KI-Herzmodell verbessert Diagnose und Therapieplanung
Im Projekt SmartHeart simulierten Forschende der Hochschule München (HM) ein pulsierendes Herz, welches mit Hilfe von KI-Methoden Patienten-spezifisch angepasst werden kann. Der Digitale Zwilling soll Mediziner:innen künftig dabei helfen, die Ursachen kardiovaskulärer Erkrankungen zu erforschen und die Auswirkungen von Eingriffen vorherzusagen.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen als häufigste Todesursache
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache in Deutschland. Mehr als 300.000 Menschen sterben jährlich an kardiovaskulären Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen oder Bluthochdruck. „Die Ursachen dieser Erkrankungen sind wahrscheinlich oft multifaktoriell: Es gibt zahlreiche Wechselwirkungen beispielsweise zwischen Blutdruck, der Form und Funktion des Herzmuskels sowie der Herzklappen. Diese komplexen Zusammenhänge lassen sich nur schwer an lebenden Patient:innen untersuchen", erklärt Ludwig Wagmüller. Der Maschinenbauer entwickelte in seiner Promotionsarbeit an der HM das personalisierte Computermodell eines pulsierenden Herz-Kreislaufsystems. Damit soll es zukünftig möglich sein, das Verhalten des Herzens auch ohne invasive Diagnoseverfahren zu analysieren.
Herkömmliche Simulationen erreichen ihre Grenzen
Bisherige Simulationen waren hierfür einerseits zu langsam, andererseits nur in aufwendiger Weise patient:innenspezifisch adaptierbar. „Für die Berechnung und Visualisierung eines einzigen Pulsschlags benötigten Supercomputer mehrere Stunden", erklärt Wagmüller. Zusammen mit den Simulationsexpert:innen an der Fakultät für Maschinenbau, Fahrzeugtechnik und Flugzeugtechnik der HM sowie der Technischen Universität München (TUM) entwarf er mit Hilfe von KI-Methoden ein neuartiges Herzmodell: Dieses kann die patient:innenspezifische Geometrie detailgetreu nachbilden und braucht dennoch weniger Rechnerleistung als traditionelle Simulationen.
Innovative KI-Methoden beschleunigen Berechnungen
Der Trick: „Wir nutzen eine Kombination aus statistischen Verfahren und KI. Dieser Ansatz sorgt dafür, dass die Simulation weniger Rechenzeit benötigt", sagt der Doktorand. Eine wichtige Rolle spielt dabei das „Reduced Order Model“. Solche reduzierten Modelle sind weniger komplex als klassische Simulationen, erreichen jedoch mit Berücksichtigung der wesentlichen Charakteristika eine hohe Übereinstimmung und sind außerdem wesentlich energieeffizienter. Die Forschenden konnten so erstmalig typische Bewegungsmuster in der Herzbewegung über verschiedene Patient:innengeometrien hinweg identifizieren und mathematisch beschreiben.
Modell basiert auf realen Daten
Das neue Herzmodell basiert auf realen Daten von lebenden Patient:innen. Mit Hilfe von 70 anonymisierten MRT-Datensätzen gelang es Wagmüller, den Digitalen Zwilling eines Durchschnittsherzens inklusive seiner Abweichungen zu simulieren. Dieser wurde anschließend – ebenfalls mit anonymisierten – MRT-Daten trainiert. Das Ergebnis ist ein pulsierendes, digitales Herz-Kreislaufsystem, mit dem sich wesentliche physikalische Vorgänge abbilden und vorhersagen lassen. Dieser Digitale Zwilling lässt sich mit Hilfe von spezifischen Daten individualisieren.
Neue Perspektiven für die klinische Herzmedizin
„Durch die Kombination von reduzierten Modellen, die die Simulation beschleunigen, sowie variablen Geometrien, die eine Individualisierung erlauben, eröffnet der Simulationstechnik völlig neue Anwendungen", resümiert HM-Professor Markus Gitterle von der Fakultät für Maschinenbau, Fahrzeugtechnik, Flugzeugtechnik, der gemeinsam mit HM-Professor Michael Wibmer das Projekt leitete. So ermögliche der Digitale Zwilling langfristig Einblicke in pulsierende Herz-Kreislaufsysteme. Ein Zukunftstraum der Forscher:innen sei die Visualisierung und Erprobung chirurgischer Eingriffe: „Der Digitale Zwilling wird laufend weiterentwickelt. Auf diese Weise lässt sich vielleicht eines Tages schon vor einem Eingriff am offenen Herzen untersuchen, ob die geplante Operation den gewünschten Erfolg bringt“, ergänzt Prof. Wibmer.
Quelle:Hochschule München