Arterielle Hypertonie
Palma Pelaj B.A.In der westlichen Welt ist etwa jede dritte Person von Bluthochdruck betroffen und er stellt auch weltweit ein gesundheitliches Problem dar. Meist zeigen sich vor allem zu Beginn keine charakteristischen Beschwerden, was eine frühe Diagnosestellung erschwert und Folgeerkrankungen wahrscheinlicher macht.
Was ist Bluthochdruck?
Der Blutdruck ist die Kraft, die das zirkulierende Blut auf die Wände der Arterien, der großen Blutgefäße des Körpers, ausübt. Er wird mithilfe zweier Werte angegeben: Der systolische Wert steht für den Blutdruck in den Blutgefäßen während der Herzkontraktion, der diastolische Wert für den Druck in den Gefäßen während der Herzentspannung. Eine arterielle Hypertonie liegt laut ESC/ESH-Definition vor, wenn der systolische Blutdruck an mindestens zwei Tagen jeweils ≥ 140 mmHg und/oder der diastolische Blutdruck ≥ 90 mmHg beträgt [1].
Wie häufig ist die arterielle Hypertonie und wer ist betroffen?
Hypertonie zählt weltweit zu den häufigsten chronischen Erkrankungen. Im Jahr 2019 lag die altersstandardisierte Prävalenz bei Frauen bei 32% und bei Männern bei 34% – erhoben in über 200 Ländern bei Menschen im Alter zwischen 30 und 79 Jahren. Auch wenn in Deutschland im Vergleich zu 1990 ein Rückgang der Prävalenz zu verzeichnen ist, bleibt sie auf hohem Niveau.
In Deutschland zeigen Daten aus bevölkerungsbezogenen Befragungen und Untersuchungen eine Prävalenz zwischen 25% und über 30%, je nach Definition und Erhebungsmethode. Männer sind dabei tendenziell häufiger betroffen als Frauen. Die Prävalenz steigt deutlich mit dem Alter: Bei Menschen ab 65 Jahren liegt sie bei rund zwei Dritteln [2].
Was sind die Ursachen von Bluthochdruck?
Die arterielle Hypertonie kann auf eine Grunderkrankung, genetische Vorbelastung oder auf ungünstige Lebensgewohnheiten zurückzuführen sein. Zu den häufigen Ursachen und Risikofaktoren zählen [3]:
eine Ernährung mit hohem Salzgehalt, vielen Trans- und gesättigten Fettsäuren und wenig Obst und Gemüse
körperliche Inaktivität
Alkohol- und Tabakkonsum
Übergewicht oder Adipositas
familiäre Vorbelastung
Luftverschmutzung
Höheres Lebensalter über 65 Jahre
Komorbiditäten wie Diabetes mellitus, Hyperlipidämie oder Nierenerkrankungen
Stress
Wie entsteht die arterielle Hypertonie?
Die arterielle Hypertonie entsteht durch komplexe Wechselwirkungen zwischen genetischen Anlagen, Umweltfaktoren, hormonellen Regelkreisen und mehreren Organsystemen. Dabei ist ein dauerhaft erhöhter Blutdruck in den systemischen Arterien das zentrale Kennzeichen. Zwei Hauptkomponenten bestimmen den Blutdruck: ein statischer Anteil, der vor allem vom peripheren Widerstand abhängt, und ein pulsierender Anteil, der von der Elastizität der Aorta beeinflusst wird.
Diese beiden Anteile werden über verschiedene physiologische Mechanismen reguliert – darunter das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), der Sympathikus, die renale Volumensteuerung sowie vaskuläre Regulationsprozesse. Eine Fehlsteuerung dieser Systeme kann zu einer anhaltenden Erhöhung des Blutdrucks führen. Über die Zeit hinweg resultiert daraus eine strukturelle und funktionelle Schädigung von Organen wie Herz, Hirn, Niere und Gefäßen (hypertension-mediated organ damage) [4].
Welche Arten von arterieller Hypertonie gibt es?
Primäre Hypertonie: Wenn keine erkennnnbare Ursache vorliegt
Als primäre Hypertonie (essentielle Hypertonie) wird der Bluthochdruck bezeichnet, der ohne erkannbare Ursache besteht. Hierbei handelt es sich um die häufigste Form der arterteriellen Hypertonie, von der etwa 90% aller Patient:innen betroffen sind [1].
