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Theophyllin zeigt vielversprechende Effekte bei seltenen Bewegungsstörungen

„Vor zwei Jahren haben wir gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Leipzig eine damals 5-jährige Patientin mit Theophyllin behandelt“, sagt Studienleiterin Prof. Dr. Andrea Sinz vom Institut für Pharmazie der MLU. „Aus den USA wurde zuvor über positive Effekte von Koffein auf die Krankheit berichtet. Allerdings war die Wirkung von kurzer Dauer. Deshalb haben wir nach einem auch für Kinder zugelassenen Medikament gesucht, das eine ähnliche chemische Struktur besitzt.“ Der Pilotversuch mit dem Asthma-Mittel zeigte beeindruckende Erfolge: Das Kind, das bis dahin im Rollstuhl saß, hatte deutlich weniger Muskelzuckungen. Nach einigen Monaten der Behandlung konnte es eigenständig laufen und deutlicher sprechen.

Effekte bei Patient:innen aus 7 Ländern dokumentiert

Um die Ergebnisse der Einzelfall-Studie auf eine breitere Basis zu stellen, hat die Sinz-Gruppe in einer neuen Studie nun 12 Patient:innen mit ADCY5-abhängiger Dyskinesie im Alter von 2 bis 41 Jahren untersucht, die in 7 Ländern leben. Schätzungen zufolge gibt es weltweit etwa 400 Fälle von ADCY5-abhängiger Dyskinesie. Die Betroffenen oder deren Eltern wurden gebeten, ihre Erfahrungen während der Behandlung mit Theophyllin mit Hilfe eines Fragebogens zu dokumentieren. „Natürlich haben wir zuvor die behandelnden Ärzte ins Boot geholt, über unsere bisherigen Erkenntnisse informiert und mit ihnen die Behandlung besprochen. Da es sich um eine extrem seltene Erkrankung handelt, ist das Wissen darüber nicht sehr verbreitet“, erklärt Sinz. Unterstützung erhielten die Forschenden der MLU dabei wieder von Prof. Dr. Andreas Merkenschlager vom Universitätsklinikum Leipzig.

Verbesserte Bewegungsstörungen und Lebensqualität bei ADCY5-Dyskinesie

Die Ergebnisse sind vielversprechend: 11 der 12 Teilnehmer:innen berichteten von einem deutlichen Rückgang ihrer Bewegungsstörungen. Auf einer Skala von maximal 10 zu vergebenden Punkten lag die durchschnittliche Verbesserung durch Theophyllin bei 7,0. Zu den Veränderungen zählen weniger häufige und leichter verlaufende Krankheitsepisoden, ein verbesserter Gang, ein besseres psychosoziales Wohlbefinden und eine höhere Schlafqualität. Nebenwirkungen wie Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schlafstörungen und Unruhe traten vergleichsweise selten auf. Lediglich der mit 41 Jahren älteste Patient berichtete über keine nennenswerten Verbesserungen. „Nach unserer Erfahrung ist eine Behandlung mit dem Medikament ratsam, sobald die Diagnose gestellt wurde - je eher, umso besser“, sagt Prof. Sinz. Im Rahmen der Studie berichteten mehrere Eltern, dass ihre Kinder durch die Einnahme von Theophyllin Verzögerungen ihrer Entwicklung aufholen konnten. Ein 2-jähriges Kind, bei dem die Behandlung direkt nach der Diagnose eingesetzt wurde, blieb sogar bis heute weitgehend ohne Symptome. Die künftige Forschung soll klären, ob sich die Behandlungserfolge durch eine optimierte Dosierung des Theophyllins weiter steigern lassen.

Theophyllin als Übergangstherapie zur Symptomlinderung

Heilen lässt sich die ADCY5-abhängige Dyskinesie mit dem Asthma-Medikament allerdings nicht. „Es handelt sich um einen Gendefekt, der die Überproduktion eines Botenstoffs in den Zellen verursacht. Dieser Defekt kann letztlich nur durch eine Gentherapie behoben werden“, erklärt Prof. Sinz. Wann sie den Betroffenen zur Verfügung stehen wird, lasse sich aktuell nicht abschätzen. Bis dahin könnte Theophyllin eine wirksame Übergangstherapie sein, die das Leid insbesondere von Kindern lindert und ihre Lebensqualität erheblich verbessert.

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Quelle:

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Literatur:

(1)

Taenzler D et al. Mov Disord. (2025). DOI: 10.1002/mds.30170