Freitag, 3. Mai 2024
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Medizin

Antibiotikaverbrauch im 1. Pandemiejahr verdoppelt

Antibiotika nützen nichts gegen Viren, auch nicht gegen das Coronavirus. Dennoch verschrieben Ärzt:innen in der Schweiz im 1. Jahr der Pandemie etwa doppelt so häufig antibakterielle Medikamente wie zuvor, berichten Forschende der Universität Basel. Eine riskante Praxis, warnt das Forschungsteam.

Mehr Antibibiotika-Verschreibungen im 1. Pandemiejahr

Es war eine Zeit großer Unsicherheit: Als ab dem Frühjahr 2020 die erste Coronawelle über die Schweiz rollte, gab es weder diagnostische Tests noch eine Impfung noch wirksame Medikamente. In dieser Phase der Verunsicherung griffen in der Schweiz niedergelassene Ärzt:innen in der Grundversorgung offenbar vermehrt auf Antibiotika zurück, um Patient:innen zu behandeln, obwohl diese Medikamente gegen Viren nichts ausrichten. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam um Prof. Dr. Heiner Bucher vom Departement Klinische Forschung der Universität und des Universitätsspitals Basel.

1. Pandemiejahr: Einsatz von Antibiotika verdoppelt

Wie das Team im Fachjournal „Clinical Microbiology and Infection“ berichtet, verdoppelte sich der Einsatz von Antibiotika von rund 8 auf 16 Antibiotikaverschreibungen pro 100 Konsultationen. Während der ersten Sars-CoV-2-Welle zu Jahresbeginn 2020 zeigte sich ein massiver Anstieg der Antibiotikaverschreibungen. Diese hielten sich ab Frühjahr 2020 für das ganze Jahr auf überdurchschnittlich hohem Niveau im Vergleich zu den Vorjahren 2017 bis 2019.

Nationalfondsprogrammes NRP 72 „Antimikrobielle Resistenz“ untersucht Häufigkeit von Antibiotika-Verschreibungen

Die Forscher:innen begannen ihre Studie bereits 2017 vor der Pandemie im Rahmen des Nationalfondsprogrammes NRP 72 „Antimikrobielle Resistenz“. Grundlage waren vollständig anonymisierte individuelle Patient:innendaten von über 2 Millionen Krankenversicherten aller Altersgruppen sowie Abrechnungsdaten von Ärzt:innen. Wie sich die Coronapandemie auf die Verschreibungspraxis auswirkte, untersuchten die Forschenden mit Fokus auf 2.945 Allgemeinmediziner:innen und Kinderärzt:innen, die in den Vorjahren bereits eine mittlere bis hohe Rate an Antibiotikaverschreibungen aufwiesen.
 
 

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© Kateryna_Kon - stock.adobe.com

Mehr Verschreibung von Antibiotika erhöht Risiko für Resistenzen

Das Ergebnis: Die massiv erhöhte Verschreibungspraxis zeigte sich für alle Antibiotikaklassen, auch solche, welche primär nicht zur Behandlung von Atemwegsinfekten vorgesehen sind. „Das ist besonders besorgniserregend, da übermässiger und falscher Antibiotikagebrauch das Risiko erhöht, dass Bakterien gegen den verwendeten Wirkstoff resistent werden“, sagt Heiner Bucher. Multiresistente Bakterien führen zu Infektionen, die sich kaum mehr behandeln lassen.

Sorge um Superinfektionen erhöhte Raten an Antibiotikaverschreibung während des 1. Pandemiejahres

Laut Analyse der Forschenden war die erhöhte Verschreibungspraxis nicht auf eine „Blindverschreibung“, etwa durch Telefonkonsultationen, zurückzuführen. Der Großteil der Verschreibungen erfolgte bei Konsultationen in der Praxis. Ebenso zeigte sich, dass Ärzt:innen mehr Bluttests für einen Entzündungsnachweis in ihren Praxen durchführten. Am ehesten sei der massive Anstieg an Verschreibungen wohl mit der Sorge zu erklären, dass es bei einer Covid-19-Infektion zusätzlich zu bakteriellen Komplikationen kommen könnte. Auch der Mangel an Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten gegen Covid-19 spielte wohl eine Rolle, vermuten die Forschenden. Die Ärzti:nnen in der Studie fanden sich im ersten Pandemiejahr vor allem mit besonders verletzlichen Patient:innengruppen konfrontiert: Während sich insgesamt die Zahl der Konsultationen im ersten Pandemiejahr gegenüber den Vorjahren halbierte, nahm die Anzahl der Konsultationen bei Patient:innen mit teils schweren Vorerkrankungen auf das Doppelte zu.
 
 

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Rate an Antibiotikaverschreibungen muss überwacht werden

„In der Vorbereitung auf künftige Pandemien müssen wir den zu erwartenden massiven Antibiotikagebrauch mit geeigneten Maßnahmen wie gezielten Informationsstrategien einschränken, um unnötige Verschreibungen und das Risiko von Resistenzen zu reduzieren“, betont Heiner Bucher.
Das Forschungsteam will nun untersuchen, ob sich die Verschreibungspraxis in den Folgejahren der Pandemie erneut verändert hat. Außerdem möchte es in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Zentrum für Antibiotikaresistenzen herausfinden, wie sich die Resistenzbildung infolge des erhöhten Antibiotikagebrauchs entwickelt.

Quelle: Universität Basel



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