Sekundäre Hypertonie: Bluthochdruck infolge anderer Erkrankungen
Die sekundäre Hypertonie entsteht infolge einer identifizierbaren Grunderkrankung. Sie betrifft mindestens 10% der erwachsenen Patient:innen. Vor allem bei Patient:innen mit schlecht einstellbarem Bluthochdruck sollte eine sekundäre Hypertonie ausgeschlossen werden. Mögliche Ursachen sind [1,2,4]:
Hyperaldosteronismus
Phäochromozytom
Akromegalie
Cushing-Syndrom
Hyperthyreose
Nierenerkrankungen: Nierenarterienstenosen, parenchymatöse Nierenerkrankungen
Aortenisthmusstenose
Wurde eine sekundäre arterielle Hypertonie diagnostiziert, wird zunächst die zugrundeliegende Erkrankung therapiert.
Wie wird die arterielle Hypertonie eingeteilt?
Die Blutdruckkategorie wird anhand des in der Arztpraxis in sitzender Position gemessen Blutdrucks bestimmt. Es existiert folgende Klassifikation [2]:
Hypertonie Grad 1: Systolischer Wert 140-159 mmHg und/oder diastolischer Wert 90-99 mmHg
Hypertonie Grad 2: Systolischer Wert 160-179 mmHg und/oder diastolischer Wert 100-109 mmHg
Hypertonie Grad 3: Systolischer Wert ≥ 180 mmHg und/oder diastolischer Wert ≥ 110 mmHg
Isolierte systolische Hypertonie: Systolischer Wert > 140 mmHg und diastolischer Wert < 90 mmHg
Was sind die Symptome der arteriellen Hypertonie?
Häufig bemerken Menschen, die unter arterieller Hypertonie leiden, zunächst keine Symptome. Besteht die Hypertonie jedoch länger, kann sie zu strukturellen und funktionellen Veränderungen an verschiedenen Organen führen und gilt als wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung kardiovaskulärer, zerebrovaskulärer und renaler Erkrankungen. Zu den betroffenen Organen zählen insbesondere Herz, Gehirn, Nieren, Augen sowie große und kleine Gefäße.
Mögliche Symptome, insbesondere bei stark erhöhtem Blutdruck über längere Zeit, sind [2]:
Kopfschmerz
Schwindel, Synkopen
kognitive Einschränkungen
Visusminderung
Ruhe- oder Belastungsdyspnoe
Angina pectoris, Palpitationen, Tachykardie
Nasenbluten
Ohrensausen
Hämaturie, schäumender Urin, Nykturie, Ödeme
Wie wird die arterielle Hypertonie diagnostiziert?
Da die arterielle Hypertonie überwiegend asymptomatisch verläuft, wird sie meist im Rahmen eines Screenings entdeckt. Für eine verlässliche Diagnose ist eine einzelne Blutdruckmessung in der Praxis nicht ausreichend. Als Standard gilt die Bestätigung durch ambulante oder häusliche Langzeitmessung (ABDM bzw. HBPM).
Liegt der initial gemessene Blutdruck über 160/100 mmHg, sollte innerhalb weniger Tage bis Wochen eine erneute Messung erfolgen – bei Werten über 180/110 mmHg ist die sofortige Abklärung eines hypertensiven Notfalls erforderlich. Ist dies ausgeschlossen, sollte die Diagnose zeitnah – möglichst innerhalb einer Woche – gesichert werden, bevor eine Therapie eingeleitet wird [1]. Wurde die Diagnose bestätigt, sollten folgende ergänzende Untersuchungen durchgeführt werden [2]:
Anamnese: Abfrage von Symptomen, Risikofaktoren, Familien-, Medikamenten- und Lebensstilanamnese
Körperliche Untersuchung inkl. Auskultation, Inspektion und Palpation der unteren Extremität und peripheren Arterien
Laborchemische Untersuchungen: Natrium, Kalium, Serumkreatinin, Lipidsatus, Nüchternplasmaglucose oder HbA1c, Urtinstatus
Basisdiagnostik von möglichen Endorganschäden: Ruhe-EKG, Bestimmung der Albumin-Kreatinin-Ratio im Urin. Bei Verdachtsmomenten in der Anamnese, auffälligen Befunden der Basisdiagnostik oder hohen kardiovaskulären Risikoscores, sollte die Diagnostik erweitert werden.
Ergeben sich Hinweise auf das Vorliegen einer sekundären Hypertonie, sollten ebenfalls weiterführende Untersuchungen durchgeführt werden.
Wie wird die primäre arterielle Hypertonie behandelt?
