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CAR-T-Zellen: Erfolgreiche Immuntherapie gegen Krebs

von Dr. rer. nat. med. habil. Eva Gottfried

CAR-T-Zellen: Erfolgreiche Immuntherapie gegen Krebs
© Alpha Tauri 3D – stock.adobe.com
Die CAR-T-Zelltherapie ist eine Form der Immuntherapie, bei der körpereigene Immunzellen spezifisch gegen Krebszellen gerichtet werden. Hierfür werden T-Zellen der Patient:innen isoliert, im Labor mit einem Erkennungsrezeptor bestückt und in den Körper zurückgegeben. Bisher sind 6 CAR-T-Zellprodukte zur Behandlung in spezialisierten Zentren zugelassen und für einige Jahre schon bei ausgewählten B-Zell-Lymphomen, Leukämien und Multiplem Myelom erfolgreich. Schwere Nebenwirkungen treten nur noch selten auf, müssen aber immer im Blick behalten werden.

Immuntherapie nutzt körpereigene Abwehrmechanismen

Die Immuntherapie hat sich zu einer wichtigen Säule der Krebsbehandlung entwickelt und steht an der Seite anderer Therapieformen wie Operation, Chemotherapie, Bestrahlung und zielgerichteten Therapien. Diese basieren allesamt auf unterschiedlichen Prinzipien und werden für jeden Patienten spezifisch kombiniert, um die bestmögliche Behandlung zu ermöglichen (1).

Bei der Chemotherapie werden Substanzen eingesetzt, die Krebszellen an der Teilung hindern oder sogar abtöten. Hierbei kommt es allerdings häufig zu Nebenwirkungen, weil nicht nur Krebszellen, sondern auch gesunde Zellen getroffen werden. Das sind insbesondere Körperzellen, die sich schnell teilen, wie Blutzellen, Haarfollikelzellen und Schleimhautzellen im Darm. Zielgerichtete Krebstherapien wirken spezifischer auf Krebszellen, sind aber nur geeignet, wenn passende Angriffspunkte auf den malignen Zellen vorhanden sind. Diese müssen vor der Therapie anhand von Gewebe- und Blutproben ausgewählt werden.

Eine Immuntherapie wiederum nutzt die Fähigkeiten des körpereigenen Immunsystems für die Abwehr. Dabei macht man sich das Wissen über die Immunabwehr im gesunden Körper zu nutze. Das Immunsystem umfasst Immunzellen und Immunmediatorstoffe, die in angeborenen und im Laufe des Lebens entwickelten Wirkmechanismen zusammenarbeiten. Hiermit geht der Körper nicht nur gegen Eindringlinge wie Bakterien und Viren vor, sondern korrigiert auch fehlgeleitetes Zellwachstum. In der Immuntherapie gegen Krebs spielen T-Zellen eine besondere Rolle. Mithilfe von Oberflächenrezeptoren (TCR) erkennen sie spezifisch Antigene, werden aktiviert und können so Krebszellen zum Absterben bringen. Weil maligne Zellen aber Mechanismen entwickeln, um der Entdeckung durch Immunzellen zu entgehen, werden CAR-T-Zelltherapien entwickelt, bei denen die Erkennungsrezeptoren auf T-Zellen verbessert sind (1, 2).

CAR-T-Zelltherapie für bestimmte Blutkrebsformen zugelassen

Für die CAR-T-Zelltherapie nutzt man T-Zellen der Patient:innen und bestückt diese im Labor mit einem spezifischen Rezeptor, genannt CAR (chimärer Antigenrezeptor). Seit 2018 ist die Herstellung von 6 CAR-T-Zellprodukten für die Therapie verschiedener Blutkrebserkrankungen in Europa zugelassen, dies sind Tisagenlecleucel, Axicabtagen-Ciloleucel, Brexucabtagen-Autoleucel, Idecabtagen-Vicleucel, Ciltacabtagen-Autoleucel, Lisocabtagen-Maraleucel (4). So können Patient:innen mit speziellen Formen des B-Zell-Lymphoms, der B-Zell-akuten lymphatischen Leukämie (B-ALL) oder des Multiplen Myeloms behandelt werden, wenn bei ihnen keine andere Therapie angesprochen hat, oder sie ein Rezidiv erlitten haben. Die Herstellung und Behandlung mit den Zellprodukten kann nur in bestimmten Zentren unter strengen Qualitätsrichtlinien erfolgen. Neben der Herstellung sind auch die Infusion und Nachbehandlung der Patient:innen strikt kontrolliert, nicht zuletzt um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und entgegenzuwirken (3, 4).

