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Zwischen Tradition und Evidenz: Wie lang soll Antibiotika verabreicht werden?

Die Anwendung von Antibiotika ist grundsätzlich mit dem Risiko von Resistenzentwicklungen verbunden. Um diesem Risiko entgegenzuwirken, gingen viele in der Infektionsmedizin tätige Ärzt:innen lange davon aus, dass eine ausreichend lange Behandlung erforderlich sei – selbst dann, wenn die Symptome der Patient:innen bereits abgeklungen waren. Inzwischen setzen jedoch viele Wissenschaftler:innen auf einen anderen Ansatz: „Shorter is better“.

Doch trifft das auch auf häufige Infektionen im Kindesalter wie Mittelohrentzündungen oder Lungenentzündungen zu? Dieser Frage ging das IQWiG im Rahmen eines ThemenCheck-Berichts nach.

Mittelohrentzündung: Keine klare Evidenz für kürzere Therapie

Für die akute Mittelohrentzündung analysierte das Forschungsteam insgesamt 12 geeignete Studien. Diese untersuchten bei Kindern im Alter von 1 Monat bis 14 Jahren die Wirksamkeit von 7 in Deutschland zugelassenen Antibiotika – darunter Penicillin und Amoxicillin – bei unterschiedlicher Therapiedauer. Die Auswertung ergab: Weder beim primären Endpunkt Therapieerfolg noch bei den weiteren Endpunkten wie Wiederauftreten der Infektion, unerwünschten Ereignissen oder Mortalität konnte ein Hinweis darauf gefunden werden, dass eine kürzere Antibiotikatherapie der längeren nicht unterlegen ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass die verkürzte Behandlungsdauer schlechter wirkt – vielmehr fehlt derzeit ein belastbarer Nachweis für eine Gleichwertigkeit.

Pneumonie: Kürzere Therapie zeigt vergleichbare Ergebnisse

Weitere 7 Studien befassten sich mit der Frage, wie lange Kinder mit ambulant erworbener Lungenentzündung Amoxicillin einnehmen sollten. Dabei lag das durchschnittliche Alter der teilnehmenden Kinder in den meisten Studien zwischen 1 und 2 Jahren; die obere Altersgrenze für den Studieneinschluss reichte meist von 5 bis 10 Jahren. Untersucht wurden insgesamt 5 verschiedene Vergleiche zwischen kürzerer und längerer Therapiedauer – etwa 3 versus 5 Tage oder 5 versus 10 Tage.

Die Ergebnisse dieser Studien zeigen: Eine verkürzte Behandlungsdauer führt bei Kindern mit ambulant erworbener Lungenentzündung zu einem vergleichbaren Therapieerfolg wie eine längere Antibiotikatherapie. Zudem traten bei einer 3-tägigen Behandlung weniger Nebenwirkungen wie etwa Magen-Darm-Beschwerden auf als bei einer 5-tägigen Therapie. Für die Endpunkte Wiederauftreten der Erkrankung und Sterblichkeit ergab sich kein Hinweis darauf, dass die kürzere Therapie der längeren unterlegen ist.

Für Jugendliche und Erwachsene mit ambulant erworbener Lungenentzündung liegen bislang keine Studien vor, die eine verkürzte mit einer herkömmlichen Therapiedauer vergleichen.

Abwägung im Einzelfall bleibt entscheidend

Eine pauschale Empfehlung für eine verkürzte Einnahmedauer von Antibiotika lässt sich derzeit nicht ableiten.

Angesichts dieser Unsicherheit ist bei der Wahl des Therapieschemas eine gemeinsame Entscheidungsfindung sinnvoll. Dabei sollten nicht nur individuelle Faktoren wie Nebenwirkungen, Therapietreue und Behandlungserfolg berücksichtigt werden, sondern auch Aspekte der öffentlichen Gesundheit.

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Quelle:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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