherheit auswirkt“, betont Diplom-Sozialpädagoge Wolfgang Schütt. „Hier lernen die Patienten unter anderem allgemeine aber auch individuelle Strategien zur Vermeidung, Erkennung und zum richtigen Verhalten bei Hypoglykämien.“
 
„Abhängig von Diabetestyp, Begleitkomplikationen und individueller Therapieform muss zusammen mit dem betreuenden Diabetologen überlegt werden, wie das Risiko für Unterzuckerungen minimiert werden kann“, erläutert Professor Dr. med. Reinhard Holl, Koordinator und Mitautor der wissenschaftlichen Leitlinie „Diabetes und Straßenverkehr“ und Mitglied im Ausschuss Soziales der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Dabei können ein Hypoglykämietraining, eine Therapieumstellung oder beispielsweise für Menschen mit Diabetes Typ 1 auch der Einsatz technischer Hilfsmittel wie die Insulinpumpe und die kontinuierliche Glukosemessung (CGM/FGM) erwogen werden.“ Allerdings warnt der Diabetologe aus Ulm Patienten davor, Insulinpumpen oder CGM-Systeme im Eigenbau so zu verändern, dass sie als „Closed-Loop-Systeme“ einsetzbar sind. „Wer damit am Straßenverkehr teilnimmt, geht ein hohes Risiko ein“, betont Holl. „Treten bei nicht-zugelassenen Produkten Fehlfunktionen auf und wird dabei beispielsweise unbemerkt eine überhöhte Insulindosis abgegeben, kann dies zu einer schweren Unterzuckerung und damit auch zu Unfällen führen.“ Die Folgen sind schwerwiegend. „Betroffene müssen dann mit strafrechtlichen Konsequenzen und Haftungsforderungen rechnen“, klärt Rechtsanwalt Oliver Ebert, Vorsitzender des Ausschusses Soziales der DDG, auf.
 
Die Patientenleitlinie will Menschen mit Diabetes darüber hinaus unterstützen, ihre Rechte gegenüber Ärzten und Behörden zu wahren. Denn noch immer stellen Fahrerlaubnisbehörden oder Begutachtungsstellen die Fahreignung der Diabetespatienten infrage. „Gutachten werden jedoch häufig nicht mit der gebotenen Sorgfalt oder nicht unter Berücksichtigung der Vorgaben erstellt. Patienten verlieren dann unnötigerweise ihre Fahrerlaubnis“, kritisiert Ebert, der ebenfalls Koordinator und Mitautor der Patientenleitlinie ist. Dank dieser Leitlinie sei es für Patienten auch deutlich einfacher, gegen ein fehlerhaftes Gutachten vorzugehen und einen drohenden Verlust der Fahrerlaubnis abzuwenden. „Aber auch gegenüber Ärzten können Betroffene jetzt sicherer auftreten und gegebenenfalls medizinisch begründete Fahrverbote hinterfragen“, stellt Ebert klar.
 

Deutsche Diabetes Gesellschaft - DDG


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