Solide Tumoren und Autoimmunerkrankungen im Blick

Bei soliden Tumoren, die primär in einzelnen Organen und nicht wie Blutkrebs im ganzen Körper verteilt wachsen, ist der Einsatz der CAR-T-Zellen bisher noch schwierig. Dies liegt u.a. daran, dass mögliche Zielantigene hier oft nicht nur auf den Krebszellen, sondern auch schwach auf dem gesunden Gewebe vorkommen, was stärkere Nebenwirkungen nach sich zieht. Ob und wie eine CAR-T-Zelltherapie hier trotzdem möglich ist, wird u.a. beim schwarzen Hautkrebs (Melanom), Darmkrebs, Leber- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, Keimzelltumoren und bei Glioblastomen, d.h. schnell wachsenden, bösartigen Hirntumoren untersucht. Darüber hinaus wird am Einsatz von CAR-T-Zellen bei Autoimmunerkrankungen wie Systemischem Lupus Erythematodes geforscht. Zugelassene CAR-T-Zelltherapien gibt es hier derzeit noch nicht (2, 3).
 
 

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CAR-T-Zellen sind modifizierte Patientenzellen

Jedes CAR-T-Zellprodukt wird individuell im Labor für den einzelnen Patienten hergestellt. Hierfür werden T-Zellen mithilfe eines speziellen Aufbereitungsverfahrens (Leukapherese) aus dem Blut des Betroffenen gewonnen und im Labor mit der Erbinformation (DNA) für den spezifischen Erkennungsrezeptor (CAR) bestückt. Die modifizierten T-Zellen produzieren daraufhin diesen CAR und tragen ihn auf ihrer Oberfläche. Sie werden im Labor weiter vermehrt und mittels Infusion wieder in den einzelnen Patienten zurückgegeben. Im Körper stöbern sie nun Krebszellen spezifisch auf, werden aktiviert und leiten die Zerstörung der malignen Zellen ein. Weil sich die CAR-T-Zellen im Körper weiter vermehren können, wird manchmal auch etwas unscharf von einem „lebenden Medikament“ gesprochen (3).

Dabei hängt der Erfolg der Therapie nicht nur vom präzise hergestellten Zellprodukt ab, sondern wird auch von weiteren Faktoren beeinflusst, wie dem Erkrankungstyp und damit dem angesteuerten Antigen, dem Erfolg einer vorgeschalteten Chemotherapie, bei der die malignen Zellen bereits vor der CAR-T-Zell-Behandlung etwas reduziert werden (Lymphodepletion), der Menge an verabreichten CAR-T-Zellen und der Zeit und Stärke, wie der Körper auf die Therapie reagiert (4).

CAR: Chimärer Antigenrezeptor

Der chimäre Antigenrezeptor ist ein komplexes Molekül aus mehreren Abschnitten, das vorab im Labor entwickelt werden muss. Die extrazelluläre Domäne dient zur Bindung an das Zielantigen auf der Krebszelle, wie CD19 oder BCMA (B cell maturation antigen). Das Gelenkstück (hinge) des CAR-Moleküls wirkt als Abstandshalter, und der innere Abschnitt (intrazelluläre Domäne, CD3ζ-Domäne) dient zur Signalweiterleitung und Aktivierung der Zellen. Außerdem enthalten heute genutzte CARs noch kostimulatorische Domänen (z.B. CD28 oder 4-1BB), welche die Aktivität der Zellen noch verstärken (3).

Neben klassischen CAR-T-Zellen werden auch Weiterentwicklung wie Adapter-CAR (AdCAR)-T-Zellen erforscht, um Erkennung und Funktion weiter zu verbessern. So könnten Adapter-Moleküle, die an 2 Tumorantigene binden, die Wirkung noch spezifischer machen. Außerdem können On/Off-Switch-Systeme zum An- und Abschalten integriert werden, was die Kontrolle der Systeme verbessern kann (5).

Nebenwirkungen von CAR-T-Zelltherapien sind inzwischen beherrschbar

Trotz aller Erfolge dürfen – wie bei jeder Behandlung – Nebenwirkungen nicht außer Acht gelassen werden. Weil die Therapie andere Wirkmechanismen nutzt als sonstige Behandlungen, unterscheiden sich auch die Nebenwirkungen. Während es bei Chemo- und Strahlentherapie häufig zu Durchfall, Übelkeit und Haarausfall kommt, sind die Nebenwirkungen der CAR-T-Zellen auf die Aktivierung des Immunsystems zurückzuführen (1, 4).

So muss bei jeder Immuntherapie besonders die Balance zwischen Aktivierung und Hemmung des Immunsystems gehalten werden. Bei CAR-T-Zelltherapie kann es zu Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Herzrasen und niedrigem Blutdruck, aber auch Kopfschmerzen, Zittern und Schwindel kommen. Dies liegt an der Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen wie TNF-alpha und IFNγ. Diese sind von der normalen Infektabwehr gut bekannt; können aber in übermäßiger Menge gesundes Gewebe und Gefäße schädigen. Dank intensiver Überwachung im Anschluss an die Behandlung kommt es inzwischen nur noch selten zu starken Nebenwirkungen wie dem Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS). Ebenso sind neurologische Komplikationen mit Kopfschmerzen, Aufmerksamkeitsstörung und Verwirrtheit inzwischen gut beherrschbar, und auch das Infektionsrisiko aufgrund verringerter Blutzellen lässt sich in der Regel gut kontrollieren (4).

