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Schmerz ist kein „normales“ Altersthema – sondern ein Risikofaktor

In Deutschland sind bereits heute über 22% der Bevölkerung 65 Jahre und älter – eine Zahl, die weiter steigt. Geriatrische Patient:innen sind durch Multimorbidität, Polypharmazie und kognitive Beeinträchtigungen besonders schmerzempfindlich und gefährdet. Schmerz ist dabei nicht nur ein Symptom, sondern ein wesentlicher Prädiktor für Gebrechlichkeit, Sturzneigung, Pflegebedürftigkeit und erhöhte Sterblichkeit. Trotz dieser Risiken bleibt Schmerz bei älteren Menschen häufig unerkannt oder unzureichend behandelt – oft weil er als „normal“ im Alter abgetan wird. Diese Fehleinschätzung hat schwerwiegende Folgen für die Lebensqualität und das Wohlbefinden.

Neue Leitlinie gibt Empfehlungen für eine sichere und individuelle Therapie

Die Leitlinie „Schmerzmanagement bei GERiatrischen PAtIeNt:innen (GeriPAIN)“ liefert erstmals eine strukturierte, evidenzbasierte Orientierung für die Diagnose und Behandlung von Schmerzen bei älteren Menschen. Sie berücksichtigt spezifische Herausforderungen wie die Erkennung von Schmerzen bei Menschen mit Demenz oder kognitiven Einschränkungen. Sie stellt klare Empfehlungen für nicht-medikamentöse Therapien wie Physiotherapie, Ergotherapie, psychosoziale Unterstützung und Bewegungstherapie bereit. Gleichzeitig werden sichere und wirksame medikamentöse Strategien vorgestellt, die auf individuellen Risiken und Wechselwirkungen beruhen. Invasive Verfahren wie gezielte Injektionen oder Nervenblockaden werden nur bei klaren Indikationen und unter Berücksichtigung des Gesamtrisikoprofils empfohlen.

Ein zentraler wissenschaftlicher Mehrwert liegt in der Integration interdisziplinärer Perspektiven: Ärzt:innen, Pflegekräfte, Therapeut:innen, Sozialarbeiter:innen und Patient:innen werden gleichermaßen in den Versorgungsprozess einbezogen. Dies fördert eine ganzheitliche, patientenorientierte Versorgung, die über die reine Symptombehandlung hinausgeht.

Schmerzversorgung auch aus der Perspektive der Betroffenen

Ein besonderes Merkmal der „GeriPAIN“-Entwicklung ist die aktive Einbindung einer Vertreterin der von Schmerz Betroffenen bereits in die Antragsstellung. Heike Norda von der UVSD SchmerzLOS e.V. war nicht nur als Expertin, sondern als Lebenserfahrungsträgerin in den Prozess eingebunden. Dies unterstreicht die Zielrichtung der Leitlinie: Schmerzversorgung auch aus der Perspektive der Betroffenen.

Mehr Sicherheit, Qualität und Teilhabe im Alter

„GeriPAIN“ zielt darauf ab, die Sicherheit von Patient:innen zu erhöhen, Versorgungsbrüche zu vermeiden und die interprofessionelle Zusammenarbeit im Schmerzmanagement zu stärken. Durch klare, evidenzbasierte Empfehlungen wird eine bessere Versorgungsqualität ermöglicht, die gleichzeitig wirtschaftlicher und nachhaltiger ist. Gleichzeitig fördert die Leitlinie die Partizipation älterer Menschen in ihrer eigenen Gesundheitsversorgung – ein zentrales Anliegen der modernen Medizin.

Neue Leitlinie baut auf bereits bestehenden S3-Leitlinie auf

Mit der Veröffentlichung von „GeriPAIN“ wird ein umfassender, interprofessioneller und sektorenübergreifender Ansatz für das Schmerzmanagement bei älteren Menschen in Deutschland etabliert – in der ambulanten, akutstationären und langzeitstationären Versorgung. Die Leitlinie baut auf der bereits bestehenden S3-Leitlinie „Schmerzassessment bei älteren Menschen in der vollstationären Altenhilfe“ (AWMF-Registernummer 145-001) auf und erweitert sie um zentrale Aspekte der Diagnosestellung sowie der nicht-medikamentösen, medikamentösen und invasiven Schmerztherapie. Damit wird ein bisher fehlender systematischer Rahmen für die ganzheitliche Schmerzversorgung im Alter geschaffen.

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Quelle:

Universitätsklinikum Essen

Literatur:

(1)

AWMF – S3-Leitlinie Schmerzmanagement bei GERiatrischen PAtIeNt:innen in allen Versorgungssettings (GeriPAIN), abrufbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/145-005, letzter Zugriff: 23.10.2025.

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