Lebensstilbasierte Ansätze zur Blutdrucksenkung
Wenn eine primäre arterielle Hypertonie diagnostiziert wird, können Änderungen des Lebensstils dazu beitragen, den Blutdruck zu senken. Empfohlen werden [2]:
Einschränkung der Kochsalzzufuhr (< 6g/Tag)
Gewichtsreduktion
Körperliche Aktivität mit moderater Aktivität
Ausgewogene, kalorienadaptierte Ernährung
Tabakverzicht
Beschränkung des Alkoholkonsums
Stressbewältigung durch Meditation, Atemübungen, Massagen, Muskelentspannung, Yoga, Tai Chi, etc.
Strukturierte Schulungen zum Krankheitsverständnis und -management
Schlägt die Lebensstilintervention fehl oder wird der Blutdruck nicht ausreichend gesenkt, benötigen Hypertonie-Patient:innen eine begleitende Pharmakotherapie. Dennoch wirkt sich eine gesunde Lebensweise positiv auf die Behandlung des Bluthochdrucks aus.
Medikamentöse Therapie: So wird die Blutdrucksenkung begonnen
Je nach festgestelltem Hypertoniegrad, Komorbiditäten, Alter, Gebrechlichkeit und kardiovaskulärem Risikoprofil kommen unterschiedliche Substanzklassen und Kombinationen zum Einsatz [2]:
Bei Hypertonie Grad 1 und geringem kardiovaskulären Risiko oder bestehender Gebrechlichkeit sollte zunächst eine Monotherapie erfolgen. Je nach bestehender Komorbidität kommen verschiedene Substanzklassen bevorzugt zum Einsatz.
Bei Hypertonie Grad 2/3 oder Grad 1 und einem hohen kardiovaskulären Risiko sollte bevorzugt eine Kombinationstherapie eingesetzt werden. Bei der Auswahl spielen auch hier die Komorbiditäten eine Rolle.
Wirkstoffklassen der ersten Wahl sind:
ACE-Hemmer
AT-1-Rezeptor-Antagonisten (Sartane)
Beta-Blocker
Kalziumkanalblocker
Thiazid-artige Diruetika und Thiazide
Was tun bei Versagen der Erstlinientherapie?
Wird unter der Erstlinientherapie das Therapieziel nicht erreicht, sollte zunächst geprüft werden, ob die Medikation zuverlässig eingenommen wird und ob unerwünschte Nebenwirkungen bestehen. Besteht eine Monotherapie, sollte zunächst eine Kombinationstherapie durchgeführt werden, bevor das erste Medikament voll ausdosiert wird. Die Kombinationstherapie sollte bevorzugt als Fixkombination angeboten werden. Eine weitere Eskalation auf drei Medikamentengruppen ist möglich.
Insofern weiter keine befriedigende Einstellung erreicht wird, sollte eine Überweisung in ein Hypertonie-Zentrum erwogen werden. Weiterhin sollten eine pseudoresistente (z.B. durch fehlerhafte Medikamenteneinnahme) und eine sekundäre Hypertonie ausgeschlossen werden. Wird auch unter maximaler Dosierung von drei Antihypertensiva keine Blutdruckkontrolle erreicht, spricht man von einer therapieresistenten Hypertonie. In diesem Fall kann die Therapie um Spironolacton, einen Alpharezeptorblocker oder einen Betablocker ergänzt werden [2].
Hypertensive Entgleisung und Hypertensiver Notfall
Hypertensive Entgleisung
Eine hypertensive Entgleisung liegt bei Blutdruckwerten von > 180/110mmHg ohne akute Begleitsymptome vor. In diesem Fall sollte zunächst eine erneute Messung nach etwa 30 Minuten in Ruhe durchgeführt werden. Bestehen die erhöhten Werte auch danach weiter, sollte eine moderate Blutdrucksenkung im Rahmen der bestehenden oralen Medikation angestrebt werden. Kurzwirksame und sublinguale Medikamente sollten vermieden werden [2].
Hypertensiver Notfall
Ein hypertensiver Notfall liegt vor, wenn Blutdruckwerte von > 180/110mmHg bestehen und zusätzlich Anzeichen eines blutdruckassoziierten Organschadens vorliegen. Diese umfassen [2]:
Lungenödem
Akutes Koronarsyndrom, Aortendissektion, Herzinsuffizienz
Intrazerebrale Blutung, Enzephalopathie, Ischämischer Schlaganfall
Rasch progrediente oder neu aufgetretene Nierenerkrankung
Mögliche Symptome, die auf bestehende Endorganschäden hinweisen, umfassen: Kopfschmerzen, Sehstörungen, Brustschmerzen, Atemnot, Schwindel, Somnolenz, Lethargie, Krampanfälle und weitere neurologische Ausfälle [1].