Nutzen muss langfristig die Risiken überwiegen

Die CAR-T-Zelltherapie wird nur in spezialisierten Zentren unter strengen Auflagen durchgeführt. Zur Kontrolle von Nebenwirkungen tragen sowohl festgelegte Therapieschemata als auch ein striktes Monitoring im Anschluss an die Behandlung bei. Dabei werden nicht nur akute Nebenwirkungen, sondern auch unerwünschte Wirkungen im langfristigen Verlauf dokumentiert. Dies ist insbesondere wichtig, weil CAR-T-Zellen sich teilen und längerfristig aktiv sein können. Dieser Vorteil birgt natürlich auch Risiken. Bedenken an der Therapie wurden nun laut, weil bei einigen wenigen Behandelten nach längerer Zeit ein weiterer anderer Tumor gefunden wurde. Um einen möglichen, bisher nicht bewiesenen Zusammenhang mit der Therapie zu untersuchen, wurde nun ein Signalbewertungsverfahren eingeleitet. Die Zulassungsbehörden betonen aber ausdrücklich, dass angesichts der Schwere der Krebserkrankungen und nach heutigem Stand der Nutzen in der Regel größer ist als das Risiko. Dies muss natürlich für jeden Einzelfall bestimmt und abgewogen werden (3, 4).

ATMP-Zulassung neuartiger Therapien

CAR-T-Zellen zählen in Europa zu den Arzneimitteln für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Product, ATMP), für deren Zulassung besondere Regelungen gelten. Zu den ATMP zählen Gentherapeutika (EU-Verordnung 2001/83), biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte (EU-Verordnung 1394/2007) und somatische Zelltherapeutika (EU-Verordnung 2001/83). Das Abwägen von Nutzen und Risiko ist bei neuartigen Therapien besonders komplex, weshalb die Nachbeobachtung der Behandelten auch besonders strikt und langfristig angelegt ist (6).

Kombinationstherapien verbessern die Behandlung

Neben CAR-T-Zelltherapien gibt es weitere Formen der Immuntherapie. Checkpoint-Inhibitoren beispielsweise dienen dazu, Blockaden im Immunsystem zu lösen und werden bereits bei mehreren Krebsarten erfolgreich eingesetzt. Andere Therapien sind noch in der Entwicklungs- oder Studienphase. So sollen bispezifische Antikörper und BiTES (bispecific T cell engager) das Zusammenbringen von Immunzellen und Tumorzellen verbessern. Außerdem wird an mRNA-Krebsimmuntherapeutika geforscht, die oft unscharf als RNA-Impfstoff oder RNA-Vakzine bezeichnet werden. Auch hierbei wird das Immunsystem spezifisch gegen Krebszellen aktiviert (2).

Damit jeder Patient und jede Patientin eine möglichst erfolgreiche Behandlung erhält, werden immer häufiger klassische und neue Therapieformen kombiniert und individuell auf den einzelnen Fall abgestimmt. Auf diese Weise wird auch versucht, schwere Nebenwirkungen zu reduzieren. Welche Behandlungsformen beim Einzelnen Aussicht auf Erfolg haben, muss vor Therapiebeginn durch eine umfassende molekulare und histologische Diagnostik bestimmt werden und im Laufe der Therapie mit einem strengen Monitoring laufend überprüft werden (1, 2).
 
 

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Literatur:

(1) ESMO – Was sind Immuntherapie-bedingte Nebenwirkungen? ESMO Patientenleitlinienprogramm, abrufbar unter: https://www.esmo.org/content/download/133758/2490221/1/DE-ESMO-Patientenleitlinie-Immuntherapie-bedingte-Nebenwirkungen-und-ihr-Management.pdf, letzter Zugriff: 04.03.2024.
(2) Höpken U.E. Mit dem Immunsystem den Krebs bekämpfen. Onko Internetportal, abrufbar unter: https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/basis-informationen-krebs-allgemeine-informationen/immunonkologie-mit-dem-immunsys.html, letzter Zugriff: 04.03.2024.
(3) Müller AA. CAR-T-Zell-Therapie: Wirkprinzip, Indikationen, Produkte, Einschätzung für die klinische Praxis. Schweizer Zeitschrift für Onkologie (SZO) 1/2020 72020; 1: 6–10.
(4) Brücklein et al. Onkopedia Leitlinie: CAR-T-Zellen: Management von Nebenwirkungen. 2020, abrufbar unter: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/car-t-zellen-management-von-nebenwirkungen/@@guideline/html/index.html, letzter Zugriff: 04.03.2024.
(5) Willen C. Innovationen der Immuntherapien: CAR-T-Zellen – allogen, biphasisch oder im Tandem Dtsch Arztebl 2022; 119(5): A-180 / B-151.
(6) Scherer J et al. Die Regulation von Arzneimitteln für neuartige Therapien (ATMP). Paul-Ehrlich-Institut (PEI). 2023, abrufbar unter: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-67908-1_9, letzter Zugriff: 04.03.2024.


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