Donnerstag, 25. April 2024
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Medizin

HiP-CT: 3D-Bildgebung mit 100-fach höherer Auflösung als herkömmliche CT

von Susanne Morisch

HiP-CT: 3D-Bildgebung mit 100-fach höherer Auflösung als herkömmliche CT
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Die Bildgebung steht vor der Herausforderung, dass die Bildqualität von kleinen zu großen Proben deutlich abnimmt. Mit der HiP-CT (hierarchische Phasenkontrasttomographie) sind erstmals qualitativ hochwertige Bilder ganzer ausgewachsener menschlicher Organe möglich – und das in 3D.

MRT und andere Bildgebungsverfahren liefern nur unpräzise Bilder

Biologische Gewebe sind komplexe 3D-Strukturen. Sie sind hierarchisch angeordnet – von einzelnen spezialisierten Zellen, über Funktionseinheiten bis hin zum ganzen Organ. Morphologie und Interaktion über diese Hierarchien hinweg geben Aufschluss über Gesundheit und Krankheit. Ganze menschliche Organe räumlich zu kartieren, ist derzeit nur sehr bedingt und mit Datenverlust durchführbar. Daher werden neue 3D-Bildgebungsverfahren dringend benötigt. Denn weder das optische Clearing, noch die Magnetresonanztomographie (MRT) oder die Mehrstrahl-Elektronenmikroskopie können Bilder von menschlichem Gewebe auf zellulärer bis subzellulärer Ebene liefern (1). 

HiP-CT liefert 3D-Bilder bis auf Zellebene

HiP steht für „hierarchische Phasenkontrasttomographie“. Diese spezielle Computertomographie (CT) ermöglicht es, 3-dimensionale Scans mit hierarchisch ansteigender Auflösung an ganzen menschlichen Organen durchzuführen. Die HiP-CT liefert einen strukturellen Überblick über das Organ und kann sowohl organotypische Funktionseinheiten als auch bestimmte Zellen in Organen erfassen.
 
 

HiP-CT 100-Mal präziser als herkömmliche CT

Sie ermöglicht es, selbst feinste Gefäße mit einem Durchmesser von nur 5 Mikrometern abzubilden. Zum Vergleich: Ein einzelnes Haar misst 50 Mikrometer. Eine solche Auflösung war bislang nur bei kleinen Gewebeproben unter dem Mikroskop möglich – und lieferte nur 2-dimensionale Bilder. Die neue Technik erlaubt erstmalig 3-dimensionale Bilder ganzer Organe. Die Bilder übertreffen die Auflösung eines herkömmlichen CT-Scanners um das 100-Fache.

HiP-CT nutzt Hochenergie-Synchrotronquelle der 4. Generation

HiP-CT ist eine auf Phasenkontrast basierende sCT-Modalität, die die erste Hochenergie-Synchrotronquelle der 4. Generation nutzt (2). Durch verschiedene methodische Entwicklungen haben die Forscher:innen eine hierarchische 3D-Bildgebung mehrerer intakter menschlicher Organe ermöglicht, die eine gleichbleibend hohe Bildqualität von ganzen menschlichen Organen bis hin zu einzelnen organotypischen Funktionseinheiten und bestimmten spezialisierten Zellen an jedem beliebigen Ort innerhalb des Organs bietet. Dank der schonenden Probenvorbereitung und der zerstörungsfreien Bildgebung können die HiP-CT-Proben anschließend mit denen anderer Bildgebungsverfahren, z. B. der Histologie, verglichen werden, um eine Validierung zu ermöglichen (3).
 
 

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Hochenergie-Synchrotron der 4. Generation hellste Röntgenquelle der Welt

Diese Fortschritte beruhen auf dem jüngsten Ausbau der Extremely Brilliant Source (EBS) an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF), mit dem das weltweit erste Hochenergie-Synchrotron der 4. Generation geschaffen wurde. Es ist die derzeit hellste Röntgenquelle der Welt. Durchführbarkeitsstudien haben bereits gezeigt, dass sie in der Lage ist, noch nie dagewesene Details aufzulösen – zum Beispiel die durch COVID-19 verursachten Schäden in der menschlichen Lunge, und zwar von den großen Atemwegen bis hinunter zu den feinsten Mikrogefäßen.

HiP-CT unterstützt COVID-Forschung

Die HiP-CT ermöglicht eine 3-dimensionale Darstellung, bei der man sich von der Gesamtdarstellung der Lungen in die einzelnen Lungenläppchen und Alveolen hineinzoomen kann. Bei einer Auflösung von 25 µm sind hochintensive Regionen in der Lungenperipherie sichtbar (die für die Milchglastrübungen in der normalen CT verantwortlich sind). Bei 6,5 µm werden erweiterte Alveolargänge und eine Zerstörung der Alveolarstruktur erkennbar. Bei 2,5 µm zeigt sich, dass einzelne Alveolen vermutlich mit geronnenem Blut und Entzündungszellen gefüllt sind und das interstitielle Gewebe zwischen den Alveolen verdickt ist. Beides erklärt die Störung des Gasaustausches in den Lungen, die bei COVID-Patient:innen zu Atemnot und einer verminderten Oxygenierung des Blutes führen (4). Damit ist die HiP-CT ein wichtiges Instrument bei der Diagnostik und Therapie von durch COVID hervorgerufenen Schäden.

Neuer HiP-CT-Atlas der inneren Organe

Aber auch die normale Anatomie der Organe lässt sich mit HiP-CT auf nie gekannte Weise darstellen: Purkinje-Zellen im Kleinhirn, einzelne Fasern des Myokards im Herzmuskel, die Glomeruli mit afferenter und efferenter Arteriole in den Nieren – all das macht die HiP-CT sichtbar. Der völlig neue Blick auf die Organe kann das Verständnis der menschlichen organischen Struktur verändern, weshalb bereits ein HiP-CT-Atlas der inneren Organe entsteht.

Vorteile der HiP-CT

Die Technik bietet gegenüber früheren sCT-basierten Methoden entscheidende Vorteile (3):
 
  1. Bilder unterschiedlicher Auflösung von jedem Ort können leicht aufeinander abgestimmt werden, was die Datenvisualisierung und -interpretation erleichtert.
  2. Es kann leicht beurteilt werden, ob eine hochauflösende Region für das gesamte Organ repräsentativ ist.
  3. Die Datenerfassung und -speicherung ist effizient, insbesondere bei seltenen oder räumlich weit entfernten Merkmalen.
 
 

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HiP-CT – Produkt einer internationalen interdisziplinären Kooperation

Das Projekt ist eine internationale interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler:innen und Mathematiker:innen des University College London (UCL), der ESRF und Kliniker:innen der Hannoverschen Biobank, der Universitäten Mainz und Heidelberg und vielen weiteren Beteiligten.

>>> Zur Originalpublikation „Imaging intact human organs with local resolution of cellular structures using hierarchical phase-contrast tomography<<<

Quelle: Nature Methods

Literatur:

(1) Belle, M. et al. Tridimensional visualization and analysis of early human development. Cell 169, 161–173 (2017).
(2) Pacchioni, G. An upgrade to a bright future. Nat. Rev. Phys. 1, 100–101 (2019).
(3) Salditt, T. & Töpperwien, M. Holographic imaging and tomography of biological cells and tissues. In Nanoscale Photonic Imaging (eds Salditt, T., Egner, A. & Luke, D. R.) 134, 339–376 (Springer, 2020).
(4) Grasselli, G. et al. Pathophysiology of COVID-19-associated acute respiratory distress syndrome: a multicentre prospective observational study. Lancet Respir. Med. 8, 1201–1208 (2020).



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