In diesem Fall soll eine sofortige stationäre Einweisung erfolgen. Um die Zeit bis zum Eintreffen eines Notarztteams zu überbrücken, können Notfallmedikamente wie Urapidil oder Glyceroltrinitrat verabreicht werden [2].
Wie erfolgt die Nachsorge?
Die Versorgung von Patient:innen mit arterieller Hypertonie erfordert eine koordinierte Zusammenarbeit über Sektor- und Einrichtungsgrenzen hinweg. Die Intensität der Betreuung richtet sich unter anderem nach dem Lebensalter, dem Krankheitsverlauf, dem individuellen Schulungsbedarf sowie dem Ausmaß der Symptome und vorhandenen Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Herzinsuffizienz oder koronare Herzkrankheit. Medikation und Blutdruckwerte sollten jedoch in jedem Fall in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden [2].
Wie ist die Prognose der arteriellen Hypertonie?
Groß angelegte Metaanalysen zeigen, dass das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen deutlich mit steigendem systolischem und diastolischem Blutdruck zunimmt. Bereits ein Anstieg des systolischen Blutdrucks um 20 mmHg und des diastolischen um 10 mmHg kann das Sterberisiko durch Herzkrankheiten und Schlaganfall nahezu verdoppeln.
Die Prognose ist nur dann günstig, wenn der Blutdruck ausreichend kontrolliert wird. Da Hypertonie jedoch eine fortschreitende Erkrankung ist, können auch bei guter Einstellung Komplikationen auftreten. Eine konsequente Blutdruckkontrolle und Lebensstilmaßnahmen können das Auftreten und Fortschreiten von Folgeerkrankungen – wie chronischer Nierenerkrankung oder Nierenversagen – zwar verzögern, aber nicht immer vollständig verhindern [5].
Wie kann man einer arteriellen Hypertonie vorbeugen?
Zu den empfohlenen Maßnahmen zählen vor allem eine gesunde Ernährung mit einem hohen Anteil an Obst und Gemüse sowie eine Reduktion von sitzender Tätigkeit. Körperliche Aktivität spielt eine zentrale Rolle – ideal sind mindestens 150 Minuten Bewegung pro Woche mit moderater Intensität (z. B. zügiges Gehen, Schwimmen, Tanzen) oder 75 Minuten intensiver Aktivität (z. B. Joggen). Zusätzlich sollten an mindestens zwei Tagen pro Woche Kraftübungen durchgeführt werden. Auch eine Gewichtsreduktion bei Übergewicht oder Adipositas kann den Blutdruck deutlich verbessern.
Darüber hinaus sollten Risikofaktoren wie chronischer Stress reduziert und andere Grunderkrankungen mitbehandelt werden. Eine regelmäßige Blutdruckkontrolle sowie die Vermeidung belastender Umwelteinflüsse wie Luftverschmutzung sind ebenfalls sinnvoll. Ungünstige Verhaltensweisen, die vermieden werden sollten, sind ein hoher Salzkonsum (idealerweise unter 2 Gramm täglich), der Verzehr von Lebensmitteln mit gesättigten oder Transfetten, das Rauchen oder der Konsum von Tabak sowie übermäßiger Alkoholkonsum – dieser sollte 1 Getränk pro Tag bei Frauen bzw. 2 bei Männern nicht überschreiten [3].
Häufig gestellte Fragen zu arterieller Hypertonie
Rund um das Thema Arterielle Hypertonie stellen sich für Betroffene und Angehörige oft viele Fragen: zur Diagnose, zu Behandlungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit der Erkrankung. In dieser Patient:innen-FAQ finden Sie Antworten auf die häufigsten Fragen.
Literatur:
- (1)
McEvoy JW et al. (2024) 2024 ESC Guidelines for the management of elevated blood pressure and hypertension: Developed by the task force on the management of elevated blood pressure and hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and endorsed by the European Society of Endocrinology (ESE) and the European Stroke Organisation (ESO), European Heart Journal, DOI: 10.1093/eurheartj/ehae178
- (2)
S3-Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie Hypertonie, abrufbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/nvl-009
- (3)
WHO: Hypertension, abrufbar unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/hypertension
- (4)
McEvoy JW et al. (2024) 2024 ESC Guidelines for the management ofelevated blood pressure and hypertension - Supplementary data, European Heart Journal, DOI: 10.1093/eurheartj/ehae178
- (5)
StatPearls: Essential Hypertension, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK539859/